Ausschreibungen der Stadt Wien: "Es fehlt jegliches Unrechtsbewusstsein"
Der, in dessen politische Verantwortung der Anlassfall für die Veranstaltung fällt, glänzte durch Abwesenheit. Als vergangenen Donnerstag die im Wiener Stadtparlament vertretenen Fraktionen zu in einem Sondergemeinderat zusammentrafen, fehlte SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker.
Die Stadt-ÖVP hatte die Sitzung verlangt, nachdem profil und ORF-"ZIB" Mitte April über eine Ausschreibung des Wiener Gesundheitsverbunds (WI-GEV, ehemals Krankenanstaltenverbund KAV) berichtet hatten, aus der nur Siemens erfolgreich hervorgehen hätte können. Sie war derart formuliert, dass andere Hersteller von vornherein nicht infrage kamen. Konkret ging es um die Beschaffung von Computertomographie-Geräten (CT) im Wert von rund acht Millionen Euro. Mitbewerber Canon Medical Systems focht die Ausschreibung an- und bekam recht. Im Jänner erklärte das Verwaltungsgericht Wien die gesamte Ausschreibung für nichtig. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
"Postenschacher und Freunderlwirtschaft sowie maßgeschneiderte Ausschreibungen" im "System SPÖ Wien" ortete die ÖVP und brachte erneut die personellen Verstrickungen zwischen den Roten und Siemens zur Sprache. ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch will, dass der Bundesrechnungshof prüft, welche Unternehmen in welchem Ausmaß in den vergangenen zehn Jahren vom WIGEV Aufträge bekommen haben.
SPÖ-Gemeinderat und Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch wies die Vorwürfe "auf das Schärfste" zurück und erklärte, dass das Gericht in dieser Causa keine politische Einflussnahme erkennen konnte. Auch den ebenfalls von profil publik gemachten Fall bezüglich der Beschaffung von Ultraschallgeräten per Direktvergabe an eine Tochter des US-Mischkonzerns General Electric (profil 16/2021) rechtfertigte Deutsch: Nur ein Anbieter habe die hohen Anforderungen erfüllt. Eine Aussage, die in der Branche freilich massiv angezweifelt wird.
"Der SPÖ fehlt jegliches Unrechtsbewusstsein. Kein Wort der Entschuldigung, kein Wort der Konsequenzen. Da wird mit einer Kaltschnäuzigkeit und Überheblichkeit einfach drübergefahren", sagt ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec.
Doch der türkise Vorstoß geriet zum Eigentor: Sämtliche Fraktionen fielen über die ÖVP her und rieben ihr die aktuellen Affären der Bundespartei rund um ÖBAG-Chef Thomas Schmid unter die Nase. FPÖ-Stadtrat Dominik Nepp nannte die ÖVP die Erfinderin von Postenschacher und Freunderlwirtschaft, der grüne Gemeinderat David Ellensohn sekundierte: "Als ob jemand von Ihnen Interesse an fairen Ausschreibungen hätte", sagte er Richtung ÖVP.
Von den Anträgen der Oppositionsparteien fand kein einziger die notwendige Stimmenmehrheit.