Ausgeschwarmt: Immokrise schlägt auf Crowdinvesting-Anleger durch
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Für ein Investment in das „Zinshaus in erstklassiger Wohnlage“ in Wien-Mariahilf werden neun Prozent Zinsen geboten, für die „Top-Investmentchance in ein Wiener Immobilienjuwel“ im Servitenviertel bis zu 9,25 Prozent, und wer sein Geld in ein „malerisches Zinshaus“ im 7. Bezirk stecken wollte, dem wurden im konkreten Fall von Immobilienunternehmer Lukas Neugebauer und seiner LNR-Gruppe sogar elf Prozent Zinsen versprochen.
„Wer bietet mehr?“, so scheint das Motto auf den diversen Crowdinvesting-Plattformen für Immobilien zu lauten. Doch während noch vor wenigen Jahren Feierstimmung herrschte, ist jetzt ein schwerer Kater angesagt. Die Turbulenzen und Schwierigkeiten in der Immobilien- und Baubranche schlagen sich naturgemäß auch auf mittels Crowdinvesting finanzierte Projekte durch. Und nun zittern Anleger um ihr Geld.
Dass sich nur jene Unternehmen auf diese Art und Weise finanzieren, die von der Bank keinen Kredit (mehr) bekommen, weist Wilhelm Fetscher zurück: „Crowdinvesting ist eine sensationelle Möglichkeit für alle, auch mit kleineren Beträgen an der Wertentwicklung von Immobilien zu partizipieren“, sagt Wilhelm Fetscher. Der RE/MAX-Makler startete 2020 mit seiner Plattform RECrowd.
Ähnlich wie bei geschlossenen Immobilienfonds tun sich beim Crowdinvesting Anlegerinnen und Anleger zusammen, um den Bau eines Objekts zu finanzieren und später an den Erträgen beteiligt zu werden – etwa aus dem Verkauf der Immobilie oder den Mieteinnahmen. Während die Beteiligung an solchen Fonds nur institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen und besonders wohlhabende Privatanleger stemmen können, ist man beim Crowdinvesting oft schon mit einer Investition von 100 Euro dabei. Kurze Laufzeiten der Einlagen und eine überdurchschnittliche Verzinsung, das klang für viele Menschen durchaus verlockend, denen die Hausbank jahrelang nur mickrigste Prozente für das Guthaben auf dem Sparkonto bot. Der Hinweis, dass der Erwerb dieser Vermögensanlage „mit erheblichen Risiken verbunden“ sei und zum „vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens“ führen könne, wurde da oft geflissentlich übersehen.
Es gibt gravierende Probleme. Projekte fallen massenhaft aus.
„Es gibt gravierende Probleme. Projekte fallen massenhaft aus“, sagt Klaus Grubelnik. Der Sprecher der Finanzmarktaufsicht (FMA) betont, dass es sich dabei ausschließlich um Projekte handelt, die nach dem Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG) aufgesetzt sind und somit nicht der Aufsicht der Behörde unterliegen. Über die Europäische Crowdfunding-Lizenz (ECSP), welche von der FMA erteilt wird, verfügen noch wenige Plattformen. „Dabei handelt es sich um eine sehr strenge Regelung, welche hohe Anforderungen an die Plattformen stellt“, so Grubelnik.
Im Dunkeln tappen
Wie die Tageszeitung „Der Standard“ Ende April berichtete, ist etwa die Website der Plattform Zinsquartier verschwunden, die Domain gesperrt. Betroffene Anleger seien nicht informiert worden und müssen nun um ihr Investment zittern.
Immobilienunternehmer Lukas Neugebauer, in dessen LNR-Gruppe aktuell zwei Insolvenzen anhängig sind (profil berichtete), sammelte zuletzt über die Grazer Crowdinvesting-Plattform Rockets für vier seiner Projekte Gelder. 3,1 Millionen Euro wollte er generieren, um Gründerzeithäuser in den Wiener Bezirken Mariahilf, Neubau und Alsergrund zu revitalisieren. Neugebauer erreichte nicht einmal die Hälfte: Insgesamt 1133 Anlegerinnen und Anleger vertrauten ihm lediglich 1,45 Millionen Euro an. Obwohl er bei Laufzeiten von jeweils zwei Jahren zwischen neun und elf Prozent Zinsen versprach. profil wollte von Neugebauer wissen, ob eine derart üppige Verzinsung überhaupt zu stemmen sei oder ob Kleinanleger hier Gefahr laufen würden, um ihr Geld umzufallen? Und warum man sich für eine derart kostspielige Finanzierung entschieden habe, wenn Bankkredite – trotz Zinsanstiegs – deutlich günstiger zu haben seien? „Es wurde lediglich ein geringer Anteil des Fremdkapitals über Crowdinvesting finanziert, sodass die höhere Verzinsung hier nicht ins Gewicht fällt“, sagt Neugebauer. Das Crowdinvesting habe der anteiligen Refinanzierung von Eigenkapital gedient, „ein Geschäftsfeld, das von Banken nicht abgedeckt wird“, so der Unternehmer, der laut Auskunft der Rocket-Geschäftsführung bisher allen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen ist.
