Berge, Seen und Taylor Swift: Sommerurlaub in Österreich legt zu
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An der Fußball-Europameisterschaft hatte man in Seefeld etwas gebremste Freude. Das lag nicht nur am Ausscheiden der österreichischen Nationalmannschaft. „Solche Großereignisse haben auch Auswirkungen auf die Buchungslage“, sagt Elias Walser. Er ist Geschäftsführer des Tourismusverbandes Seefeld, und als solcher weiß er um die Freuden und Leiden von Hotellerie und Gastronomie. „Die Hüttenwirte ohne Fernseher haben geklagt, dass Gäste nicht über Nacht geblieben sind und sich am Nachmittag früh verabschiedet haben, um rechtzeitig zum Anpfiff im Tal zu sein.“ Generell verzeichnete man in der Region von April bis Ende Juni nur eine verhaltene Nachfrage. Mit dem Start der Ferien laufe es nun merklich besser. „Wir rechnen mit einer Sommersaison auf dem Niveau des vergangenen Jahres“, sagt Walser.
Eigentlich hat sich Österreich als Winterdestination in das Bewusstsein in- und ausländischer Urlauberinnen und Urlauber gebrannt. Tatsächlich jedoch ist der Sommer, gemessen an den Nächtigungszahlen, die stärkere Saison. Und seine Bedeutung für den heimischen Tourismus nimmt immer weiter zu. Das liegt nicht nur an den Bestrebungen der Skitourismus-Hochburgen, ihre Infrastruktur ganzjährig nutzbar zu machen, sondern auch am Klimawandel.
Vergangenes Jahr verzeichnete man österreichweit die erfolgreichste Sommersaison aller Zeiten. Insgesamt 80,9 Millionen Nächtigungen waren gebucht worden. Zum Vergleich: Im vergangenen Winter registrierten die heimischen Beherbergungsbetriebe rund 71 Millionen Nächtigungen. Umsatzmäßig schaut es freilich umgekehrt aus: Während Sommertouristen zuletzt 182 Euro pro Kopf und Tag ausgaben, waren es bei den Wintergästen 207 Euro.
Nichtsdestotrotz: „Die Stimmung in der Branche ist für die heurige Sommersaison vorsichtig optimistisch“, sagt Anna Burton, Tourismusexpertin vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). Vorrangig die tourismusintensiven Regionen in Tirol, Salzburg und Vorarlberg sowie die Kärntner Seen seien gut gebucht. Aber auch Städtetrips in Wien seien hoch im Kurs: „Vor allem die Termine um die Großkonzerte von Taylor Swift und Coldplay sind sehr stark nachgefragt“, weiß Burton. Die meisten Touristen, winters wie sommers, zieht aber Tirol an.
Auch in Skiregionen mehr Gäste im Sommer
Bereits der Mai als erster Monat der Sommersaison hat mit 9,5 Millionen Nächtigungen – das entspricht einem Plus von 15 Prozent – die Latte ordentlich hochgelegt. Zu diesem Allzeithoch hat geführt, dass die frühsommerlichen Feiertage, inklusive Pfingsten und Fronleichnam, die sonst ihren Auftritt oft erst im Juni haben, allesamt in den Wonnemonat fielen. Gerade Pfingsten ist für den heimischen Tourismus von großer Bedeutung, weil die Deutschen da längere Ferien haben.
Doch nicht alle konnten davon profitieren. „Seefeld liegt auf einer Seehöhe von 1200 Metern. Da ist es vielen Gästen im Mai noch zu frisch“, erzählt Walser. Die unsicheren Wetterverhältnisse mit viel Niederschlag hätten zu einem Zögern bei den Gästen geführt. Dennoch: In dem mondänen Bergort, immerhin dreimaliger Austragungsort der Olympischen Winterspiele, hat der Sommer- den Wintertourismus schon 2015 überholt. Heute werden 54 Prozent des Geschäfts in der warmen Jahreszeit gemacht. „Die Verantwortlichen hier haben immer geschaut, dass sie bei neuen Entwicklungen vorn dabei sind, und passende Aktivitäten angeboten“, sagt Walser. Schon in den 1970er-Jahren hat man begonnen, breite, bequeme Wanderwege anzulegen, dies unter „Genusswandern“ zu vermarkten und rundherum eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen.
