Eine AMS-Stelle in einem Wiener Außenbezirk im Hochsommer: E-Card in den Apparat stecken, den Zettel mit der Nummer rausziehen, ab in den richtigen Stock und warten. Alle, die hier im fensterlosen Raum sitzen, sind froh, wenn sie bald wieder draußen sind – zurück insArbeitsleben, Deutschkurs, Schulung, Jobsuche, was steht an? Es ist kein glamouröser Ort, aber ein enorm wichtiger in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit.
Doch gerade hier soll gespart werden. Frauenpolitische Stellen meldeten sich vor einem Monat zu Wort, einzelne Landesstellen des Arbeitsmarktservice (AMS) folgten. Sie alle haben Sorge vor einer Sache: weniger Budget im kommenden Jahr. Manche spüren die Einsparungen jetzt schon. Sie betreffen nicht die monatlichen Direktzahlungen an Arbeitslose, sondern die aktive Arbeitsmarktpolitik. Das sind Projekte, in denen arbeitslose Menschen beraten, umgeschult und weitergebildet werden. Das AMS-Budget wird normalerweise im Herbst endgültig beschlossen, derzeit liegt ein Budgetrahmen vor. Doch dieses Jahr wird im Herbst gewählt. Wer weiß, wann die nächste Regierung steht. Derzeit geht daher das Arbeitsmarktservice von einem Minus von 6,2 Prozent aus: 1,33 Milliarden Euro für 2025 nach 1,4 Milliarden im heurigen Jahr für die aktive Arbeitsmarktpolitik. Das heißt: minus rund 90 Millionen Euro.
Zehn Prozent mehr Arbeitslose
Die vergangenen vier Jahre waren eine Achterbahnfahrt für den Arbeitsmarkt. Lockdown 2020, Tausende Menschen von einem Tag auf den anderen in Kurzarbeit. Auf die Lockdown-Zeit folgte ein massiver Fachkräftemangel, weniger Menschen aus Osteuropa kamen nach Österreich zum Arbeiten, immer mehr Babyboomer verabschiedeten sich in die Pension. Das Blatt hat sich aber gedreht. Die Konjunktur schwächelt, und in diesem Sommer sind nun um zehn Prozent mehr Menschen arbeitslos als noch vor einem Jahr. Und das große Sorgenkind ist ausnahmsweise das Industriebundesland Oberösterreich. Dort stieg die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr im Juni um über 20 Prozent (Männer 25 Prozent, Frauen 17 Prozent), gleichzeitig sank die Zahl der offenen Stellen um 27 Prozent. Insgesamt sind österreichweit Männer (bis auf Vorarlberg) von der Arbeitslosigkeit stärker betroffen als Frauen. In der Industrie stiegen die Zahlen besonders stark an. Erst diese Woche kündigte die Firma Steyr Automotive an, dass sie sich von weiteren Mitarbeitern trennen werde. 200 Beschäftigte wurden beim Frühwarnsystem des AMS angemeldet. Und die kürzlich veröffentlichten Wirtschaftsprognosen lassen so bald keine Trendumkehr erwarten.
Im Juli 2024 sind um rund zehn Prozent mehr Menschen arbeitslos als zum Vorjahr.
Arbeitslosenzahlen im Juli im Vergleich
Im Juli 2024 sind um rund zehn Prozent mehr Menschen arbeitslos als zum Vorjahr.
Nachgerechnet
In genau solchen Momenten kann eine aktive Arbeitsmarktpolitik die Situation entschärfen. Sie kann verhindern, dass Menschen lange arbeitslos bleiben und den Anschluss an den Arbeitsmarkt verlieren. Das Budget dieser Sparte des AMS schwankte in den vergangenen Jahren stark – wegen der pandemiebedingten Kurzarbeit und je nach politischen Schwerpunkten. Es lag 2020 bei rund 6,6 Milliarden Euro, sank 2022 auf 2,2 Milliarden, schrumpfte 2024 weiter auf 1,4 Milliarden und soll 2025 auf 1,3 Milliarden Euro zurückgehen.AMS-Vorständin Petra Draxl spricht dennoch von einem soliden Vorschlag für 2025. „Stärkere Kürzungen um 14 Prozent, die im Raum standen, konnten verhindert werden.
