Aufgeheizte Wärmepumpen-Geschäfte
Eigentlich funktioniert sie wie ein Kühlschrank – nur umgekehrt. Denn während ein Kühlschrank Kälte erzeugt, wird bei der Wärmepumpe Außenluft, Luft aus dem Erdreich oder dem Grundwasser entzogen und in Heizenergie umgewandelt. Und weil das Funktionsprinzip so einfach und der Wirkungsgrad so hoch ist, boomte zuletzt das Geschäft mit ihr. Im Vorjahr war sie mit 50.400 Stück das am häufigsten verkaufte Heizsystem – generell überholten die erneuerbaren erstmals die fossilen Heizungen. Und anders als bei der Photovoltaik oder der Windkraft gilt die Wärmepumpe als jene Innovation, bei der Europa nicht von China abhängig ist. Noch nicht. Denn aufgrund der starken Nachfrage hat man auch in Asien ihr Potenzial erkannt und Megafabriken hochgezogen.
Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge könnten Wärmepumpen bis 2030 weltweit 500 Millionen Tonnen einsparen. Das entspricht in etwa der Menge an Treibhausgasemissionen, die alle Autos in Europa jährlich ausstoßen. Ein Einsparungspotenzial, das den Markt in Bewegung versetzt. So hat das deutsche Unternehmen Viessmann im April beschlossen, seine gesamte Klimasparte um zwölf Milliarden Euro an den US-Hersteller Carrier Global zu verkaufen. Auch der Rüstungshersteller Rheinmetall möchte künftig an der Heizungswende verdienen. Dafür wurde erst vor Kurzem ein 770 Millionen Euro schwerer Auftrag für Verdichter an Land gezogen. Das Know-how für das „Herzstück der Wärmepumpe“ bringt der DAX-Konzern aus Düsseldorf aus seinem Autozulieferergeschäft mit. Es sind Verdichter, die auch in Österreich und Deutschland dringend benötigt werden. Denn wenn es nach dem Branchenverband Wärmepumpe Austria geht, müssten für das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2040 rund 1,3 Millionen Wärmepumpen in Österreich verbaut sein. Und auch in Deutschland verfolgt man ambitionierte Pläne: Ab 2024 sollen jährlich 500.000 neue Wärmepumpen installiert werden – bis 2030 sollen es gar sechs Millionen werden, sagte der grüne deutsche Wirtschaftsministers Robert Habeck im Sommer letzten Jahres.
In der Praxis bricht die Nachfrage nach der Wärmepumpe heuer aber nach dem Rekordjahr 2022 wieder ein. In Deutschland wurden im ersten Halbjahr nur halb so viele Förderanträge für Wärmepumpen gestellt wie im Vorjahreszeitraum. Und auch in Österreich sind die Förderanträge laut dem Klimaschutzministerium deutlich zurückgegangen. Zum einen ist mit dem Gaspreis auch der Druck, schnell auf eine nichtfossile Heizung umzusteigen, gesunken. Zum anderen haben im Vorjahr viele Haushalte und Bauträger wegen der Energiekrise in ein neues Heizsystem investiert, was sie unter anderen Bedingungen erst später getan hätten. Dass sich die Wärmepumpe aber mittelfristig als saubere Heizalternative etablieren soll, ist unbestritten.
„Als ich die Aussagen vom deutschen Minister Habeck im vergangenen Jahr gehört habe, habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und mir überlegt, welche Industrie wohl in der Lage sein wird, das zu produzieren. Und da gibt es nur eine Antwort: die asiatische. Die kann das“, sagt Stefan Gubi. Als Geschäftsführer leitet er die Geschicke des Salzburger Traditionsunternehmens Windhager. Im Jahr 1921 als Schlosserei gegründet, stieg die Firma aus Seekirchen vor der Jahrtausendwende mit einem Baukastensystem für Öl- und Festbrennstoffkessel zum Marktführer in Österreich auf. In der jüngeren Vergangenheit richtete man den Fokus auf Holz-, Hackschnitzel- und Pelletsheizungen. Auch zwei Gasheizungen befinden sich im Produktportfolio. Noch. Im Vorjahr wurden für ein neues Wärmepumpenwerk inklusive Logistikzentrum fast 100 Millionen Euro in die Hand genommen: das größte Investment in der mehr als 100-jährigen Firmengeschichte. Damit wurde bei Gmunden im Salzkammergut der Grundstückskauf bis hin zur „fix fertigen Produktion und Logistik, inklusive aller Maschinen, die es dafür braucht“, finanziert, sagt Gubi.
