Finanzminister Magnus Brunner
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Abschaffung der KESt: Ein Geschenk an die Reichen?

Die ÖVP will die Wertpapier-KESt kippen. Die SPÖ wähnt ein Geschenk an die Reichen. Ist das so? Und um wie viel Geld geht es da überhaupt?

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Wenn ein ÖVP-Finanzminister dieser Tage laut über die Abschaffung einer Steuer mit Vermögensbezug nachdenkt, dann muss er zunächst einmal mit Argwohn rechnen. What else. Es ist ja noch nicht einmal einen Monat her, da neue Chats aus dem Mobiltelefon von Thomas Schmid öffentlich geworden sind (Stichwort: Steuererleichterungen für den Unternehmer Siegfried Wolf). 2017 hatte der damalige Generalsekretär des Finanzministeriums einem Kabinettsmitarbeiter geschrieben: "Vergiss nicht - du hackelst in einem ÖVP Kabinett!!Du bist die Hure für die Reichen!"

Das Wirtschaftsmagazin "trend" veröffentlichte jüngst ein Interview mit dem nunmehrigen ÖVP-Ressortchef Magnus Brunner. Er wurde unter anderem gefragt, ob eine Abschaffung der Kapitalertragsteuer (KESt) auf Wertpapiere nicht einen Anreiz böte, mehr schlecht oder nicht verzinstes Sparbuchgeld in Bewegung zu versetzen (Stichwort: Altersvorsorge). Brunners Antwort: "Ja, das ist ein ganz wichtiger Schwerpunkt für dieses Jahr. Eine steuerliche Entlastung für Investitionen in die eigene Vorsorge muss und wird kommen - und zwar mit einer Behaltefrist für Wertpapiere, um reiner Spekulation vorzubeugen. Wie lange diese genau sein wird, ist Gegenstand von Verhandlungen mit dem Koalitionspartner."

Für SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer war das ein Elfer aufs leere Tor: "Die ÖVP hat überhaupt keinen Genierer mehr in ihrer Politik für die Reichen und Superreichen. Sie liefert sehr schnell den Wahrheitsbeweis für den Ausspruch von Thomas Schmid." Kritik kam auch von ÖGB, Arbeiterkammer und der NGO Attac.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass Brunner das nicht jetzt erst eingefallen ist. Die "Erarbeitung einer Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten" ist Teil des Regierungsprogramms 2020-2024, also auch nicht mehr ganz taufrisch.

Lassen wir jetzt einmal außer Acht, dass es in der ÖVP Leute gab oder noch geben mag, die Politik als ältestes Gewerbe der Welt definieren: Ist die Abschaffung der Wertpapier-KESt (bei gleichzeitiger Schaffung einer Behaltefrist) wirklich ein Geschenk an Reich und Superreich?

Ein Schritt zurück

Tatsächlich wäre das zunächst einmal ein Schritt zurück. Denn die KESt-Befreiung für Kursgewinne hatte es in Österreich lange gegeben, ehe sie unter SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann 2012 gekippt wurde. Bis dahin konnten Wertpapiere (Aktien, Anleihen, Fondsanteile) nach einer Behaltefrist von einem Jahr steuerfrei verkauft werden. Ab da fielen auf den Gewinn zunächst 25 Prozent Kapitalertragsteuer an, seit 2016 sind es 27,5 Prozent. Daneben werden auch Ausschüttungen mit 27,5 Prozent besteuert. Für Zinsen auf Spar- und Kontoguthaben fallen demgegenüber 25 Prozent an, aber wer bekommt heute schon noch Zinsen.

Das Wertpapiergeschäft ist für Anlegerinnen und Anleger einerseits riskant, andererseits auch keine Mezzie. Gebühren, Spesen, Steuern. Eine Abschaffung der KESt auf Kursgewinne wäre - no na - eine Erleichterung für jeden Menschen, der in Wertpieren macht. Und das sind keineswegs nur die "Reichen" (der Begriff ist ohnehin dehnbar, vor einigen Jahrzehnten wäre die Zielgruppe jedenfalls deutlich kleiner gewesen). Abgesehen davon, und das wissen wir aus mehreren internationalen Recherchen, haben die sehr "Reichen" ohnehin exklusive Mittel und Wege, ihre Steuerlast zu "optimieren". Offshore investieren kann nun einmal nicht jeder Kleinanleger.

Um wie viel Geld geht es da eigentlich? Die Frage lässt sich nicht präzise beantworten, weil das Finanzministerium die Einnahmen aus der "Kursgewinnsteuer" nicht scharf abgrenzt. Der Betrag geht in den gesamten Kapitalertragsteuereinnahmen des Bundes auf, die in jüngerer Vergangenheit zwischen zwei und drei Milliarden Euro im Jahr lagen.

Ende 2017 hatten die NEOS dazu eine parlamentarische Anfrage an das Finanzministerium gerichtet. Dessen Antwort: 2016 habe die KESt auf "Kursgewinne und Derivate" 101 Millionen Euro erreicht, nach 225 Millionen 2015 und 127 Millionen Euro 2014. Einschränkung: Diese Zahlen erhoben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. "Es muss angemerkt werden, dass die, Kursgewinnsteuer' keine eigene budgetäre Position darstellen kann", schrieb das BMF damals. Die Einnahmen fallen einerseits auf dem Konto "Kapitalertragsteuer auf Zinsen und sonstige Erträgnisse" an, können andererseits aber auch in die Positionen "Körperschaftsteuer" und "Veranlagte Einkommensteuer" hineinspielen. Seufz.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.