Offizielle Zahlen zum Markt gibt es nicht. Laut Finanzportalen wie CrowdCircus oder Geldmarie war das bislang beste Jahr für Immobilien-Crowdinvesting in Österreich 2021. Damals konnten rund 102 Millionen Euro von Investoren eingesammelt werden. 2023 waren es nur mehr 68 Millionen. Angesichts des Kapitals, das sonst so in der Branche bewegt wird, sind das freilich Peanuts.
Der Großteil der Plattformen und Unternehmen agiert auf Grundlage des Alternativfinanzierungsgesetzes. Damit fallen sie nicht unter die Kontrolle der Finanzmarktaufsicht. Das AltFG ist 2015 in Kraft getreten; auch als Reaktion auf den öffentlich ausgetragenen Streit zwischen FMA und dem Waldviertler Schuhproduzenten Heini Staudinger, der sich von Privatpersonen Geld ausgeliehen und dafür vier Prozent Zinsen gezahlt hatte. Für die Behörde und letztlich auch für das Höchstgericht war das ein illegales Bankgeschäft.
Wir haben den Bauträgern Aufschub bei den Rückzahlungen gewährt.
Während etwa die Bankenaufsicht recht gut über notleidende Kredite Bescheid weiß, tappt man bei dieser Finanzierungsform ziemlich im Dunkeln. Ausfälle habe er bei den Projekten auf seiner Plattform RECrowd glücklicherweise bislang nur ganz wenige, sagt Geschäftsführer Wilhelm Fetscher. Alles eitel Wonne ist freilich auch hier nicht: „Im Einverständnis mit den Investoren haben wir den Bauträgern Aufschub bei den Rückzahlungen gewährt.“ Besser, das Geld ein bisschen später als im schlimmsten Fall gar nicht zurückzubekommen.
Beim Mitbewerber Rendity heißt es, dass bislang nur einzelne Insolvenzfälle aufgetreten seien, die im Zusammenhang mit einem einzigen Projektpartner – dessen Namen zu nennen man tunlichst vermeidet – stünden. Dabei handelt es sich um die VMF-Gruppe, in deren Projekte, einige davon sind auch bei der Crowdfunding-Plattform Rockets gelistet, Tausende Anleger investierten. Bei Rendity übt man sich noch in Zweckoptimismus: „Von einem Ausfall kann man hier derzeit nicht sprechen, wir können dem Insolvenzrecht nicht vorgreifen.“
Rockets wiederum gibt an, dass es bei bisher 230 finanzierten Projekten innerhalb der vergangenen zwei Jahre zu 13 Insolvenzen mit einer Gesamtsumme von 8,7 Millionen Euro gekommen sei. Das entspreche 5,7 Prozent der finanzierten Projekte. Allerdings seien bei einigen Projekten Sicherheiten in Form von Garantien oder Bürgschaften abgegeben worden, weshalb sich der Schaden voraussichtlich nicht in voller Höhe realisieren werde, sagt Rockets-Geschäftsführerin Pia Vejnik-Hasenhütl. „Das hebt uns deutlich von anderen Plattformen ab, die ebenfalls von VMF/VKM-Insolvenzen betroffen sind und keine Sicherheiten vereinbart haben beziehungsweise die Anleger bei ihren Forderungsanmeldungen nicht unterstützen können.“
Drohender Totalverlust
Andreas Zederbauer, Vorstand von dagobertinvest, gibt an, dass es bei seiner Plattform seit 2015 insgesamt sechs Ausfälle und drei Teilausfälle gab. „Das qualifizierte Nachrangdarlehen, das aktuell für Aufregung sorgt, ist bei dagobertinvest seit letztem Herbst passé. Wir vermitteln seit Erhalt der ECSP-Lizenz ausschließlich besicherte Kredite mit unbedingtem Rückzahlungsanspruch, was den Investoren eine weitaus bessere Rechtsstellung einräumt“, so Zederbauer.
Tatsächlich haben die qualifizierten Nachrangdarlehen, die in der Schwarmfinanzierung zum weitaus größten Teil verwendet wurden und werden, einen für Anleger gravierenden Nachteil. Der Darlehensnehmer muss nämlich keine Zahlungen leisten, wenn ihn das in eine finanzielle Notlage bringen würde. Und im Falle einer Insolvenz werden zuerst alle anderen Gläubiger bedient. Für die nachrangigen Darlehensgeber bleibt dann meist kein Geld mehr aus der Verwertung übrig – es kommt zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Verfasstheit der Branche wird das Zittern der Anleger noch eine Weile andauern.
Christina Hiptmayr
war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.