Warum sich die Bankenaufsicht beim Übernahme-Poker bei der Addiko-Bank prüft
Von Marina Delcheva
Schriftgröße
Am 27. Juni dieses Jahres passierte an der Wiener Börse etwas Ungewöhnliches: Da wechselten an nur einem Tag 222.000 Stück Aktien der in Wien gelisteten Addiko Bank die Besitzer. Um 4,4 Millionen Euro. Ungewöhnlich ist das deshalb, weil die Handelstage der Addiko, die in Österreich fast niemand kennt, normalerweise eher verschlafen sind. An anderen, handelsüblichen Tagen werden Addiko-Aktien im Wert von 3000, vielleicht 4000 Euro gehandelt, 22.000 Euro, wenn es hochkommt. Im Juni gab es aber ein paar beachtliche Ausreißer-Tage. Und auch sonst ist das Investoren-Interesse an der in Wien gelisteten, aber am Balkan tätigen Bank in letzter Zeit gestiegen. Alles in allem hat sich rund die Hälfte des Aktienvolumens der Bank im vergangenen Jahr irgendwie bewegt.
Zwei serbische und ein slowenischer Investor wollten zuletzt Anteile an Addiko erwerben, wie die „Presse“ in den vergangenen Wochen berichtete. All das verläuft nicht unbedingt friktionsfrei und zur Freude der Bankenaufsicht. Und das hat auch irgendwie mit dem Krieg in Russland zu tun und damit, dass sich Serbien nicht an den EU-Sanktionen beteiligt hat.
Die Addiko Bank wurde 2016 gegründet und ging aus der zusammengebrochenen Hypo Alpe Adria hervor. Zwei Jahre zuvor war die notverstaatlichte Kärntner Hypo in eine Bad Bank und eine Good Bank geteilt worden. Die Bad Bank namens „Heta Asset Resolution“ wurde abgewickelt. Aus dem solventen, noch gesunden Teil des Balkan-Geschäfts ging die Addiko Bank hervor. Sie hat eine österreichische Bankkonzession, aber ihr Filialnetz betreibt sie in Kroatien, Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Serbien. In Wien hat die Bank nur ihren Firmensitz, seit 2019 notiert sie zudem an der Wiener Börse. In den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens betreibt sie aber 155 Filialen und hat eigenen Angaben zufolge über 900.000 Kunden.
Das Geschäftsmodell fußt großteils auf Konsumkrediten und weniger auf dem Immobiliengeschäft. Wenn man in Bosnien eine Waschmaschine kauft oder in Slowenien eine neue Küche und eine Ratenzahlung vereinbart, ist es recht wahrscheinlich, dass man damit auch einen Raten-Kreditvertrag mit Addiko abschließt. Konsumkredite sind in den südöstlichen europäischen Ländern deutlich weiter verbreitet als in Österreich und eine solide Einnahmequelle für fast alle Banken, die dort tätig sind. Auch für Addiko laufen die Geschäfte am Balkan seit Jahren sehr gut. Im Vorjahr erwirtschaftete Addiko einen Gewinn nach Steuern von 41 Millionen Euro, die Bilanzsumme beläuft sich auf rund sechs Milliarden Euro. Die Bank ist heute jedenfalls so groß, dass sie direkt von der Europäischen Zentralbank (EZB) beaufsichtigt wird.
Drei Bieter im Rennen
Seit März dieses Jahres ist das Anlegerinteresse an Addiko massiv gestiegen. Drei Banken wollen Anteile erwerben: Im März hat die Agri Europe Bankgruppe des serbischen Unternehmers Miodrag Kostic ein Übernahmeangebot für 30 Prozent an Addiko abgeben, um knapp mehr als 16 Euro je Aktie. Agri Europe, die zur Agri Holding in Zypern gehört, hält derzeit 9,9 Prozent an Addiko.
