Bradley C. Birkenfeld

Privatbanker & Whistleblower Birkenfeld: "Ich bin ein Held!"

Privatbanker, Whistleblower, Häftling, Multimillionär: Bradley Birkenfeld, der Mann, der die Großbank UBS verpfiffen und dem Schweizer Bankgeheimnis den Todesstoß versetzt hatte, über die Verflechtung zwischen Politik und Hochfinanz, Partys in Miami und seine Linzer Großmutter.

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An Selbstbewusstsein mangelt es Bradley Birkenfeld nicht: "Ich habe das erledigt, was andere nicht hingekriegt haben", sagt der 52-Jährige im Gespräch mit profil. "Ich habe die Welt verändert." Der US-Amerikaner hat mehrere Jahre für die UBS in Genf gearbeitet. Als Privatbanker half er reichen Landsleuten, ihr Vermögen in die Schweiz zu transferieren. Unter dem Deckmantel des Bankgeheimnisses versteckte die UBS das unversteuerte Geld ihrer Kunden. Diese Praktiken enthüllte Birkenfeld 2006 vor den amerikanischen Behörden.

Der Skandal brachte die Bank an den Rand ihrer Existenz. Die USA drohten mit einer Klage, die für die UBS das Aus bedeuten hätte können. 2009 wurde Birkenfeld wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Im selben Jahr schloss die UBS einen Vergleich. Sie zahlte eine Buße von 780 Millionen Dollar und kaufte sich mit der Herausgabe von 4450 Kundennamen von einer Strafverfolgung frei. Dass die Schweiz nach dem UBS-Skandal ihr Bankengesetz änderte und in weiterer Folge dem automatischen Informationsaustausch zustimmte, nahm mit Birkenfelds Enthüllungen seinen Anfang. Sein Buch "Des Teufels Banker" liegt nun in deutscher Übersetzung vor.

profil: Herr Birkenfeld, es scheint reichlich absurd: Die amerikanischen Behörden haben Sie für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis gesteckt. Danach wurde Ihnen von der US-Administration in derselben Angelegenheit eine Belohnung in Form eines Hundert-Millionen-Dollar-Schecks überreicht? Bradley Birkenfeld: Es war ein 104-Millionen-Dollar-Scheck. Aber abgesehen davon ist das völlig richtig.

Ich habe diesem Geschäftsmodell die Grundlage entzogen und eine Billionen-Dollar-Industrie im Alleingang transformiert

profil: Sie haben, wie manche meinen, den größten und am längsten laufenden Steuerbetrug der Welt enthüllt. Birkenfeld: Man muss das historisch betrachten. Die Schweiz war schon immer sehr verschwiegen in ihren Bankgeschäften. Als das NS-Regime Kapitalexport unter hohe Strafen stellte, konterte die Schweiz mit Artikel 47 des Bankengesetzes. Er verpflichtet die Banken, über alle Angelegenheiten ihrer Kunden Verschwiegenheit zu wahren. Damit wurde die Schweiz zum perfekten Ort für Leute, die einen sicheren Hafen für ihr Vermögen suchten oder es vor wem auch immer verstecken wollten. In der Mitte Europas, politisch und ökonomisch stabil. Dieses Geschäftsmodell wurde immer erfolgreicher. Um die Dimensionen deutlich zu machen: Als ich in Genf arbeitete, gab es allein dort ungefähr 130 Banken, bei rund 200.000 Einwohnern. Ich habe diesem Geschäftsmodell die Grundlage entzogen und eine Billionen-Dollar-Industrie im Alleingang transformiert.

profil: Sie scheinen an Ihrem Job als Privatbanker bei der UBS doch sehr viel Spaß gehabt zu haben. Birkenfeld: Allerdings. Ich bin Single, mein Lifestyle war einfach großartig. Ich bin viel gereist. Meine Klienten mochten mich, ich habe für sie eine Menge Geld gemacht. Ich habe gut verdient, die Bank hat gut verdient. Alle waren glücklich.

