Wirtschaft

Afrika hat enorme Ressourcen für Solarkraft - kann auch Österreich profitieren?

Die Energiekrise lässt Europa verstärkt nach Afrika blicken. Wie Österreich sich beim Wettlauf um die enormen Ressourcen positioniert und wie heimische Unternehmen mitmischen wollen.

Drucken

Schriftgröße

Während der Fußball-WM im vergangenen Dezember konnte Martin Meischl am Ball bleiben. Der Wirtschaftsdelegierte der Wirtschaftskammer in Johannesburg verfügt über ein unschlagbares Asset: eine verlässliche Stromversorgung. In Südafrika, das mit Energiemangel und maroder Infrastruktur kämpft, keine Selbstverständlichkeit. Wo sich Freunde und Bekannte trafen, um ein Spiel im TV zu verfolgen, hing in erster Linie davon ab, ob beim jeweiligen Gastgeber zum richtigen Zeitpunkt Strom verfügbar war. Das liegt am sogenannten "Load Shedding". Der staatliche Versorger Eskom schaltet den Strom täglich für mehrere Stunden gezielt ab, um den kompletten Zusammenbruch des Netzes zu verhindern. Bis zu zehn Stunden müssen manche Regionen ohne Strom auskommen. "Das ist natürlich höchst problematisch. Die Industrie steht still, die Wirtschaft wird ausgebremst. Da ist ein eingeschränktes Freizeitvergnügen wirklich das kleinste Übel", sagt Meischl. Dass er die Fußballspiele trotzdem sehen konnte, liegt an der Photovoltaik-Anlage auf seinem Dach-ein Produkt mit Komponenten des oberösterreichischen Hightech-Konzerns Fronius. "Die Nachfrage in Südafrika ist enorm. Fronius kommt kaum mit der Lieferung nach", weiß Meischl.

Anlagenwartung im Senegal

Der steirische Unternehmer Hannes Merl baut seit 15 Jahren Solaranlagen in Afrika und bildet Arbeiter vor Ort aus.

Österreichische Unternehmen entdecken zunehmend Afrikas Energiemärkte. Noch immer sind große Teile des Kontinents nicht elektrifiziert, doch der Hunger nach Strom wächst. "Aktuell generiert der gesamte Kontinent nur drei Prozent seines Stroms aus Wind oder Sonne, bis 2030 werden es etwa zehn Prozent sein", sagt Philipp Trotter im aktuellen Tauwetter-Podcast. Der Ökonom forscht an der Universität Oxford sowie an der Uni Wuppertal über das Erneuerbaren-Potenzial in Afrika.

Dort bieten sich nicht nur Exportchancen für europäische Unternehmen bei der Errichtung der Infrastruktur. Zunehmend wird Afrika auch als Lösung für Europas Energieproblem gesehen. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sucht ganz Europa fieberhaft nach neuen Quellen. Die Idee ist bestechend einfach: Jene Regionen der Welt, die vor allem eines im Überfluss haben-nämlich Sonneneinstrahlung-sollen es richten. Tatsächlich befinden sich 40 Prozent der globalen Ressourcen für Sonnenenergie in Afrika.

Die Pläne sind höchst ambitioniert. Aber wie kann sich das alles ausgehen? Wie sehr profitieren österreichische Unternehmen davon? Und droht ein neuer Energie-Kolonialismus?

Tunesien-Italien-Österreich: Geht es nach dem Klimaministerium, soll über umgebaute Gas-Pipelines künftig grüner Wasserstoff aus der Sahara nach Europa fließen. Windräder und vor allem Solar-Anlagen in der Wüste sollen den Strom für die Wasserstoffproduktion liefern. Seit dem Frühling 2022 haben sich im Auftrag des Ministeriums Diplomaten, Anlagenbauer, Vertreterinnen des heimischen Stromversorgers Verbund, des Mineralölkonzerns OMV sowie Non-Profit-Organisationen mehrmals zu Workshops getroffen. "Tunesien wird der erste afrikanische Staat sein, der Wasserstoff nach Europa liefert", sagte Imed Derouiche vergangene Woche bei einer Veranstaltung des Club of Rome in Wien. Thema: Wasserstoff-Partnerschaften zwischen Europa und Afrika. Derouiche ist Chef des tunesischen Wasserstoffproduzenten H2G Green Hydrogen und setzt voll auf die Allianz zwischen Österreich und seinem Heimatland. Im März wird eine österreichische Delegation in Tunesien weiter verhandeln.