Wärmepumpen aus dem Salzkammergut
Es ist ein Grundstück, fast siebenmal so groß wie ein Fußballfeld, unweit der Westautobahn bei der Abfahrt Regau. Die Baustelle ist kaum zu übersehen. Dort, rund sieben Kilometer vom Traunsee entfernt, sollen ab Juli 2024 in etwa 10.000 Wärmepumpen pro Jahr erzeugt und vertrieben werden. In der Endausbauphase 2026/27 möchte man die Produktion auf 20.000 Stück verdoppeln.
Ginge es nur nach der produzierten Stückzahl, bräuchte es für den von Minister Habeck für Deutschland ausgerufenen jährlichen Produktionszuwachs 25 solcher Werke. Dimensionen, die in Europa undenkbar scheinen. In China hingegen werden solche Megawerke, die weit über die 500.000-Stück-Marke hinausgehen, derzeit im Eiltempo hochgefahren. „Wir haben den österreichischen Generalimporteur einer chinesischen Firma (GREE Electric Appliances Inc., Anm.) als Verbandsmitglied, die haben 70.000 Mitarbeiter. Ich kenne keine Firma in Österreich oder Deutschland und generell in ganz Europa, die so viele Leute beschäftigt. Wahrscheinlich haben nicht einmal alle zusammen so viele Beschäftigte“, sagt Richard Freimüller, der Präsident des Verbands Wärmepumpe Austria. „Sie produzieren Millionen Stückzahlen und können dadurch einen ganz anderen Preis festlegen“, meint der Branchenvertreter.
„Wir setzen auf Premiumqualität ‚Made in Austria‘, während die Produkte aus Asien primär die billigeren Preissegmente adressieren“, hofft Gubi auf den Faktor Qualität im Wettbewerb mit asiatischen Niedrigpreiswärmepumpen. Rein auf die Menge zu setzen und dafür Abstriche bei der Lebensdauer zu riskieren, sei der falsche Weg, meint der Geschäftsführer der Firma Windhager. In dieselbe Kerbe schlägt auch Freimüller. Die „Billigkonkurrenz“ aus China könne man sich nur dann vom Leib halten, wenn die Qualität aus heimischer Erzeugung geschätzt und auch gefördert werde. „Wir haben mit dem Gütesiegel ein Instrument in Europa. Bei der Förderung kann man damit Mindestkriterien beispielsweise beim Wirkungsgrad vorschreiben. Das ist nicht nur für die Hersteller wichtig, sondern vor allem für die Konsumenten, weil sie eine Ersatzteilgarantie beinhaltet“, meint Freimüller. Strikte Qualitätskriterien könnten eine zentrale Rolle im Wettstreit gegen China spielen.
Einen zweiten Hebel sieht der Verbandspräsident in der Vereinheitlichung der unterschiedlichen Rahmenbindungen. Und diese beginnen bereits auf nationaler Ebene: „Jedes Bundesland hat eine andere Schallvorschrift, und auch beim Tiefenbohren gibt es verschiedene Vorgaben“, sagt Freimüller. Im sozialen Wohnbau in Oberösterreich werde der Umstieg auf die Luftwärmepumpen beispielsweise nur dann gefördert, wenn sie mit einer Photovoltaikanlage gekoppelt wird. Das führt laut Freimüller dazu, dass Bauträger und Genossenschaften Pelletsheizungen bevorzugen, da die Förderung dafür attraktiver ist.
