Außen hui, innen pfui bei Indonesien-Plastikprojekt
Die Fahrer der gelb-grünen Rikschas laden den Müll aus der Umgebung in einer Halle ab. Direkt neben der örtlichen Müllkippe einer muslimisch geprägten Stadt im Westen Balis. Durch die Halle läuft ein schwarzes Förderband, an dem rund zwei Dutzend Beschäftigte Plastikabfall per Hand aussortieren. Sie haben ein Problem: Weil die meisten Haushalte in der Region ihren Plastik- und Biomüll nicht – wie geplant – trennen, landen die Abfälle als großes Gemenge auf dem Förderband.
Das „Project STOP Ocean Plastics“ will für kleines Geld ein Abfallmanagement nach westlichem Vorbild in drei Regionen auf den indonesischen Inseln Java und Bali aufbauen: Dazu sollen die Anwohner Plastikabfälle in gelben Tonnen und Essensreste sowie Biomüll in grünen Tonnen sammeln. Der Müll wird abgeholt, sortiert und soll anschließend verwertet werden.
Bis zum Jahr 2025 will die Initiative 25.000 Tonnen Plastikmüll und noch mehr Hausmüll entsorgen – das wären die Abfälle von etwa zwei Millionen Menschen. Das Ziel: Die indonesischen Lokalregierungen sollen die Projekte übernehmen und so ein langfristiges Abfallmanagement aufbauen können.
Das Projekt wurde im Jahr 2017 vom österreichischen Plastikhersteller Borealis gegründet und seither mitfinanziert. Mitinitiator ist die Beratungsfirma Systemiq, die eigentlich für Akteure der Plastikindustrie Konzepte der Nachhaltigkeit entwirft. Zu den weiteren Partnern von STOP gehören unter anderem der Lebensmittelkonzern Nestlé, der Abfallkonzern Veolia und das Borealis-Subunternehmen Borouge.
Theorie und Praxis
Project STOP ist für Borealis und seine Partner wohl ein Versuch, die Theorie einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft in Entwicklungsländern zu beweisen. Das wäre wichtig, um zukünftig das Geschäft mit Herstellung und Verkauf von Plastikverpackungen zu sichern. Denn die verschmutzende Plastikindustrie steht unter Druck.
So nutzen die Industriepartner im Gegenzug für die finanzielle Unterstützung das Projekt für ihre Imagepflege. Borealis will „effektive und stärker kreislauforientierte Abfallmanagementsysteme schaffen“, so das Unternehmen über das „Projekthighlight“. Doch das Sammelsystem ist bisher weder effektiv noch kreislauffähig.
Zwei Drittel des Mülls sind Essensreste und Bioabfälle, erklärt STOP, aus denen das Projekt eigentlich Kompost herstellen will. Verwertet wird dieser Bioabfall aber nur selten, die entsprechenden Flächen auf den Betriebshöfen liegen größtenteils brach. Auf Anfrage schreibt STOP, die Herstellung von Kompost sei aufwendig und würde nur erfolgen, wenn Nachfrage besteht. Meist landet der Biomüll also auf der Deponie.
Dort endet auch ein Großteil des gesammelten Plastikmülls. Denn die Arbeiter an den Förderbändern finden in den Abfällen kaum recycelbares Material. Laut einem internen Papier von Systemiq sind fast 90 Prozent des Plastikmülls in den Sammelregionen sogenannte „low value plastics“, also überwiegend Folien und mehrschichtige Verpackungen, die sich fast gar nicht recyceln lassen. STOP schreibt dazu auf Anfrage, man habe dies einkalkuliert.
Die Krux an der Sache: Es ist jenes häufig problematische Plastik, das einige Partner des Project STOP herstellen und vermarkten. Ein Großteil landet am Ende des Förderbands auf einem Haufen und wird später mit Trucks auf die örtlichen Müllkippen gefahren – ein Umstand, den STOP nicht öffentlich kommuniziert. "Project STOP ist nicht die eine Antwort auf die Plastikvermüllung«, erklärt Systemiq. Stattdessen müsse sich die Industrie ändern: Sie müsse Produkte neu designen, neue Kunststoffe aus biologischen Rohstoffen entwickeln und Mehrwegsysteme einführen.
So ist STOP noch weit davon entfernt, die angepeilten Mengen an Plastikmüll zu verwerten. Bisher haben die Sortieranlagen auf Bali und Java gemeinsam in fünf Jahren nur rund 5800 Tonnen Plastikmüll eingesammelt – bis 2025 sollten es eigentlich 25.000 Tonnen sein. Nur rund 1500 Tonnen Plastik konnte das Projekt bisher zum Recycling schicken.
Trotz der eher mageren Ausbeute erklärt STOP, das Projekt in Bali solle im Juli 2023 an die indonesischen Behörden übergeben werden. Zwei andere Projekte auf Java hat STOP bereits abgegeben. Fraglich ist, ob die Sammelinitiativen die nächsten Jahre überleben werden, während Borealis und Co. immer mehr Einwegverpackungen produzieren.
Hinweis: Der Artikel ist ein überarbeiteter Auszug aus dem Sachbuch „Die Plastiksucht“ von Jacqueline Goebel und Benedict Wermter, das am 23. Mai erschienen ist.