Solarpark Benban

In das ägyptische Großprojekt, das sich unter 37 Quadratkilometern erstreckt, flossen auch Gelder aus Österreich.

Vorbild in der Entwicklung erneuerbarer Energie und für ihren Export nach Europa ist Marokko. Nahe der Stadt Ouarzazate im Süden des Landes befindet sich der Solarkomplex "Noor" (arabisch für Licht). Die Anlage zählt zu den weltweit größten ihrer Art. Seit rund sieben Jahren wird hier Strom produziert. Inzwischen so viel, dass damit 1,3 Millionen Menschen versorgt werden können. Mehrere Hunderttausend Hohlspiegel stehen in langen Reihen. In ihrer Mitte bündeln sie das Licht und erzeugen Wärme, die im Kraftwerk mittels Wasserdampf in Strom umgewandelt wird. Ein mit speziellen Salzen gefüllter Turm, der mit einer Höhe von 242 Metern eines der höchsten Bauwerke Afrikas ist, macht die Speicherung von Energie möglich. So kann auch Strom erzeugt werden, wenn die Sonne längst untergegangen ist.

Die Energie-und Klimapolitik Marokkos ist ambitioniert: Bis 2030 will das Land mehr als die Hälfte seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Aktuell liegt ihr Anteil bei 36 Prozent. Laut der NGO Climate Action Tracker ist die Politik Marokkos fast mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar-die beste vergebene Kategorie und eine Auszeichnung, die sonst nur eine Handvoll anderer Länder trägt.

Das Engagement macht sich auch ökonomisch bezahlt. Während Marokko im Jahr 2018 noch Strom im Wert von umgerechnet knapp 200 Millionen Euro aus Spanien importiert hat, wurde das nordafrikanische Königreich bereits 2019 zum Nettostromexporteur. Rund 850 Gigawattstunden im Jahr liefert Marokko aktuell nach Europa. Zwei Unterwasser-Verbindungsleitungen nach Spanien machen es möglich.

Unsere Projekte müssen Entwicklungseffekte erzielen - Arbeitsplätze oder Zugang zu sauberer Energie schaffen.

Sabine Gaber

Oesterreichische Entwicklungsbank

Doch auch der Bedarf auf dem Kontinent selbst steigt. Rund 600 Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner, das sind über 40 Prozent der Bevölkerung, haben keinen Zugang zu Strom. "Energieversorgung ist ein Grundbedürfnis, das gestillt werden will. Für uns ist Afrika ein Zukunftsmarkt mit großem Potenzial", sagt Hannes Wendeler, Vertriebsverantwortlicher der Region Subsahara-Afrika von Fronius. Seit über zehn Jahren ist das oberösterreichische Technologieunternehmen auf dem Kontinent aktiv und betreibt Standorte in Südafrika, Nigeria und Kenia. Die Photovoltaik spielt dabei eine zentrale Rolle. "Unsere Lösungen für Eigenverbrauchsanlagen, die unabhängig von der zentralen Energieversorgung funktionieren, stoßen auf großes Interesse", sagt Wendeler. Das Geschäft wachse stetig.

2021 exportierten heimische Unternehmen Waren im Wert von knapp 1,9 Milliarden Euro nach Afrika. Das macht gerade einmal rund ein Prozent der österreichischen Gesamtexporte aus. Hier ist also noch Luft nach oben. Nicht zuletzt deswegen wird Afrika von der Wirtschaftskammer als Zukunftsmarkt für die österreichische Exportwirtschaft forciert. Tatsächlich wuchsen in den ersten drei Quartalen 2022 die Ausfuhren um fast sechs Prozent. Tendenz also eindeutig steigend.