Mitte Mai hat die slowenische Nowa Ljubljanska Banka (NLB) ihr Kaufinteresse bekannt gegeben und am 7. Juni ein Übernahmeangebot gelegt. Sie bietet den Aktionären 20 Euro je Aktie und möchte 75 Prozent der Bankenanteile kaufen. Als Mehrheitseigentümerin hätte sie freie Hand bei der Bestellung des Aufsichtsrats und damit des Vorstands. Und sie hätte auch bei grundlegenden strategischen Entscheidungen freie Fahrt.
Es greift aber auch noch ein zweiter Serbe nach der Bank mit ihrer österreichischen Konzession – Davor Macura. Er ist 42 Jahre alt, und ihm gehört die serbische Alta Pay Group. Diese besitzt schon 9,63 Prozent der Addiko. Zusätzlich hat Alta Pay im März über Optionen über 19 Prozent an der Bank erworben und hält damit rund 30 Prozent an der Bank. Übernahmen ab zehn Prozent muss die Bankenaufsicht erst genehmigen. Am Montag wurde aber überraschend bekannt, dass Macura den Antrag auf Nichtuntersagung des Erwerbs einer Beteiligung von mehr als zehn Prozent – wie das im Fachjargon heißt – bei der zuständigen Finanzmarktaufsicht zurückgezogen hat. Ein überraschender Schritt angesichts der Tatsache, dass seine Alta Pay ja schon einen Aktienanteil gekauft hat. Aber warum?
In Wahrheit hat niemand in der Aufsicht gerade eine Freude mit beiden Bietern aus Serbien.
Wie profil aus involvierten Kreisen erfuhr, hat die Bankenaufsicht einen ganz klaren Favoriten für den Kauf der österreichischen Balkan-Bank: die NLB aus Slowenien. Es handelt sich dabei um eine regulierte Bank aus einem EU- und Euro-Land. Sie unterliegt damit automatische der EU-Bankenregulierung. „In Wahrheit hat niemand in der Aufsicht gerade eine Freude mit beiden Bietern aus Serbien“, sagt ein Insider.
Liebling der Aufseher
Serbien ist nicht in der EU, serbische Banken werden nicht von EU-Behörden beaufsichtigt, und Serbien beteiligt sich nicht an den EU-Sanktionen gegen Russland. Die meisten serbischen Banken können also den Zahlungsverkehr zwischen Russland und Serbien ungehindert abwickeln. Diese Gemengelage sorgt dafür, dass die Prüfer sehr genau bei allen Investoren aus dem EU-Nachbarland hinschauen. Schlicht, weil man Angst hat, dass eigentlich sanktioniertes russisches Kapital in die EU geschleust werden könnte.
Wer Kontrolle über eine europäische Bank erwirbt, muss sich grundsätzlich einem sogenannten Eigentümer-Kontrollverfahren stellen. Er oder sie muss auch nachweisen, dass man im Fall einer Krise imstande ist, zusätzliches Kapital in die Bank einzuschießen. Und bei jedem der Genehmigungsschritte muss ein potenzieller Käufer nachweisen, aus welchen Quellen genau das Geld kommt und ob es sauber ist.
Die zahlreichen Bewegungen an der Börse, der Erwerb von Anteilen auch über Optionen hat jedenfalls die Aufsicht stutzig gemacht, die das nun genau prüft. Auf Nachfrage wollte man den Fall Addiko aber nicht kommentieren: „Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu laufenden Verfahren“, sagt ein FMA-Sprecher.
Ortswechsel nach Belgrad zur Alta Pay Group. Macura wurde ursprünglich mit Wechselstuben reich. 2008 gründete er die Alta Pay. Die Gruppe bietet Finanzdienstleistungen wie Goldhandel, Mikrokredite oder andere Geldtransfer-Dienstleistungen an. Alta Pay wuchs schnell. 2023 betrug der Umsatz 12,5 Millionen Euro und der erwirtschaftete Gewinn 3,4 Millionen Euro. Im Vergleich zur Addiko ist Alta Pay aber verhältnismäßig klein. Außerdem gehören auch einige Immobilienfirmen zu Macuras Wirkungsbereich. Macura wird in der Belgrader Geschäftswelt ein gutes Verhältnis zur serbischen Politik nachgesagt. Er ist auch in den Wirtschaftsblättern des Landes sehr präsent.