profil: Sie sind bekennender Partylöwe und haben ein Faible für schnelle Autos und schöne Frauen. Wie haben Sie da in die Gesellschaft der doch recht konservativen und steifen Schweizer Bankiers gepasst? Birkenfeld: Das haben viele nicht verstanden. Aber ich bin eine sehr kontaktfreudige Person, die gerne in Gesellschaft anderer ist. Das ist ein sehr amerikanischer Zugang. Ich war überall dabei: Ich war Ski fahren in Zermatt, auf der Wiesn in München und beim Formel-1-Rennen in Monaco. Ich hatte eine Menge Spaß.

profil: Wie hat man sich Ihren typischen Arbeitstag bei der UBS vorzustellen? Birkenfeld: Etwa alle drei Monate flog ich für zwei Wochen in die USA, um potenzielle und existierende Kunden zu treffen. Wir trafen sie bei Classic Car Shows, Kunstausstellungen, exklusiven Tennisturnieren, hippen Partys in Miami oder luxuriösen, von der UBS organisierten Events. Wir waren überall dort, wo man auf sehr reiche Menschen trifft. Unsere Aufgabe war es, diese Klientel über diskrete Formen der Geldanlage zu informieren. Die UBS macht das seit Jahrzehnten so.

profil: Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass Sie etwas Ungesetzliches tun? Birkenfeld: In der Schweiz war das legal. Und ich war ja nicht der Einzige, der diesen Job gemacht hat.

profil: Es ist jetzt gut zehn Jahre her, dass Sie zum Whistleblower wurden. Was hat Sie dazu getrieben? Birkenfeld: Eine ganze Reihe von Vorfällen. Zuallererst: UBS hat mich und meine Kollegen belogen. Sie haben die Kunden und die Aktionäre belogen. Das ist eine sehr schwerwiegende Angelegenheit. Als meine Kollegen und ich dann im bankinternen Internet auf dieses mittlerweile berühmt-berüchtigte Drei-Seiten-Dokument stießen, wurde die ganze Sache ziemlich bedrohlich.

Die Intention war völlig klar: Sollte es zu Ermittlungen kommen, könnte sich die Bank abputzen und die Schuld auf uns Mitarbeiter schieben

profil: Was stand in diesem Dokument? Birkenfeld: Es hat so ziemlich allem widersprochen, was eigentlich unsere Job Description war. Darin wurde klargestellt, dass UBS-Banker in den USA keine Kunden anwerben dürfen und dass die Produkte, die wir unseren Kunden anboten, nach den offiziellen Richtlinien der Bank tabu waren. Das waren genau die Dinge, die meine Kollegen und ich tagtäglich getan haben. Wir wurden nie über dieses Dokument informiert, geschweige denn wurden wir über die Inhalte geschult. Als ich die Rechtsabteilung darauf aufmerksam gemacht habe, bekam ich keine Antwort. Über Wochen habe ich E-Mails an meine Vorgesetzten geschrieben, aber die haben mich einfach ignoriert. Aber irgendjemand muss das Schriftstück ja geschrieben haben, jemand anderer muss es autorisiert haben und eine dritte Stelle muss die Berechtigung erteilt haben, es im Intranet zu veröffentlichen. Die Intention war völlig klar: Sollte es zu Ermittlungen kommen, könnte sich die Bank abputzen und die Schuld auf uns Mitarbeiter schieben.

profil: Sie behaupten, Sie hätten dem US-Justizministerium Informationen über diesen großangelegten Steuerbetrug angeboten, dieses hätte sich jedoch nicht wahnsinnig dafür interessiert. Das ist schwer zu glauben. Birkenfeld: Dort wollte man sich nicht von einem Außenstehenden sagen lassen, wie man seine Arbeit zu machen hat. Schon gar nicht von einem Whistleblower. Der zuständige Staatsanwalt erklärte mir, ich sehe zu viel fern, das sei eine Hollywood-Geschichte. Aber das war keine Hollywood-Erfindung, das war Realität. Dazu kommt: Es ging bei der UBS um 19.000 Bankkonten von nordamerikanischen Kunden mit Einlagen in Höhe von 20 Milliarden Dollar. Die Verantwortlichen im Justizministerium hatten enge Verbindungen zu einflussreichen Politikern, Richtern, Millionären, Milliardären und CEOs. Einige davon waren wohl UBS-Kunden. Und bekanntermaßen hat sich Hillary Clinton, die damalige Außenministerin unter Barack Obamas Präsidentschaft, später sehr dafür eingesetzt, dass die Bank recht glimpflich davonkam.