"Wir bekommen eine Unzahl an Anfragen", sagt auch Hannes Merl. Der Steirer baut seit knapp 15 Jahren Solaranlagen in Kamerun, Tansania, Ghana, Ägypten und im Senegal. Das bisher größte Projekt: eine 20-Megawatt-Photovoltaik-Anlage im Auftrag der senegalesischen Regierung, die 66.000 Menschen mit Sonnenstrom versorgt. "Wir liefern in Österreich produzierte Solarmodule, stellen sie auf und bilden vor Ort ein Team aus, das sich künftig um die Wartung kümmert", sagt Merl. Zuletzt hat er 41 Dörfer in Kamerun mit je einer kleinen PV-Anlage elektrifiziert.

Noch macht sein Unternehmen in Bruck an der Mur das meiste Geschäft in Österreich, doch das könnte sich in Richtung Afrika verschieben. Das größte Problem ist die Finanzierung: Weil sich viele Staaten in Subsahara-Afrika die Kredite für größere Projekte nicht leisten können, muss Merl dafür bei der Österreichischen Kontrollbank um Unterstützung ansuchen oder Investoren in Afrika finden. "Ich bin zwar gut vernetzt, aber das braucht Zeit", sagt Hannes Merl.

Es hänge immer an der Finanzierung, bestätigt auch Klaus Kucher, internationaler Großkundenbetreuer beim Kärntner Unternehmen GREENoneTEC, Weltmarktführer in Sachen solarthermische Anlagen. "Ohne Förderungen läuft kaum etwas, aber das ist in Europa auch nicht viel anders."2019 etwa stattete GREENoneTEC in Johannesburg die zwei größten thermischen Solaranlagen südlich der Sahara mit Kollektoren aus. Eine versorgt die WITS Universität mit Warmwasser, die andere liefert der weltgrößten Gerberei für Straußenleder solare Prozesswärme. Ohne Anschubfinanzierung und Förderung durch die Austrian Development Agency (ADA),der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, wären diese Projekte wohl nicht zustande gekommen.

Afrika befindet sich aktuell an einem Scheideweg. Das Potenzial für erneuerbare Energiegewinnung ist enorm. Andererseits verfügen einige afrikanische Länder über riesige Öl-und Gasvorkommen. Nigeria, Algerien, Mosambik oder Ägypten sitzen jeweils auf größeren Reserven als etwa Norwegen. Werden die rohstoffreichen Staaten ihren Energiehunger mit fossilen Energien stillen oder ihren Fokus doch auf erneuerbare Energien richten?

Ägypten zum Beispiel versucht auf allen Hochzeiten zu tanzen: Im Süden des Landes etwa entstand auf einer Fläche von 37 Quadratkilometern der gigantische Solarpark Benban. Bei dem Megaprojekt beteiligte sich die Österreichische Entwicklungsbank (OeEB) mit einer Finanzierung von 20 Millionen US-Dollar.

Während der Klimakonferenz in Sharm El Sheik vereinbarten Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate die Entwicklung des weltgrößten Onshore-Windparks mit einer Leistung von zehn Gigawatt. Außerdem gibt es Pläne für mehrere grüne Wasserstoffanlagen, für die unter anderem gerade auch ein Abkommen zwischen Österreich und Ägypten erarbeitet wird. Ein erstes Konsortium mit heimischen Unternehmen positioniert sich gerade, um bei diesen künftigen Projekten beteiligt zu sein, sagt Georg Krenn, der Wirtschaftsdelegierte in Kairo.

Auch die Kernenergie ist ein Thema. An der Mittelmeerküste plant Ägypten in Kooperation mit Russland ein Atomkraftwerk.

Philipp Trotter, Uni Oxford

"Wir sehen ambitionierte Pläne, Ressourcen aus Afrika auf den Weltmarkt zu werfen."

Außerdem will das Land mittelfristig auch die Ölund Gasproduktion steigern. So baute etwa der deutsche Technologiekonzern Siemens in den vergangenen Jahren drei Gaskraftwerke, in denen auch 24 Transformatoren aus dem Werk im steirischen Weiz zum Einsatz kommen. Damit wird bereits mehr Strom produziert, als im Land benötigt wird. Künftig soll der Stromexport zur Haupteinnahmequelle des Landes am Nil werden.

