bauMax: Familie Essl vor den Trümmern ihres Lebenswerks
Anfang Juli, Schloss Möderndorf bei Hermagor: Agnes Essl liest aus ihren Memoiren. Die Sonne strahlt vom Himmel, weit ausladende Apfelbäume spenden Schatten. Gatte Karlheinz lauscht dem Vortrag in Gesellschaft eines überschaubaren, wohlwollenden Publikums. Ein Auftritt ganz nach dem Geschmack des Paares – als feinsinnige Kunstsammler, soziale Wohltäter und erfolgreiche Unternehmer.
Das idyllische Setting vermag fast darüber hinwegzutäuschen, dass die beiden vor den Scherben ihres Lebenswerkes stehen. Die von ihnen gegründete Heimwerkerkette bauMax steht kurz vor der Auflösung. Die Kunstsammlung? Mehrheitlich in den Händen eines anderen. Die Zukunft des familieneigenen Museums? Ungewiss. Dies ist die Geschichte einer der bekanntesten Unternehmerfamilien des Landes. Einer Familie, die einen kleinen Baustoffhandel mit 20 Mitarbeitern nicht nur zur führenden Heimwerkerkette des Landes, sondern zu einem international tätigen Konzern machte. Einer Familie, die eine der größten privaten Kunstsammlungen aufbaute. Einer Familie, der jetzt Stück für Stück ihres Imperiums entgleitet und die sukzessive ihren Lebenstraum aufgeben muss.
Ein Stück heimischer Wirtschaftsgeschichte verschwindet
Während die Essls in Kärnten weilten, nahm der Schlussakt des Familiendramas seinen Lauf. Über kurz oder lang wird das markante rot-gelbe bauMax-Logo wohl aus der Landschaft verschwinden. Und damit ein Stück heimischer Wirtschaftsgeschichte. Die Hoffnung der Essls, wenigstens den Kernmarkt (Österreich, Tschechien und Slowakei) behalten zu können, hat sich zerschlagen. Die Gläubigerbanken der maroden Heimwerkerkette – wiewohl vom Unternehmen lange dementiert – stehen längst in Verhandlungen mit potenziellen Investoren. Die Firmengründer nehmen dabei nicht einmal mehr Statistenrollen ein.
Wie konnte es so weit kommen?
Eine Frage, die weder Karlheinz Essl noch sein Sohn Martin beantworten möchten. Man „bitte um Verständnis“, dass man in der derzeitigen Phase keine Auskunft geben könne, ließen sie auf eine entsprechende profil-Anfrage ausrichten. Wenig überraschend. Einen übertriebenen Drang ins Rampenlicht konnte man den Essls nie vorwerfen. Keine „Seitenblicke“-Auftritte, keine Skandale. Lieber propagierten die strenggläubigen Protestanten ein christlich-ethisches Unternehmertum. Die Zunge der Essls löst sich nur bei zwei Themen: Kunst und Spiritualität. Bei wirtschaftlichen Inhalten gab man sich stets zugeknöpft.
Dabei schwamm das Unternehmen und mit ihm die Familie über Dekaden auf der Erfolgswelle. Die Geschichte von bauMax beginnt, wenn man so will, im New York des Jahres 1958. Dort traf die 21-jährige Agnes Schömer, Tochter eines Klosterneuburger Baustoffhändlers, auf den zwei Jahre jüngeren Karlheinz Essl. Der Sohn eines Lebensmittelgroßhändlers aus Hermagor war in die USA gekommen, um das Selbstbedienungsprinzip amerikanischer Supermärkte zu studieren, Agnes jobbte in einer Kunstgalerie. Zurück in Österreich wurde geheiratet. Von seinem Ziel, Supermärkte nach Österreich zu bringen, musste Essl bald Abstand nehmen. Noch vor der Hochzeit bestellte ihn der Schwiegervater in spe zum Rapport: er sehe ihn als Nachfolger, Karlheinz müsse seine Pläne für den Lebensmittelhandel begraben. Und Karlheinz fügte sich, er stieg in den schwiegerväterlichen Betrieb ein. Seinen Traum verwirklichte alsbald ein anderer: 1961 eröffnete Jenö Eisenberger (in späteren Jahren ebenfalls leidenschaftlicher Kunstsammler) mit „Löwa“ den ersten Supermarkt Österreichs.
