Airbnb: Wie Österreichs Städte versuchen, dem Vermietungsportal Grenzen zu setzen

Von Touristen geliebt, von Städtern gehasst: Das Vermietungsportal Airbnb versetzt die Hotellerie in Panik und sorgt für Wohnraumverknappung. Salzburg, Wien und Innsbruck versuchen nun, neue Spielregeln durchzusetzen.

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Wie es sich für ein Unternehmen aus dem Silicon Valley gehört, zelebriert das touristische Vermietungsportal Airbnb seine Gründungsgeschichte. Und diese fällt kitschig aus: Mit einer Luftmatratze und einem selbstgemachten Frühstück soll im Jahr 2008 die Idee für Airbnb (kurz für: Airbed and Breakfast) entstanden sein. Zwei der Gründer boten während einer großen Designmesse in San Francisco ihre Wohnung als Übernachtungsmöglichkeit für Messegäste an – Hotelzimmer waren in diesen Zeiten knapp. Schnell stellte sich heraus, dass alternative Unterkünfte sehr gefragt waren und die Urlauber gutes Geld dafür zahlten. Aus der Luftmatratze in San Francisco wurde bald ein globales Milliardengeschäft: Über Airbnb kann nun jeder Zimmer und Wohnungen, aber auch Baumhäuser, Iglus oder Beduinenzelte privat an Touristen vermieten. Und das Portal schneidet bei jeder Buchung mit.

Neue Touristenburgen

Vom Grundkonzept der Sharing Economy hat sich Airbnb allerdings ein Stück weit entfernt. Denn mittlerweile werden nicht mehr nur Wohnzimmercouches oder freie Zimmer mit internationalen Gästen geteilt – längst haben findige Immobilienbesitzer und Investoren den Megatrend zur authentischen Herberge erkannt und vermieten Apartments ausschließlich für touristische Zwecke. Ganze Häuserblöcke wurden zwischen San Francisco, Barcelona und Wien zu Touristenburgen umfunktioniert. In Zeiten von Wohnungsknappheit und Massentourismus kommt das bei den Einheimischen weniger gut an. Nach New York und Paris verschärfen nun auch Wien, Salzburg und Innsbruck die Gangart gegenüber Airbnb.

Der Popularität der Plattform tut das – noch – keinen Abbruch: Wer schon einmal eine Unterkunft über Airbnb gebucht hat, weiß um den Charme des Konzepts. Abseits von Hotelkomplexen mit ihrer sterilen Atmosphäre fühlen sich Reisende inmitten der lokalen Wohnbevölkerung so, als gehörten sie selbst zur Stadt. Wer sich ein angesagtes Viertel von einem Wohnblock aus erarbeitet, umschifft die größten Touristenströme ohne Mühen, stößt auf Parks, Bars und Geschäfte, die in keinem Reiseführer stehen.

Zehn Prozent des Wiener Nächtigungsumsatzes

Kein Wunder also, dass das Geschäftsmodell boomt: Bereits 8650 Übernachtungsmöglichkeiten werden in Wien über Airbnb angeboten, die meisten davon im innerstädtischen Bereich. Die Vermieter setzen damit knapp 80 Millionen Euro pro Jahr um, wie die Technische Universität (TU) Wien 2017 in einer Studie erhob – das Volumen entspricht etwa zehn Prozent des Wiener Nächtigungsumsatzes. Bei durchschnittlicher Auslastung können Airbnb-Gastgeber im Vergleich zu marktüblichen Mieten beinahe den doppelten Umsatz lukrieren. Die Studienautoren der TU schätzen, dass dem Wiener Wohnungsmarkt durch Airbnb zumindest 2000 Wohnungen dauerhaft entzogen werden. Stadtplaner warnen: Mit den hohen Renditen treibt Airbnb die Mietpreise weiter nach oben.

