Die "Akte Meinl": Vom Ende einer Bank
Am Ende lagen die Nerven blank. Donnerstagmittag vergangener Woche erreichte die profil-Redaktion ein E-Mail der Anglo Austrian AAB Bank, vormals Meinl Bank: Die Antwort auf eine umfangreiche Anfrage, die profil zwei Tage zuvor im Namen eines internationalen Journalisten-Kollektivs adressiert hatte. Die Anfrage erfolgte auch im Namen von ORF „ZIB 2“ und dem Rechercheverbund Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und behandelte eine Reihe von aufklärungswürdigen Geschäftsfällen.
Die Privatbank beantwortete die Fragen mit Hinweis auf das Bankgeheimnis größtenteils gar nicht – umgekehrt wurden Vorwürfe widerlegt, die niemand vorgebracht hatte. Im Kern aber bezichtigte man die recherchierenden Journalisten allen Ernstes, Teil einer Konspiration zu sein, deren einziges Ziel es sei, die Bank, ihre Mitarbeiter und Organe zu „diskreditieren“ und zu „ruinieren“ – und das in Tateinheit mit der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA): „Es ist bedauerlich, dass sich der objektiven Aufdeckung verschriebene Medien so willig zum subjektiven Werkzeug der FMA instrumentalisieren lassen.“
So macht das die Meinl-Seite seit Jahren – kritische Fragen werden nicht beantwortet, den Fragestellern dafür rundheraus zweifelhafte Motive unterstellt.
Banklizenz entzogen
Nun ist auch die Europäische Zentralbank ein Teil dieser behaupteten Verschwörung. Am Freitag vergangener Woche entzog die Bankenaufsicht der EZB der Anglo Austrian Bank mit sofortiger Wirkung die österreichische Banklizenz. Die Liste der Beanstandungen soll nach profil-Recherchen umfangreich sein – einer der zentralen Vorwürfe ist der allzu lockere Umgang mit den Bestimmungen zur Hintanhaltung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.
Der Bescheid aus Frankfurt ist das Ergebnis eines Verfahrens, das die EZB-Bankenaufsicht im Frühjahr eingeleitet hatte – und er ist in doppelter Hinsicht außergewöhnlich. Nie in der Geschichte der Zweiten Republik wurde einer Bank aus diesen Gründen die Konzession bei laufendem Geschäftsbetrieb entzogen.
Und auch die EZB macht das nicht jeden Tag. Seit 2014 überwacht die Europäische Zentralbank im Rahmen des sogenannten Einheitlichen Aufsichtsmechanismus („Single Supervisory Mechanism“, SSM) alle Banken der Eurozone. Die 116 größten Geldhäuser unterliegen der direkten und laufenden Aufsicht durch den SSM; geht es aber, wie hier, um den Entzug einer Konzession, wird die europäische Bankenaufsicht ebenfalls tätig, und das ungeachtet der Größe des Kreditinstituts (die nunmehrige Anglo Austrian Bank ist mit einer Bilanzsumme von 273 Millionen Euro Ende 2018 und zuletzt 49 Mitarbeitern auch für österreichische Verhältnisse recht klein). Seit Gründung des SSM hat die EZB nur wenige Male hart durchgegriffen, 2018 zum Beispiel wurden die estnische Versobank und die maltesische Pilatus Bank wegen Geldwäschevorwürfen aus dem Verkehr gezogen.
Da ohne Konzession kein Bankgeschäft mehr zu machen ist, muss die Bank den Betrieb einstellen, sie darf keine neuen Geschäfte mehr abschließen. Der Lizenzentzug wirkt sofort. Die Bank kann dagegen aber Rechtsmittel ergreifen, so beispielsweise den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen. „Rechtliche Schritte werden derzeit evaluiert“, so Bankdirektorin Samira Softic in einer ersten Reaktion gegenüber profil. Die Bank „bedauere die Entscheidung“, da man aber vor mehr als einem Monat ohnehin den Beschluss gefasst habe, sich aus dem Bankgeschäft zurückzuziehen, ändere sich „nichts“.
* Update 21. November: Der Entzug der Bankenkonzession wurde zwischenzeitlich und bis auf Weiteres von Amts wegen aufgehoben. Am 19. November hatten die AAB Bank und deren niederländische Hauptaktionärin „Far East“ eine Klage an das Gericht der Europäischen Union gerichtet, um a) den EZB-Bescheid für nichtig erklären und b) den Lizenzentzug bis zu einer Entscheidung suspendieren zu lassen. Am 20. November setzte der Gerichtshof mit Sitz in Luxemburg den „Vollzug des Beschlusses der Europäischen Zentralbank“ auch tatsächlich aus. Das bedeutet, dass die AAB-Banklizenz wieder auflebt – bis das Gericht über die Rechtmäßigkeit des Konzessionsentzugs entschieden hat. Die Abwicklung der Bank ist damit vorerst gestoppt.