Dafür lief es privat wie geschmiert. Innerhalb von zweieinhalb Jahren brachte Agnes vier Kinder zur Welt. Das fünfte, eine Tochter, folgte mit einigen Jahren Abstand. Kurz nach der Niederkunft mit Sohn Martin prophezeite sie ihrem Gatten: „Ich habe dir deinen Nachfolger für die Firma geboren“. Sie sollte Recht behalten.
Die Karrierewege der anderen Kinder waren weniger vorhersehbar: Während Karlheinz jr. als Komponist in der Öffentlichkeit reüssierte, wählten die Töchter anonymere Existenzen. Andrea wurde Ayurveda-Masseurin, Gudrun – genannt Gudi – arbeitet als Aromatherapeutin in Kalifornien, und Elisabeth, die jüngste, ist Pferdezüchterin im Burgenland.
Supermarkt für Baustoffe
Als Fritz Schömer 1975 sein Unternehmen an den Schwiegersohn übergab, witterte Karlheinz die Chance, den Laden völlig umzukrempeln. Er übertrug die Idee der Supermärkte auf den Handel mit Baustoffen. Die Kunden sollten das Material, welches sie zur Instandhaltung und Renovierung ihrer Wohnungen und Häuser benötigten, selbstständig auswählen, in den Einkaufswagen legen und an der Kassa bezahlen. Das spart Personal, das Unternehmen kann günstiger kalkulieren und billiger verkaufen.
Zuerst mussten jedoch Lieferanten und Mitarbeiter überzeugt werden. „Man traute den Kunden nicht und meinte, sie würden mehr stehlen als bezahlen“, erinnert sich Agnes Essl in ihren Memoiren.
1976 war es so weit. Im steirischen Kindberg wurde der erste Baumarkt eröffnet. Damals noch unter dem Namen „Hobbymax“. Zwei Jahre später folgte in Mauthausen in Oberösterreich der erste moderne bauMax.
Mit seiner Do-it-yourself-Philosophie traf das Unternehmen einen Nerv. Von der Keller-Isolierplane über Mischmaschinen und Wandfarbe bis hin zum Dachziegel bot die Heimwerkerkette alles, was zum Hausbau benötigt wird. Mitte der 1980er-Jahre wird bauMax Marktführer. Und Österreich zum Land der Hämmerer.
Der Schritt ins Ausland schien die logische Konsequenz. Grundstücke für die ersten Standorte in Bayern waren bereits gesichert, als sich Karlheinz und Sohn Martin (als sein Assistent) im Winter des Jahres 1989 gen Prag aufmachten. Beim Anblick der bröckelnden Fassaden war klar: hier herrscht Nachholbedarf. Die Deutschland-Pläne wurden ad acta gelegt. 1992 sperrten die ersten bauMax-Märkte in Tschechien und Ungarn auf, zwei Jahre später folgte die Slowakei. Die Heimwerkerkette war eines der ersten Handelsunternehmen, das nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in die ehemaligen Ostblockstaaten ging.
Um den Expansionsschub zu finanzieren, ging bauMax 1990 an die Börse. Die Aktien fanden reißenden Absatz. Rund 900 Millionen Schilling (65 Millionen Euro) erlösten die Essls aus dem Börsegang. Für treue Anleger erwies sich der Deal als weniger lukrativ. Die Vorzugsaktien, damals zum Stückpreis von 450 Schilling (32,70 Euro) ausgegeben, wurden beim Börserückzug knapp 15 Jahre später mit 20,58 Euro weit unter dem Ausgabepreis zurückgekauft.
Erste Flaute
Ende der 1990er-Jahre musste sich Karlheinz Essl erstmals mit den Grenzen des Wachstums auseinandersetzen. Die seit Gründung ohne Unterbrechung expansive Heimwerkerkette kam unter Druck. Die Umsätze stagnierten und die zuvor alljährlich stolz präsentierten Gewinne schmolzen dahin. Besonders der Heimmarkt mit seinen damals 72 Filialen machte Sorgen. Nur dank der insgesamt 20 Standorte im Ausland konnte die Absatzflaute einigermaßen kompensiert werden.