Den Verbandspräsidenten ärgert das. Das Heizen mit gepresstem Sägemehl spaltet nämlich die Geister: -neutral, weil die Bäume, aus denen die Pellets entstehen, vorab Kohlenstoffdioxid () gebunden haben, sagen die einen. Ein Etikettenschwindel, weil beim Verbrennen innerhalb kürzester Zeit enorm viel freigesetzt wird, das vorher langsam in 40 bis 60 Jahren von den Bäumen gebunden wurde, sagen die anderen. Anbieten möchte Windhager die Wärmepumpe dennoch auch in Kombination mit der Pelletsheizung. Es gehe um den Faktor Sicherheit, sagt Gubi: „Als Gesellschaft erhöhen wir zurzeit den Stromverbrauch, weil immer mehr Verbraucher dazukommen. Und da werden wir uns die Frage stellen müssen, ob wir diesen Bedarf auch 365 Tage im Jahr zu 100 Prozent zur Verfügung haben werden. Ein zweites Heizsystem erhöht die Sicherheit für unsere Kunden und hilft auch, Stromverbrauch und Kosten zu reduzieren.“
Neben der drohenden Niedrigpreiskonkurrenz aus China beschäftigt die Branche allerdings auch ein weiteres Thema: eine geplante EU-Verordnung zu synthetischen Kühlflüssigkeiten. Diese befinden sich in zahlreichen elektrischen Geräten aus der Kältetechnik oder im Brandschutz. Und eben auch in Wärmepumpen – sie funktioniert ohne Kühlmittel schlichtweg nicht. Ein Verdampfer nimmt die Wärme aus der Umwelt auf, mithilfe eines Kühlmittels wird sie verflüssigt. Die Feuchtigkeit verdampft dadurch, wird gasförmig und mithilfe eines strombetriebenen Kompressors so stark zusammengedrückt, dass der Druck und die Temperatur ansteigen. Das erhitzte Kältemittel überträgt seine Wärme an den Heizungskreislauf, kühlt dadurch ab und wird wieder flüssig. Und bevor der Druck dieses flüssigen Kältemittels wieder reduziert wird und der Kreislauf von vorn beginnt, wird die Wärme im Warmwasser- oder Pufferspeicher gespeichert. Ein geschlossener Kreislauf also, sagen die Hersteller. Ein potenzielles Risiko für Leckagen, meinen die Regulatoren. Denn fluorierte Gase (F-Gase), aus denen diese Kühlflüssigkeiten hergestellt werden, sind starke Treibhausgase (THG) und tragen zur Erderhitzung bei – bis zu 2500 Mal stärker als . Treten sie aus, sind Umweltschäden unvermeidbar. Außerdem wird ihnen eine krebserregende Wirkung nachgesagt.
Klimakiller Kühlmittel
Deshalb hat sich die EU bereits im Rahmen des Pariser Abkommens von 2015 und der Kigali-Änderung des Montrealer Protokolls von 2019 zur Verringerung der F-Gas-Emissionen verpflichtet. Aufgrund der im European Green Deal konkretisierten Klimaziele der EU soll die bestehende F-Gas-Verordnung überarbeitet werden. Ziel ist es, die klimaschädlichen Kältemittel sukzessive zu verbieten. Über den genauen Zeitrahmen wird seit April in Brüssel diskutiert. Einzelne Länder wie Spanien oder Deutschland möchten deshalb nun eigene Wege gehen. Im Nachbarland wird überlegt, die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes so zu beschließen, dass die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates den Einsatz bestimmter natürlicher Kältemittel vorschreiben kann. Maßnahmen, die in Österreich nicht denkbar sind, wie es aus dem Klimaschutzministerium dazu heißt: „Wir sind überzeugt, dass eine EU-weit einheitliche Regelung die beste Vorgehensweise ist. Denn so können wir gemeinsam sicherstellen, dass der Einsatz von klimaschädlichen F-Gasen gut und umfassend reduziert wird.“
Über die Sinnhaftigkeit der geplanten Verordnung sind sich Branchenvertreter weitgehend einig. Über die jeweiligen Übergangsfristen und den Zeitplan aber nicht. Ein Verbot ab dem Jahr 2025 halten sowohl Gubi als auch Freimüller für technisch schwer umsetzbar. „Wir brauchen eine gewisse Vorlaufzeit“, sagt Gubi. Machbar sei ein Umstieg im Zeitraum zwischen 2028 und 2030, meint der Windhager-Chef. Einen Durchbruch von Propan erwartet auch die weltweit führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung, die deutsche Fraunhofer-Gesellschaft. Propan, in der Branche auch unter dem „natürlichen Kältemittel R290“ bekannt, spielt in der Forschung eine wichtige Rolle: „Wir entwickeln derzeit gemeinsam mit der Wärmepumpenbranche Geräte, die mit Propan als Kältemittel betrieben werden, sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich. Die Branche ist also an umweltfreundlichen Alternativen interessiert und stellt sich auf ein mögliches Verbot von PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, also Industriechemikalien; Anm.) ein“, sagt die Fraunhofer-Gesellschaft auf profil-Nachfrage.