Zentrum einer globalen Finanzstruktur
Die frühere Meinl Bank stand über Jahre im Zentrum einer globalen Finanzstruktur, durch welche osteuropäische Geschäftsleute mehrere Hundert Millionen Euro zu Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen schleusten. Vorwiegend ukrainische Bankiers bedienten sich der Meinl Bank, um Vermögen aus ihren kollabierenden Banken in der Ukraine, in Litauen und in Lettland abzuziehen und es offshore vor Gläubigern und Geschäftspartnern in Sicherheit zu bringen. Die Rechnung bezahlten schließlich einfache Sparer in drei Ländern – und deren nationale Einlagesicherungen.
Das sind die zentralen Erkenntnisse einer aufwendigen investigativen Recherche, die profil über mehrere Monate gemeinsam mit dem ORF und OCCRP führte. Grundlage der internationalen Zusammenarbeit war eine umfassende Dokumentation von Meinl-Geschäftsfällen, die den Journalisten im Frühjahr dieses Jahres zugänglich gemacht worden war.
Das vorliegende Material zeigt, dass zwischen 2009 und 2015 zumindest 500 Millionen Euro osteuropäischer Provenienz über Meinl-Konten zu Empfängern in Offshore-Destinationen verschoben wurden – teils unter Umgehung nationaler Bestimmungen und Gesetze (die Anglo Austrian Bank legt Wert auf die Feststellung, dass sie von allfälligen nationalen Restriktionen keinerlei Kenntnis hatte – und stellt darüber hinaus jedes Fehlverhalten in Abrede).
In dieser Zeit unterhielt die Meinl Bank Geschäftsbeziehungen zu jedenfalls 16 osteuropäischen Banken, hinter welchen vermögende Privatpersonen standen – 14 ukrainische, eine litauische und eine lettische Bank. Davon ist heute keine mehr im Geschäft. Die Bankhäuser wurden auf Anordnung der nationalen Finanzaufsichtsbehörden geschlossen und in Konkurs geschickt – wegen vermuteter Geldwäsche und/oder fragwürdiger Bilanzierungspraktiken.
Das Mittel der Wahl waren sogenannte Back-to-Back-Treuhandkredite, eine sehr spezielle Form des Kredits: Eine Bank erhält von einem Kunden (einer Privatperson oder einem Unternehmen) eine Einlage. Diese Einlage dient als Sicherheit für einen Kredit in gleicher Höhe, den die Bank an einen Dritten vergibt. Zwischen dem Sicherheitengeber und dem Kreditnehmer besteht nicht notwendigerweise ein erkennbarer Zusammenhang. Kommt der Kreditnehmer seinen Verpflichtungen nicht nach, greift die Bank auf die besicherte Einlage zu.
Bank nimmt Stellung: "FMA war informiert"
„Dieser Geschäftstypus wurde von zahlreichen österreichischen Banken betrieben, teils mit deutlich höheren Beträgen; die FMA war über Jahre hinweg im Detail informiert. Die AAB Bank AG hat derartige Geschäfte bereits vor Jahren eingestellt“, schreibt die Bank in ihrer Stellungnahme vom 14. November. „Soweit sich die FMA in ihrer Argumentation auf Vorwürfe der unzureichenden Systeme der Bank in Zusammenhang mit Geldwäsche oder interner Revision bezieht, liegen die relevierten Ereignisse mehrere Jahre zurück und haben wenig mit dem Geschäftsmodell zu tun, das die Bank heute betreibt.“
Dem Rechercheverbund ist es gelungen, eine Reihe fragwürdiger Fälle nachzuzeichnen. So unterhielt die Meinl Bank unter anderem Geschäftsbeziehungen zu drei mittlerweile insolventen Banken, die alle im Einflussbereich eines russischen Geschäftsmannes standen. Diese Banken hatten Guthaben bei der Meinl Bank, die als Sicherheiten für Kredite an eine Briefkastenfirma im zentralamerikanischen Belize dienten, hinter der wiederum der russische Geschäftsmann stand. Als die drei Banken zahlungsunfähig und unter staatliche Aufsicht gestellt wurden, zog die Meinl Bank die Guthaben ein. Allein hier sollen rund 113 Millionen Euro offshore verschwunden sein.
Die beteiligten Journalisten hatten Gelegenheit, die frühere ukrainische Notenbank-Gouverneurin Valeria Gontareva Ende Juli zu interviewen: „Die Meinl Bank wusste, dass ihre Kunden Fake-Firmen waren, die Geld ins Ausland pumpen“, sagte Gontareva. Ihrer Darstellung nach hatte die Meinl Bank „Geldwäsche in der Ukraine unterstützt“, wovon sie Ende 2014 auch den damaligen OeNB- Gouverneur Ewald Nowotny unterrichtete. Nowotny bestätigte das.
Darauf angesprochen, bezeichnete die Anglo Austrian Bank Frau Gontareva als „unglaubwürdig“: „Es ist befremdlich und wohl ein – bereits von der FMA erfolglos eingesetztes – untaugliches Mittel, eine derartig übel beleumundete Person als Beweis für ein angebliches Fehlverhalten der AAB Bank AG heranziehen zu wollen.“
Die gesammelten, teils unglaublichen Details zu dieser Recherche werden ab Montag dieser Woche von profil und OCCRP online veröffentlicht: Lesen Sie die umfangreiche „Akte Meinl“ auf profil.at.