In Österreich, dem Land mit der größten Baumarktdichte Europas, stieg die aggressive Konkurrenz (Obi, Hornbach, Bauhaus) den Klosterneuburgern ordentlich auf die Zehen. Karlheinz setzte seine Hoffnungen auf Osteuropa. Umzusetzen hatte den strammen Expansionskurs Sohn Martin, der 1999 zum Vorstandsvorsitzenden berufen wurde, während sich der Senior in den Aufsichtsrat zurückzog. Doch die Zepterübergabe war nur auf dem Papier erfolgt. Karlheinz, der es gewohnt war, in seinem Unternehmen die Zügel in der Hand zu haben und stets patriarchalisch führte, traf aus dem Aufsichtsrat heraus nach wie vor sämtliche Entscheidungen. Und Martin tat das, was „Vati“ wünschte. So sollte es während seiner gesamten 14-jährigen Amtszeit bleiben. „Das operative Tagesgeschäft war Karlheinz’ Lieblingsthema. Auch familienfremde Führungskräfte bekamen vom Alten oft mehrmals täglich Anrufe, bei denen er erklärte, wie der Hase läuft“, erzählt ein ehemaliger Topmanager.
Selbst erwies sich Karlheinz als erstaunlich beratungsresistent. Zahllose Konzepte ließ er entwickeln und kurz vor Umsetzung wieder verwerfen. Und je größer der Konzern wurde, umso weniger war Essl senior Herr der Lage. Mit dem Markteintritt in die Türkei im Jahr 2010 war die Heimwerkerkette auf 160 Standorte mit über 9000 Mitarbeitern in neun Ländern angewachsen. Doch die Errichtung der neuen Standorte erfolgte auf Pump. Die Weltwirtschaft war schon längst von der Finanzmarktkrise erschüttert, als sich bauMax auf den Bosporus vorwagte und dort binnen drei Jahren sieben Standorte aus dem Boden stampfte. Wiewohl der türkische Do-it-yourself- Markt überdurchschnittliche Wachstumsraten zeigte, hechelten die Österreicher den lokalen Playern immer hinterher. Noch 2012 und 2013, die Kette war schon arg in der Bredouille, kamen weitere Märkte in Bulgarien, Tschechien und Rumänien dazu.
"Defizite in der Führungsorganisation"
Angesichts tiefroter Bilanzen schickten die Gläubigerbanken – gegen den Willen Essls – das Beratungsunternehmen Roland Berger in den Konzern, um dort ein Restrukturierungskonzept zu erstellen. Die Consulter legten die Finger auf schmerzende Wunden (profil berichtete). Sie stellten fest, dass bauMax mit rund einer Milliarde Euro verschuldet war, jeder dritte Baumarkt unprofitabel ist und die Mehrzahl der Tochtergesellschaften im Ausland auf Jahre nicht positiv wirtschaften würde. Zudem konstatierten sie, dass die Gründe für die Krise zum überwiegenden Teil hausgemacht seien und stellten „Defizite in der Führungsorganisation“ fest.
Auf Druck der Banken musste Martin Essl 2014 seinen Vorstandssessel räumen. Der Clan akzeptierte zähneknirschend. Sanierer Michael Hürter soll nun den mit den Kreditgebern ausverhandelten Restrukturierungsplan bis Ende 2016 umsetzen. Die Tochtergesellschaften in Rumänien und Bulgarien wurden bereits verkauft. Die Filialen in der Türkei und Ungarn geschlossen. Jene in Kroatien in die Insolvenz geschickt.
Wiederkehrende Meldungen über den bevorstehenden Kauf der verbliebenen 106 Standorte (Österreich, Tschechien, Slowakei) durch Obi oder die französische Adeo-Gruppe pariert bauMax-Sprecherin Monika Voglgruber immer gleich: „Ich kann bestätigen, dass es Gespräche mit Investoren gibt. Alle anderen Gerüchte und Spekulationen kommentieren wir nicht.“
Vergangenen Freitag meldete einmal mehr das deutsche „Managermagazin“: „Obi greift nach bauMax“. Allerdings, so heißt es in dem Bericht, wollen die Konkurrenten die bauMax-Märkte nicht kaufen, sondern lediglich mieten. „Um nicht in den Strudel einer Insolvenz hineingerissen zu werden“, wie das Magazin schreibt. Das Personal solle übernommen, die Märkte aber unter Obi-Logo und mit Obi-Sortiment geführt werden. Spruchreif ist freilich auch diese Variante nicht.
So oder so: Die Tage der rot-gelben Marke scheinen gezählt.
Adieu, bauMax.