profil: Sie sind ein starker Kritiker von Präsident Obama. Denken Sie, Ihr Fall hätte sich unter Präsident Trump anders entwickelt? Birkenfeld: Schwer zu sagen. Möglicherweise schon. Ich glaube, Donald Trump hat keinerlei Verbindung zur UBS. Eric Holder, Generalbundesanwalt unter Präsident Obama, war zuvor für eine der renommiertesten Anwaltskanzleien tätig und hat in dieser Funktion auch UBS vertreten. Die Clinton Foundation erhielt regelmäßig Spenden von UBS, Expräsident Bill Clinton absolvierte regelmäßig lukrative Auftritte für die Bank. Hier gibt es also jede Menge Verbindungen.

Das Justizministerium hat den Senat belogen, und es hat einen Bundesrichter belogen.

profil: Sie haben das Justizministerium der Lüge bezichtigt. Hat man Sie jemals dafür belangt? Birkenfeld: Nein, nie. Und ich wiederhole es noch einmal: Das Justizministerium hat den Senat belogen, und es hat einen Bundesrichter belogen. Das Ministerium behauptete, ich hätte Informationen zurückgehalten. Dabei übergab ich sämtliche Informationen dem Senat, weil ich vom Justizministerium keine formale Vorladung und keine Zusicherung von Immunität bekam. Die brauchte ich aber. Denn mit der Weitergabe der Informationen habe ich das Schweizer Bankgeheimnis verletzt. Bei einer Rückkehr in die Schweiz hätte ich mit einer Verhaftung rechnen müssen. Vom Senat bekam ich schließlich die Vorladung - und das Ministerium schäumte.

profil: Sie haben dazu beigetragen, dass die amerikanische Regierung Milliarden an entgangenen Steuern zurückholen konnte. Birkenfeld: Richtig. Das Internal Revenue Service (die Steuerbehörde, Anm.) veröffentlichte, dass sich rund 100.000 Steuersünder gemeldet haben und insgesamt 15 Milliarden Dollar eingespielt wurden. Aus Steuernachzahlungen und den Geldstrafen für Kunden und Banken.

profil: Sie mussten wegen Beihilfe zur Steuerflucht für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis... Birkenfeld: Ich musste als Einziger ins Gefängnis.

profil: Was war das für eine Erfahrung? Birkenfeld: Das war ein einziger Witz. Es war kein Gefängnis, wie man es im Fernsehen sieht. Es hatte keine Zellen und keinen Stacheldraht. Wir nannten es "Camp Cupcake", weil es so lächerlich war. Insgesamt war es einfach nur eine totale Verschwendung von Zeit und Steuergeldern.

Oh, ich bin ein Held! Dafür habe ich 104 Millionen Beweise

profil: Sehen Sie sich selbst als Held oder Kriminellen? Birkenfeld: Oh, ich bin ein Held! Dafür habe ich 104 Millionen Beweise. Und schließlich habe ich all das Geld nach Amerika zurückgebracht. Dafür hätte ich gerühmt und nicht ins Gefängnis gesteckt werden sollen.

profil: Hat dieser Skandal für Ihre Vorgesetzten bei UBS irgendeinen negativen Effekt? Birkenfeld: Nein. Sie wurden zwar gefeuert, aber die Justiz ließ sie laufen. Alle meine ehemaligen Vorgesetzten bei UBS kamen mit einer außergerichtlichen Einigung davon.

profil: Gab es jemals einen Moment, in dem Sie dachten, es wäre besser gewesen, wenn Sie geschwiegen hätten? Birkenfeld: Nein. Allerdings hätte ich mich nicht ans Justizministerium wenden sollen. Das war ein Fehler. Aber es war wichtig, das Richtige zu tun. Das sagt man ja auch seinen Kindern und Enkelkindern. Man muss sich einfach überlegen, in welcher Gesellschaft man leben will. In einer, in der man sich gegenseitig respektiert, oder in einer, in der man duldet, dass Menschen betrügen und betrogen werden.

profil: Wir haben in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Leaks gesehen. Man hat jedoch den Eindruck, viel wurde dadurch nicht bewegt. Birkenfeld: Das amerikanische Justizministerium hätte natürlich mehr tun können. Aber man wollte das System nicht zu sehr aufwirbeln, man profitiert ja selbst auch davon. Die Welt wurde jedoch schon ein bisschen transparenter. Wir sind einige dieser Geldwäschepraktiken losgeworden und konnten bei Offshore-Konten aufräumen. Das Schweizer Bankgeheimnis ist ausgehöhlt, und wir haben nun den automatischen Informationsaustausch. Das ist enorm wichtig, dass Regierungen von Banken Auskunft verlangen können und diese auch liefern müssen.

