Herbert Lackner

Herbert Lackner Die ÖVP & die Nürnberger Gesetze

Die ÖVP & die Nürnberger Gesetze

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Wie hat man sich das also vorzustellen? Da brüten ­Michael Spindelegger, Johanna Mikl-Leitner und Generalsekretär Hannes Rauch über aktuellen Meinungsumfragen und kommen zu dem Schluss, es müsse endlich etwas geschehen: Die SPÖ liegt deutlich voran, H. C. Strache ist aus dem Urlaub zurück, und dieser merkwürdige Milliardär schickt sich an, den schwarzen Wählerpool anzuzapfen. Niedergeschlagenheit macht sich breit. Da kommt der Innenministerin die Königsidee: Im Servitenkloster sitzen doch immer noch diese Asylwerber aus der Votivkirche, die im vergangenen Winter so unangenehm aufgefallen sind – nicht zuletzt der „Kronen Zeitung“. Man könnte doch …

Sollte es sich so oder auch nur so ähnlich abgespielt haben, wäre heftig an der politischen Zurechnungsfähigkeit der genannten Personen zu zweifeln. Denn dass durch solche Aktionen die ÖVP am allerwenigsten gewinnen kann, muss selbst ein hinter den Ohren noch feuchter Partei-Rookie erkennen.

Nicht dass der Volkspartei derartiger Unsinn völlig fremd wäre. Man erinnert sich noch an den bizarren Wiener Landtagswahlkampf 2010, als die warmherzige Liberale Christine Marek zu einer Zuwanderer verbellenden Hyäne umstilisiert wurde – in der lächerlichen Hoffnung, sie werde damit der FPÖ Stimmen abnehmen. Das reichte dann gerade noch für 13,9 Prozent, das schlechteste Ergebnis, das die ÖVP in Wien je verbuchte.

Denn das sollte allen Beteiligten, übrigens auch jenen in der SPÖ, klar sein: Wer das „Ausländerthema“ in den Wahlkampf zieht, treibt den Freiheitlichen einschlägig geneigte Wähler zu, die lieber zum Schmied als zum Schmiedl gehen.

Besonders die ÖVP ist dabei in einer absoluten No-Win-Situation: Grün-affine Bürgerliche, denen Xenophobie ein Gräuel ist, könnten sich endgültig für einen Parteiwechsel entscheiden, und von der FPÖ holt sich die Volkspartei im Gegenzug ziemlich genau null zurück. Vor allem aber – und das wiegt am schwersten – stößt die in Wählerstruktur und Programm immer noch christlich-soziale ÖVP Kirche und Caritas vor den Kopf. Die Kritik von Kardinal Christoph Schönborn an den Abschiebungen der Pakistani war im anlaufenden Wahlkampf pures Gift für die ÖVP.

Es spricht also nicht viel dafür, dass die „Außerlandes­bringung“ der Asylwerber (hiermit sei dieser Begriff als „Unwort des Jahres“ nominiert) in irgendwelchen schwarzen Parteizirkeln ausbaldowert wurde. Die Vermutung, dass die Enttarnung einiger Asylanten als Mitglieder einer Schlepper-Gang nicht zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit den Abschiebungen steht, drängt sich hingegen stark auf.

Das alles rechtfertigt nicht manche bis ins Idiotische überzogenen Reaktionen der Flüchtlingsfreunde. Wenn etwa im Internet das Verhalten der Innenministerin mit den Nürnberger Rassengesetzen der Nazis verglichen wird, dann weist dies einerseits auf profundes historisches Unwissen und andererseits auf den Grad jener Hysterie hin, welche die Votivkirchen/Servitenkloster-Asylwerber seit Monaten umwogt. Dabei wäre gerade jetzt kurzes Innehalten und genaueres Maßnehmen angebracht.

Viele der Flüchtlingsunterstützer scheinen immer noch den romantischen Auffassungen Rousseaus von den „edlen Wilden“ nachzuhängen – halt aus dem 18. ins 21. Jahrhundert transponiert. Aber das Bild ist falsch.

Die nach Europa strömenden Asylwerber aus Afrika und Zentralasien sind in ihrer Mehrheit keine kühnen Widerstandskämpfer gegen düstere Diktatoren, deren Grausamkeiten sie sich nur durch rasche Flucht entziehen konnten, weshalb sie auch nicht wieder abgeschoben werden dürften. Sie flohen vor etwas anderem: vor einem perspektivlosen ­Leben in Armut, Not und Langeweile. Sie suchen damit eine Freiheit, die mindestens ebenso bedeutend ist wie die Presse- oder Versammlungsfreiheit, bloß: Als Asylgrund wird das Streben nach ihr nicht anerkannt. Werden diese Flüchtlinge zurückgeschickt, warten nicht Häscher des Regimes, sondern Hoffnungslosigkeit und der Spott im Dorf.

Wie tief die Sehnsucht nach dieser Freiheit ist, lässt sich an den Strapazen und Todesgefahren ermessen, welche die Verzweifelten bereit sind, auf sich zu nehmen. Es sind meist Männer zwischen 20 und 40, die sich das alles antun. In ­ihren Ankunftsländern sind sie nicht willkommen, das merken sie bald. Sie sind jung, unterbeschäftigt, enttäuscht und damit kriminalitätsanfällig.

Womit wir wieder im Servitenkloster sind: Jene drei oder vier Asylwerber, die möglicherweise Mitglieder einer Schlepper-Gang sind (Unschuldsvermutung), haben die ­ihnen entgegengebrachte Solidarität missbraucht und ­damit das Recht auf sie verwirkt. Sie sind in diesem Wahlkampf die bisher wirkungsvollsten Wahlhelfer H. C. Straches.

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