Schatten der Vergangenheit
Von der pleite gegangenen Hypo Alpe Adria ist heute nichts mehr übrig. Addiko ging aus ihrem gesunden Balkan-Geschäft hervor und hat sich seit 2016 in der Region einem soliden Player entwickelt.
Und manchmal ist der Grundton nicht nur positiv. Die serbische „Forbes“ publizierte im Vorjahr einen Artikel, wonach die Alta Pay Group zu jenen Banken im Land gehört, die Transaktionen mit Russland durchführen. Die Reporter gingen dabei auf Mystery Shopping. Nach Kriegsbeginn sind zahlreiche Russen nach Serbien ausgewandert. Wer sich heute in ein schickes Hipster-Café in der Belgrader Innenstadt setzt, hat gute Chancen, neben Serbisch auch Russisch zu hören. Und russische Staatsbürger haben Konten bei serbischen Banken. Dabei muss es sich freilich nicht um sanktionierte russische Oligarchen handeln. Aber seit Kriegsbeginn stehen Banken mit Verbindungen nach Russland stark im Fokus der europäischen Aufsichtsbehörden. Vor allem dann, wenn sie Anteile an einer Bank mit österreichischer Konzession erwerben wollen. Alta Pay Group hat das auf Nachfrage nicht kommentiert.
Zurück nach Wien und zum Übernahmepoker um Addiko. Das Angebot der NLB, 75 Prozent der Aktien zu erwerben, gilt bis 16. August. „Unser Angebot richtet sich an alle Aktionäre der Addiko, einschließlich Agri Europe und Alta Pay“, heißt es auf Nachfrage bei der NLB. So wie es derzeit aussieht, wird ihr die Übernahme aber nicht gelingen. Denn dafür müsste sie zusätzlich zu allen anderen Aktien auch zumindest fünf Prozent der Aktien oder Optionen, die Macura über seine Alta Pay hält, erwerben. Und der sagte kürzlich laut Presse ganz unmissverständlich: „Ich werde niemals verkaufen!“
Denn nur, weil er seinen Antrag auf Nichtuntersagung des Erwerbs von über zehn Prozent zurückgezogen hat, heißt das noch lange nicht, dass er sich als Aktionär auf eine Mini-Beteiligung zurückzieht. Möglich macht das der Deal rund um die im März erworbenen Optionen unter doch eher ungewöhnlichen Kaufkonditionen: Die weiteren knapp über 19 Prozent hält Alta Pay über Optionen, die sie von der heimischen Immobilienfirma Jelitzka und Partner, vom Immobilienentwickler Winegg und von zwei Stiftungen erworben hat.
Über diese Anteile würde Alta Pay erst vollumfänglich verfügen, wenn die FMA den Erwerb genehmigt. Den Antrag dafür hat Alta aber zurückgezogen. Wie profil erfuhr, wurde für diese Optionen den Aktionären als Optionsentgelt der aktuelle Aktienkaufpreis bereits bezahlt. Dass man im Voraus alles auf den Tisch legt, ohne die Genehmigung des Regulators zu haben, ist bei solchen Deals nicht unbedingt üblich, aber erlaubt. Außerdem läuft die Optionsvereinbarung bis Juni 2025. So lange verfügt Alta Pay quasi über die Anteile, und sie können nicht ohne deren Zustimmung verkauft werden. Auf Nachfrage bei der Addiko verweist man auf die Aktionäre: „Die genauen Vertragsbedingungen zwischen Herrn Macura und den jeweiligen Parteien sind uns jedoch nicht bekannt.“
profil hat auch Alta Pay eine Reihe von Fragen rund um deren Übernahme-Ambitionen geschickt. Die knappe Antwort: „Die APG (Alta Pay Group) prüft und bewertet ihre Optionen entsprechend ihrer Vertragssituation.“ Für die Wunschkandidatin NLB heißt das aber auch, dass sie ihr Ziel von 75 Prozent bis Mitte August wohl nicht zusammenbekommt.
Für den Aktienkurs ist so eine Patt-Stellung jedenfalls keine gute Aussicht.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".