Doch das ist noch nicht alles. Eine pensionierte Wienerin, die bereits ihr ganzes Leben in einer Mietwohnung im 7. Bezirk unweit des Wiener Westbahnhofes wohnt, staunte vor vier Jahren nicht schlecht, als sie in ihrem Stiegenhaus im Wochentakt Fremden mit Rollkoffern begegnete. „Was sich da abspielt, ist unglaublich“, zürnt sie. Nur eine der 18 Wohnungen wird über Airbnb an Touristen vermietet – und doch gibt es regelmäßig Ärger: „Das sind oft Gruppen von bis zu sieben Leuten, und die machen bis spät in die Nacht einen Mordswirbel. In so einem alten Haus überträgt sich der Lärm leider sehr gut“, klagt die Frau. Laut einem richtungsweisenden Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) sind Airbnb-Vermieter verpflichtet, eine Genehmigung der übrigen Wohnungseigentümer im Haus einzuholen. Das ist in diesem Fall nicht passiert – doch wer klagt schon seinen Nachbarn um teures Geld? Und so muss sich die Wienerin regelmäßig darüber ärgern, dass der alte Lift in ihrem Wohnhaus kaputtgeht. Keine Frage, wen sie dafür verantwortlich macht.

Neuer Markt von Vorsorgewohnungen

Airbnb – für Kenner der Immobilienbranche steht der Markenname für vergoldeten Beton. In Verkaufsinseraten für Objekte in Wien werben Dutzende Makler damit, dass die Wohnung „ideal für Airbnb geeignet“ sei. Auf Nachfrage erklärt eine Maklerin: „Es liegt keine Genehmigung der übrigen Eigentümer des Hauses vor. So eine Genehmigung finden Sie in keinem größeren Altbauhaus. Trotzdem werden viele Wohnungen zur Kurzzeitmiete angeboten, weil sie durch ihre abgelegene Lage im Haus für Airbnb gut geeignet sind.“ Das lässt sich durchaus als Einladung zum Gesetzesbruch interpretieren.

Andere Immobilienentwickler sichern sich bereits im Vorfeld ab – etwa bei einem Mammutprojekt am Wiener Donaukanal mit 1150 Wohnungen. In Pressetexten beteuern die Projektleiter zwar, der Bau biete „dringend nachgefragten Wohnraum im innerstädtischen Bereich“. In den Kaufinseraten der neuen Wohnungen findet sich allerdings der Hinweis: „Die Verträge sehen eine mögliche gewerbliche Vermietung (Airbnb) der Vorsorgewohnung bereits vor.“

„Da könnte ein neuer Markt von Vorsorgewohnungen entstehen, die man gezielt aufkauft und über die touristischen Plattformen anbietet“, befürchtet Klemens Himpele, Leiter der städtischen Statistikabteilung und Mastermind hinter der Wiener Strategie zu den Vermietungsportalen. Während Städte wie Paris und Barcelona offen gegen Airbnb wettern, sieht man die Entwicklung in Wien gelassen, wie Himpele sagt: „Solange es bei 2000 Wohnungen bleibt, die dem Wohnungsmarkt entzogen werden, sind wir relativ entspannt – aber wachsam. Warum das in Wien nicht so um sich greift, ist dem hohen Anteil an sozialem Wohnbau geschuldet, wo es schlicht nicht zulässig ist.“

Keine Daten der Vermieter

Weniger gelassen ist Wien, was die Kooperationsbereitschaft der Buchungsplattform betrifft: Mit einer landesgesetzlichen Regelung wurden Airbnb und seine Nachahmer verpflichtet, die Daten der Vermieter an die Stadt zu übermitteln, damit der Fiskus prüfen kann, ob auch wirklich alle ihre Ortstaxe abführen. Allein: Airbnb ließ alle Fristen dafür verstreichen. Die Plattform würde am liebsten einen Deal mit der Stadt abschließen und die Ortstaxe mit einer „automatisierten, digitalen Lösung“ anstelle der Vermieter abführen – allerdings ohne der Stadt eine nachvollziehbare Aufschlüsselung mitzuliefern, wie profil-Recherchen ergaben. Die niederländische Hauptstadt Amsterdam ist auf diesen Deal eingestiegen, Wien würde lieber ganz genau abrechnen.

Wegen der beharrlichen Weigerung, die Daten der Vermieter zu liefern, droht Airbnb demnächst wohl ein Verwaltungsstrafverfahren. Und das könnte im Falle einer Verurteilung für die Plattform durchaus teuer werden: Bis zu 2100 Euro beträgt der Strafrahmen pro Inserat. Bei etwa 8650 Wohnungen auf Airbnb könnte die Plattform im Extremfall mit bis zu 18 Millionen Euro bestraft werden. Immerhin: Das Geschäftsmodell kommt der Plattform in Wien nicht abhanden.