„Wir gehen raus aus der russischen Abhängigkeit und stürmen sehenden Auges mit rasender Geschwindigkeit in die asiatische hinein.“
Branche wartet auf das EWG
Aus regulatorischer Sicht sind die Blicke allerdings nicht nur nach Brüssel, sondern auch nach Wien gerichtet. Genauer gesagt auf das Parlament. Seit November 2022 liegt dort nämlich der Entwurf des Erneuerbare-Wärme-Gesetzes (EWG). Der Branche geht es zu langsam, dass sich die Bundesregierung auch nach mehr als 100 Besprechungen über die Ausgestaltung nicht einig ist. „Mein Wunsch an die Politik ist es, Unternehmern einen Rahmen zu geben, der uns eine langfristige Planung und die sichere Umsetzung der von der Industrie voll mitgetragenen Umweltziele ermöglicht“, sagt Windhager-Chef Gubi. Auf Herstellerseite soll das EWG für Technologieklarheit im Raumwärmebereich sorgen und den Ausstieg aus fossilem Öl und Gas beim Heizen für Haushalte verbindlich regeln. Auf Verbraucherseite sollen Vorgaben für Eigentümer und Förderkonditionen festgelegt werden, damit die Heizwende sozial verträglich abläuft. Das EWG wird somit auch mitverantwortlich dafür sein, ob heimische Hersteller auch weiterhin am Markt bestehen können oder sukzessive von Herstellern anderer Märkte verdrängt werden.
Im Jahr 2021 deutete genau darauf aber noch nichts hin, denn die in Europa produzierten Wärmepumpen wurden hauptsächlich am selben Kontinent verbaut: Hersteller innerhalb der EU steuerten etwa 19 Gigawatt (GW) der weltweiten Produktionskapazität von 120 GW bei. Das entspricht rund 70 Prozent aller in Europa neu installierten Wärmepumpen, wie die in Brüssel ansässige Denkfabrik Bruegel vorrechnet. Zwar liefert China bereits einen Großteil der Kompressoren für Luft-Luft-Pumpen, Europa war im Jahr 2021 allerdings noch die Hauptquelle für Luft-Wasser- und Erdwärmepumpen, schreibt der Thinktank.
Damit das so bleibt und man nicht in einer ähnlichen Abhängigkeit landet wie bei den Photovoltaikanlagen (90 Prozent der Siliziumwafer werden in China produziert), wird es neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen auch größere Werke europäischer Hersteller brauchen. Sollte das – auch trotz neuer Fabriken wie jener in Gmunden – nicht gelingen, könnte aber genau das drohen, was es laut Windhager-Geschäftsführer Gubi zu verhindern gilt: „Wir gehen raus aus der russischen Abhängigkeit und stürmen sehenden Auges mit rasender Geschwindigkeit in die asiatische hinein.“