KV-Verhandlungen
AUA-Vorstand: „Gewerkschaft und Betriebsrat wollten sich einfach nicht bewegen“
AUA-Vorstandsmitglied Francesco Sciortino über das letzte Angebot der Arbeitgeberseite, die Gehaltsunterschiede im Lufthansa-Konzern und wie es nach den Streiks weitergeht.
Von Julian Kern
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Herr Sciortino, Sie sind als Vertreter des AUA-Vorstandes in allen bisherigen 17 Verhandlungsrunden um einen neuen Kollektivvertrag gesessen. Über welche konkreten Zahlen dort gesprochen wird, wurde öffentlich schon lange nicht mehr kommuniziert, also machen wir es konkret: Welche Forderungen stellt die Gewerkschaft?
Francesco Sciortino
Bisher ist es so, dass die Gewerkschaft weiterhin bei ihren Forderungen von rund 40 Prozent steht. Es geht um durchschnittlich 30 Prozent reine Gehaltserhöhung, da gibt es durchaus einzelne, die deutlich darüberliegen und dann gibt es auch noch Nebengeräusche, also weitere Forderungen in der Höhe von circa zehn Prozent.
Stimmt es, dass die Belegschaftsvertreter der Crew-Hotels Verpflegung rund um die Uhr, einen Kühlschrank für eigene Lebensmittel, keine Verbindungstüren zu anderen Zimmern sowie einen Pool und Fitnessbereich fordern?
Sciortino
Einige der Themen sind bereits in einer Betriebsvereinbarung geregelt und stehen den Beschäftigten schon jetzt zu. Unter anderem auch ein Frühstück auf Firmenkosten. Weitere Forderungen zur Vereinbarung gibt es. Ja – das ist richtig.
Aktuell liegt das Angebot Ihrerseits bei bis zu 18 Prozent für Pilotinnen, bis zu 28 Prozent sind es für Co-Piloten. Die Gewerkschaft sagt, die 18 Prozent seien gar keine 18 Prozent Gehaltsplus, weil Einmalzahlungen und gewinnabhängige Boni, die erst ab einer Gewinnmarge von 8 Prozent ausgeschüttet werden, inkludiert sind. Sind die gewinnabhängigen Boni nicht eine Mogelpackung? 8 Prozent Gewinnmarge gab es bei der AUA noch nie.
Sciortino
Acht Prozent ist die Marge, wo wir hinwollen und wo die AUA auch hinmuss. Anders können wir die zukünftigen Investitionen nicht stemmen. Es stimmt nicht, dass die Bonuszahlungen erst bei einer Marge von 8 Prozent ausgezahlt werden sollen. Das beginnt schon bei vier Prozent. Dieses Jahr hatten wir 5,4 Prozent, der Maximalbonus – also zwei Monatsgehälter – würde bei 8 Prozent schlagend werden. Einmalzahlungen sind nicht Teil unseres Angebotes, welches mitunter die Abgeltung der rollierenden Inflation und eine Reallohnerhöhung beinhaltet – anders als die vida gerne behauptet.
Der Grund für die bereits 17 Verhandlungsrunden ist ja, dass die Kolleginnen und Kollegen der AUA-Beschäftigten in Deutschland bei der Lufthansa für die gleiche Tätigkeit mehr verdienen – zum Teil bis zu 40 Prozent mehr. Wieso sind die Verdienstunterschiede im selben Konzern so groß?
Sciortino
Wir sind zwar im selben Konzern, aber wir befinden uns in komplett anderen Marktrealitäten. In Wien haben wir einen sehr hohen Low-Cost-Anteil (viele Billigfluggesellschaften; Anm.), den mit Abstand höchsten in der gesamten Lufthansa-Gruppe und es ist einfach nicht möglich, in Wien dieselben Renditen zu erwirtschaften wie in Frankfurt oder Zürich. Und wenn Sie nicht dieselben Renditen erwirtschaften wie in Frankfurt oder Zürich, können Sie auch nicht dieselben Gehälter bezahlen.
In Deutschland haben wir jetzt einen ähnlich intensiven und sehr langen Streik bei der Deutschen Bahn erlebt. Dort hat man sich nach monatelangem Gezerre geeinigt, sogar mit dem Ergebnis, dass bis 2029 die 35-Stunden-Woche eingeführt werden soll. Halten Sie solche langfristigen Änderungen auch in diesen KV-Verhandlungen für denkbar?
Sciortino
Wir haben einige Flexibilisierungsthemen angeboten. Wenn wir schon beim Vergleich zu Deutschland sind: wir haben in Österreich bereits heute deutlich bessere Arbeitsverhältnisse als im Rest der Gruppe. Wir können keine Dienstpläne ändern, nicht in freie Tage eingreifen. Wir können in Österreich viele Dinge nicht tun, die in der Branche durchaus üblich sind. Auch im Angebot enthalten: eine incentivierte Altersteilzeit für Kolleginnen und Kollegen ab 50 Jahren. Es gab in den Verhandlungen auch viele weitere Incentives, die Gewerkschaft und der Betriebsrat wollten sich einfach nicht bewegen.
Bekommt der Vorstand der AUA einen Bonus, wenn die Abschlüsse niedriger ausfallen?
Sciortino
Nein. Wir bekommen unsere Vergütung dafür, dass wir alles tun, um die AUA auf Erfolgskurs zu bringen.
Vielleicht kann sich der Herr Hebenstreit wirklich ein Mal an den Verhandlungstisch setzen, wenn er schon überall über die Verhandlungen redet.
Es gab bereits Streiks und Betriebsversammlungen. Was hat das – inklusive der Streiks am Gründonnerstag und Karfreitag – die AUA bisher gekostet?
Sciortino
Wir sind derzeit bei neun Millionen Euro Schaden plus weiteren 15, die jetzt in diesen beiden Tagen dazukommen. Und am 4. April, wenn die Betriebsversammlung so stattfindet, wie uns das kommuniziert wurde, werden weitere 5 bis 10 Millionen Euro dazukommen. Das sind 30 Millionen Euro in Summe.
Wie geht es denn nach den Streiks weiter? Die Gewerkschaft hat gegenüber profil gesagt, dass sie jederzeit bereit wären, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Sciortino
Ich war bisher in allen Verhandlungsrunden dabei. Herr Hebenstreit, der das gesagt hat, hat noch nie am Verhandlungstisch gesessen. Ich habe ihn überhaupt erst ein Mal getroffen. Vielleicht kann sich der Herr Hebenstreit wirklich einmal an den Verhandlungstisch setzen, wenn er schon überall über die Verhandlungen redet.
Zur Person
Francesco Sciortino, 50, ist seit April 2021 als Chief Operating Officer (COO) Teil des Vorstands von Austrian Airlines. Er ist unter anderem für die Bereiche Crew Training, Flight Operations, Cabin Operations und Ground Operations verantwortlich. Sciortino sitzt als Vertreter des Managements der AUA in den laufenden KV-Verhandlungen.
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Julian Kern
ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.