„Hauptwohnsitze für Einheimische"

In Salzburg stehen Airbnb jedoch harte Zeiten bevor: „Zweckentfremdung“ nennt Wolfgang Mayer, Landesgeschäftsführer der ÖVP Salzburg und deren Wohnbausprecher im Landtag, das Geschäftsmodell des Portals. Gegen die Vermietung einzelner Matratzen und Zimmer habe er nichts. „Wir sind aber gegen die dauerhafte touristische Vermietung von ganzen Wohnungen. Denn im Hauptwohnsitzgebiet wollen wir Hauptwohnsitze für Einheimische.“ Seit gut einem Jahr dürfen im Land Salzburg nur noch in Nebenwohnsitzgebieten, die über den Raumordnungsplan definiert sind, Wohnungen über Airbnb angeboten werden. Im gesamten Stadtgebiet Salzburgs gibt es keine solche Zone. Komplette Wohnungen über Airbnb anzubieten, ist demnach de facto illegal – mit wenigen Ausnahmen. Legal ist die Untervermietung nur, wenn der Vermieter selbst in der Wohnung wohnt.

Dennoch gibt es laut einer aktuellen Studie der Universität Salzburg gut 700 Unterkunftsmöglichkeiten für die Stadt an der Salzach. „Wir gehen davon aus, dass die meisten davon nach der derzeitigen Rechtslage nicht konform sind“, sagt Mayer. Experten zufolge könnte man in der Festspielzeit über Airbnb den sechsfachen Umsatz gegenüber herkömmlichen Mieteinnahmen erzielen.

Baldige Registrierungspflicht in Tirol

Der Salzburger Landtag soll demnächst eine Registrierungspflicht für Vermieter beschließen. Wer sein Inserat auf Airbnb dann nicht mit der offiziellen Registrierungsnummer kennzeichnet, soll überprüft und bei ­widerrechtlicher Vermietung baurechtlich angezeigt werden. „Das wird einen erheblichen Exekutionsaufwand nach sich ziehen. Da wird es vor allem in der Stadt Salzburg Personal dafür brauchen“, sagt Mayer. Städtische Airbnb-Kontrolleure sollen dann reihenweise Vermieter aus dem Verkehr ziehen. Derzeit reagieren Stadtbeamte nur auf Hinweise aus der Bevölkerung – und klingeln so lange, bis sie einen Touristen an der Gegensprechanlage hören.

Über Tourismuswächter wird in Tirol zwar noch nicht nachgedacht, eine Registrierungspflicht wird das Land trotzdem bald lancieren. Und der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne) will „die Zeit der erlaubten Vermietung pro Jahr beschränken und zusätzlich Airbnb-Vermietung nur in definierten Zonen zulassen“, wie er jüngst in der „Tiroler Tageszeitung“ ankündigte. Willi gewann im Vorjahr die Bürgermeisterwahlen auch mit dem Versprechen, leistbaren Wohnraum sicherzustellen.

In Tirol und Salzburg könnte also bald nicht viel mehr als die Vermietung einer Luftmatratze erlaubt sein – ganz so, wie vor elf Jahren in San Francisco alles begann.

Infobox

Airbnb boomt Über das Portal werden global Privatwohnungen als Unterkünfte für Touristen angeboten. Rechtlich ist nicht alles gedeckt.

80 Millionen Euro setzen Airbnb-Vermieter allein in Wien pro Jahr um.

2 bis 6 Mal so viel Umsatz machen Airbnb-Vermieter im Vergleich zum herkömmlichen Mietmarkt.

3400 touristische Privatvermieter zahlen in Wien Ortstaxe. Auf Airbnb gibt es allerdings 5300 Vermieter, die insgesamt 8650 Unterkünfte anbieten. Etwa 1900 Anbieter dürften also keine Ortstaxe zahlen. Airbnb wollte die Daten der Vermieter bisher nicht an die Stadt übermitteln.

700 Unterkünfte werden in der Stadt Salzburg via Airbnb angeboten. Beim Land geht man davon aus, dass die meisten davon „nicht gesetzeskonform“ sind.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.