"Ägypten ist im Energiebereich sehr aktiv und hat viele Pläne. Die tatsächliche Umsetzung ist dann aber oft noch ein anderes Thema", sagt der Kairoer Wirtschaftsdelegierte Krenn.

Jene Länder, die jetzt massiv auf Gas setzen, werden in zehn Jahren vor einem riesigen Problem stehen, prophezeit indes Ökonom Trotter. Spätestens dann werde die rasch hochgezogene Infrastruktur quasi wertlos sein, weil niemand mehr die fossile Energie nutzen wolle. "Wer soll dieses Risiko tragen? Die afrikanischen Länder? Die ausländischen Investoren? Dafür gibt es keine Pläne", moniert Trotter.

Kritiker warnen zudem vor einer Art Neo-Kolonialismus-also der Ausbeutung von Ressourcen ohne Rücksicht auf die Bevölkerung vor Ort. Forscher Trotter hat mit einem internationalen Team die bisherigen Gasaktivitäten in Subsahara-Afrika unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist alarmierend: "Länder mit reichen Gasvorkommen haben in der Regel eine schlechtere Energieversorgung und ein geringeres Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als Länder mit unbedeutenden Gasreserven. Es gibt also keine Evidenz dafür, dass die Vorteile auch bei der Bevölkerung ankommen", sagt Trotter. In vielen Ländern bleibe der Reichtum bei den Eliten hängen.

Nicht nur die eigenen Interessen, sondern auch die des afrikanischen Partnerlandes im Blick zu behalten, ist Aufgabe der Oesterreichischen Entwicklungsbank (OeEB). Sie unterstützt im Auftrag des Finanzministeriums seit 15 Jahren internationale Projekte, 20 Prozent davon in Afrika. "Die Projekte müssen Entwicklungseffekte erzielen-etwa Arbeitsplätze oder Zugang zu sauberer Energie schaffen-und hohe Umwelt-und Sozialstandards einhalten", sagt OeEB-Vorständin Sabine Gaber. Mit regelmäßigem Monitoring würde der Fortschritt sehr genau beobachtet.

Dennoch: Megaprojekte wie "Noor" in Marokko haben ihre Tücken. In der Bevölkerung stößt der gigantische Solarpark nicht auf ungeteilte Begeisterung. Vor allem die Bewohner des südlich davon gelegenen Draa-Tals mit seinen Dattelpalmen-Oasen klagen, dass Unmengen von Wasser zur Kühlung der Anlagen und Reinigung der Parabolspiegel verbraucht würden. Das fehle ihnen bei der Bewässerung ihrer Felder.

Wie es trotzdem funktionieren könnte, zeigt das Beispiel Südafrika. Das Land hat freilich noch einen langen Weg vor sich, ist immer noch stark von Kohle abhängig und schlägt sich mit massiven Stromabschaltungen herum. Doch seit 2011 wird kräftig in Solar-und Windkraftwerke investiert. Das Ergebnis: Der Anteil der Erneuerbaren stieg von quasi null auf aktuell knapp zehn Prozent. Laut der Internationalen Agentur für Alternative Energien (IRENA) könnten es bis 2030 etwa 23 Prozent sein. "Die Regierung achtete von Anfang an darauf, dass ein Großteil der Projekte in den Händen lokaler Unternehmen landet", sagt Wissenschafter Philipp Trotter. Das sei gelungen. 65 Prozent der Investitionen würden in die heimische Wirtschaft fließen, 30.000 Arbeitsplätze seien entstanden.

Aber auch für ausländische Firmen ist noch Platz. Die nächste Wirtschaftsmission ist bereits in Planung: Im März reisen österreichische Unternehmer zur wichtigsten Messe für grüne Technologien in Kapstadt. "Wir bringen sie mit afrikanischen Entscheidungsträgern zusammen", sagt der Wirtschaftsdelegierte für Südafrika, Martin Meischl. "Die Geschäftschancen stehen sehr gut."

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.