Auch aus dem Wirtschaftsministerium heißt es, man wollte Planungssicherheit vor den Wahlen schaffen. „Um die AMS-Projekte für das erste Halbjahr 2025 abzusichern, wurde zusätzlich die Auflösung von Rücklagen in Aussicht gestellt. Dadurch haben das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und das AMS die gesetzlichen Möglichkeiten für ein hohes AMS-Förderbudget so weit wie möglich ausgeschöpft.“ Das Auflösen der Rücklagen ist aber auch nicht unumstritten. Das wurde in den vergangenen Jahren mehrfach gemacht, um das Budget aufzubessern. Das sei nicht nachhaltig, heißt es von Experten.
In den einzelnen Bundesländern wird nun gerechnet. Aus der Steiermark heißt es etwa, heuer habe das Arbeitsmarktservice 158 Millionen Euro zur Verfügung, im kommenden Jahr werden es nur mehr knapp 149 Millionen sein, also minus neun Millionen Euro. „Es wird daher weniger Beratungsleistungen und Schulungen in verschiedenen Programmen geben, wobei wir momentan noch keine Details nennen können“, so die Landesstelle.
Auch in Oberösterreich gibt es konkrete Zahlen. Im Vorjahr sank bereits das Budget, im kommenden Jahr muss weiter gespart werden. (2023: 183 Millionen, 2024: 160 Millionen, und Plan 2025: 155,8 Millionen). Im Frauenberufszentrum in Steyr und Kirchdorf wirkt sich das bereits aus. Hier werden Frauen beraten und können auch im Erwachsenenalter eine verkürzte Lehre nachholen.
Das Budget läuft dort immer von Juli bis Ende Juni des Folgejahres. 2023/24 betrug es 948.000, für Juli 2024 bis Juni 2025 geht man nun von circa 780.000 Euro aus. Bis Oktober laufen die Angebote weiter wie bisher. „Dann müssen wir kürzen und Angebote streichen“, sagt die Geschäftsführerin der „Frauenstiftung Steyr“, Klaudia Burtscher.
Die Langzeitarbeitslosigkeit sank stark in Gramatneusiedl.
Modellprojekt Marienthal
Die Langzeitarbeitslosigkeit sank stark in Gramatneusiedl.
Heimisches Vorzeigemodell gestoppt
Noch bevor die Budgetdiskussionen rund um das AMS starteten, fiel die Entscheidung für das Ende eines viel beachteten Pilotversuchs. Das „Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal“ in Gramatneusiedl ging im März wegen politischen Hickhacks unter.115 Gemeindebewohnerinnen und -bewohner nahmen seit Oktober 2020 daran teil, arbeiteten in selbst entwickelten gemeinnützigen Projekten, finanziert vom AMS-Niederösterreich und mit einem hochgesteckten Ziel: der Abschaffung der Langzeitarbeitslosigkeit. Das Ziel wurde erreicht, die Universitäten Wien und Oxford führten eine umfangreiche Studie durch, die zeigt, dass sich auch die Lebenszufriedenheit der Betroffenen stark verbesserte.
Internationale Medien berichteten groß über das Projekt, in Österreich wurde die Präsentation der Abschlussstudie verschoben und schließlich nur in kleinem Rahmen durchgeführt. Auf EU-Ebene läuft ab August eine Ausschreibung für Projekte gegen Langzeitarbeitslosigkeit, das niederösterreichische Projekt wird als Vorzeigeprojekt erwähnt.Und im Vormonat diskutierte der US-amerikanische Kongress einen Gesetzesvorschlag für eine „Federal Job Guarantee“. Sie kontaktierten Experten vom Gramatneusiedler Projekt. Dort ist allerdings vorerst Schluss damit. Und die anstehenden Budgetkürzungen verheißen wohl auch für manch anderes Projekt nichts Gutes.