Natürlich werden die Leute immer noch ausgeklügeltere Wege finden, ihr Geld zu verstecken. Aber es wird ihnen schwerer gemacht

profil: Schlupflöcher gibt es aber noch immer. Birkenfeld: Global gesehen gibt es natürlich noch immer Orte, wo man diesen Geschäften nachgeht. Die Reichen verschieben ihr Geld nach Dubai oder Singapur. Aber es wurde eine ganze Industrie zur Veränderung ihres Geschäftsgebarens gezwungen. Natürlich werden die Leute immer noch ausgeklügeltere Wege finden, ihr Geld zu verstecken. Aber es wird ihnen schwerer gemacht.

profil: Whistleblower enden oft als Buhmänner , ihre Karriere ist meist ruiniert. Was würden Sie anderen empfehlen, die über ähnlich explosive Informationen verfügen? Birkenfeld: Die sollen sich direkt an mich wenden. Ich kann helfen und weiß, was Whistleblower durchmachen. Alles muss gut dokumentiert sein, und es braucht einen guten Anwalt. Außerdem sollte man sich Journalisten suchen, welche die Geschichte wahrheitsgemäß berichten. Es kann auch nicht schaden, wenn man sich eine Non-Profit-Organisation sucht, die einen unterstützt. Man muss die gesamte Sache aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Wenn man das nicht tut, läuft man Gefahr, einen Fehler zu machen.

profil: Sie waren Privatbanker, wurden zum Whistleblower, waren dann Häftling und sind jetzt Multimillionär. Was kommt als Nächstes? Birkenfeld: Ich baue gerade ein Unternehmen auf, das Whistleblower berät und finanziell unterstützt. Ich versuche Regierungen zu helfen, die gegen die UBS vorgehen oder die ein Whistleblower-Gesetz erlassen wollen. Ich würde mich freuen, mit österreichischen Parlamentariern darüber zu sprechen. Ich würde mich freuen, wenn ich helfen könnte. Selbstverständlich honorarfrei.

profil: Ich gebe das gerne weiter. Wann wollen Sie kommen? Birkenfeld: Wenn ich eine Einladung erhalte, werde ich da sein. Ich liebe Wien. Ich habe ja auch einen österreichisch-ungarischen Hintergrund: Meine Großmutter stammte aus Linz. Sie emigrierte in die USA. Ich mag den österreichischen Lebensstil, die Küche, die Architektur. Zudem sind Europäer insgesamt gegenüber meinem Thema viel interessierter und aufgeschlossener. Deshalb lebe ich jetzt auch in Europa, auf Malta.

profil: Sie sind also nach der Schweiz in die nächste Steueroase übersiedelt. Birkenfeld: Ich bin immer noch Amerikaner. Und ich habe für meine 104-Millionen-Dollar-Belohnung 35 Millionen Steuern bezahlt. Ich finde, das ist genug. Malta hat eine interessante Geschichte. Außerdem mag ich das Meer und Boote. Und es ist nicht weit nach München, Paris oder London.

profil: Gibt es Pläne, Ihre Geschichte zu verfilmen? Birkenfeld: Ja. Wir verhandeln gerade mit Hollywood über eine TV-Serie sowie einen Spielfilm. Das ist ziemlich aufregend.

profil: Wen hätten Sie gerne als Bradley Birkenfeld? Birkenfeld: Matt Damon. Er stammt wie ich aus Boston und ist eine tolle Persönlichkeit.

Bradley Birkenfeld: Des Teufels Banker FinanzBuch Verlag, 352 S., EUR 24,99

Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 15 vom 10.4.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.