Etwa auch für eine klimafreundliche Mobilität. Um in der Region Seefeld herumzukommen, braucht man kein Auto mehr. Mit der Gästekarte können alle öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos genutzt werden.
"Bahn-zum-Berg"-Mitgründerin Veronika Schöll
"Die öffentliche Anbindung für Bergtouren ist im Westen Österreichs viel besser als im Osten."
„Generell ist im Westen Österreichs die öffentliche Anbindung für Bergtouren viel besser als im Osten. Die Touristiker sind diesbezüglich sehr engagiert“, sagt Veronika Schöll in der aktuellen Folge von „Vorsicht, heiß!“. Die Mitgründerin des Vereins „Bahn zum Berg“, der den Umstieg auf Öffis bei Wandertouren erleichtern will, verrät im profil-Klimapodcast die lohnendsten Touren.
Prinzipiell sei das Bestreben in den Tourismusregionen der Alpen, die Bergbahnen im Sommer besser auszulasten und die Infrastruktur auch Wanderern und Mountainbikern zugänglich zu machen. „Das ist auch wichtig, um Arbeitsplätze und Mitarbeiter über das gesamte Jahr halten zu können“, sagt WIFO-Ökonomin Burton.
Die zunehmende Erderhitzung spielt den heimischen Tourismus- betrieben dabei durchaus in die Karten. Laut der European Travel Commission (ETC), der Dachorganisation der nationalen Tourismusmarketingorganisationen, sorgten die Hitzewellen und Waldbrände in den vergangenen Jahren in Südeuropa für einen Rückgang des Interesses an diesen Destinationen in den Sommermonaten, während kühlere Reiseziele in Mittel- und Nordeuropa an Attraktivität gewannen. Laut einer ETC-Umfrage aus dem Jahr 2023 ist das Wetter für Europa-Reisende der wichtigste Faktor bei der Entscheidung, wohin sie in den Urlaub fahren. Immerhin acht Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich Sorgen über extreme Wetterbedingungen an europäischen Reisezielen machen würden.
„Reisende sind sich zunehmend der extremen Wetterereignisse und ihrer möglichen Auswirkungen auf ihren Urlaub bewusst“, sagte ETC-Vorstand Eduardo Santander in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender CNN und fügte hinzu, dass dies in Zukunft dazu führen werde, dass Touristen zunehmend im Frühjahr und Spätherbst statt in den heißen Sommermonaten nach Südeuropa reisen würden.
Unsere Sommerurlauber kommen wegen der angenehmen Kühle, die bei uns am Hochplateau herrscht.
Eine Entwicklung, die auch in Seefeld bereits bemerkbar ist. Schon jetzt ist hier neben dem Februar der August der stärkste Monat. „Von unseren Sommerurlaubern hören wir immer wieder, dass sie wegen der angenehmen Kühle, die bei uns am Hochplateau herrscht, kommen“, erzählt Walser. Und akute Hitzewellen im Süden Europas machen sich auch kurzfristig bemerkbar. Dann würden die Campingurlauber früher abreisen und stattdessen einige Tage in Seefeld bleiben. „Grundsätzlich ist am Klimawandel nichts Positives, aber wir merken, dass die Gäste die wärmeren Temperaturen im Herbst und das stabile Wetter immer mehr zu schätzen wissen“, sagt der Geschäftsführer des Tourismusverbandes, Elias Walser.
Das gilt für ganz Österreich: „Wir sehen zunehmend eine Verlagerung in die Nebensaison“, sagt WIFO-Ökonomin Burton. Grund sei jedoch nicht nur das wärmere Wetter. Gerade in Zeiten hoher Inflation würden jene, die nicht auf Schulferien angewiesen sind, so den teureren Hauptsaison-Monaten ausweichen.
Mit dem Fußball hat man sich in Seefeld mittlerweile wieder ausgesöhnt. Haben doch die Profis des FC Basel hier gerade ihr Trainingslager absolviert. Mit den Kickern von Betis Sevilla, Slaven Belupo und Holstein Kiel folgen drei weitere europäische Erstligisten. Sorgt der Fußball in Seefeld also doch noch für Umsatz.
Christina Hiptmayr
war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.