Bitcoin und Blockchain: "Parallelen zur Dotcom-Blase unübersehbar"
Ein Bitcoin-Investment klingt verführerisch. Stand die sogenannte Kryptowährung am Jahresanfang noch bei unter 1.000 Euro, ist der Bitcoin unter starken Schwankungen nun schon bis auf einen Wert von fast 17.000 Euro geklettert. Eine Traum-Rendite. Die meisten Glücksritter setzen sich jedoch kaum mit der Technologie hinter der Kryptowährung auseinander: Der Blockchain.
"Eine passende Metapher für die Technologie zu finden, ist schwierig" gibt auch Nicholas Stifter vom Forschungsinstitut SBA Research im Gespräch mit profil zu. Bei der Blockchain-Technolgie handelt es sich im Grunde um eine Gruppierung von Datensätzen, genannt Blocks, die durch rechenintensive kryptografische Verfahren miteinander verkettet sind. Jeder neue Eintrag bestätigt implizit die Richtigkeit der vorherigen Einträge, in dem er auf ihnen aufbaut. So entsteht eine Kette von Datensätzen, die nicht, oder nur mit großem Rechenaufwand verändert werden kann. Worüber in der Kette Buch geführt wird, ist grundsätzlich offen. Es können Verträge, Grundbucheinträge oder eben – wie bei Bitcoin – Transaktionen einer Währung sein. Bitcoin ist die erste und älteste noch bestehende Blockchain. Doch die potenziellen Anwendungen der Technologie gehen weit über digitales Geld hinaus. Stifter sieht in der Blockchain-Technologie auch die Möglichkeit, uns in Zukunft durch Dezentralisierung vor oppressiven politischen Systemen zu schützen.
profil: Ist die Entwicklung des Bitcoin nur eine Blase?
Nicholas Stifter: Kryptowährungen wie Bitcoin haben sich von Anfang an in blasenartigen Phasen entwickelt. Das Problem bei Bitcoin ist, dass das System momentan einigen technischen Herausforderungen gegenübersteht. Die Parallelen zur Dotcom-Blase sind unübersehbar: Alle investieren momentan, als wäre die Technologie schon fix fertig. Es ist aber nicht so, es kann sich noch vieles verändern. Natürlich gibt es das Risiko, dass Menschen sehr viel Geld verlieren. Negative Erfahrungen mit Bitcoin sorgen dann wiederum für eine negative Einstellung gegenüber der ganzen Blockchain-Technologie.
Aljosha Judmayer: Aber natürlich motiviert auch nichts so sehr wie die Aussicht auf Profit, sich mit der Technologie zu beschäftigen.
Stifter: Grundsätzlich funktioniert die Technologie, es ist aber circa so, als würde man versuchen, im frühen Internet einen HD-Film zu streamen und dann enttäuscht wäre, wenn es nicht funktioniert. Eines Tages wird es funktionieren. Es wird viel geforscht, auch von uns. Es ist eine spannende Zeit im Moment.
profil: Zu Jahresbeginn stand der Wert des Bitcoin bei unter 1.000 Euro, nach extremen Schwankungen gerade bei über 14.000, immer mehr Menschen interessieren sich für die Kryptowährung. Werden wir bald alle mit Bitcoins bezahlen?
Stifter: Das ist schwer zu sagen. Im Moment zeigt sich, dass es schwierig ist, die Basis-Technologie effektiv "upzugraden", um beispielsweise die Transaktionsrate zu erhöhen. Die zugrunde liegenden Regeln im System werden nicht durch Mathematik bestimmt, sondern dadurch, dass sich eine überwiegende Mehrheit an das gleiche Protokoll hält. Es spricht zum Beispiel technisch nichts dagegen, die auf insgesamt 21 Millionen Bitcoins limitierte Anzahl an Münzen zu erhöhen oder den Transaktionsdurchsatz durch Vergrößern der "Blöcke" zu verbessern. Die Mehrheit der User im System will das jedoch nicht und somit gelten diese Regeln, zumindest aus momentaner Sicht, als fixiert.
Irgendwann werden wir individuell jenes Währungssystem wählen, das uns ideologisch und technisch am meisten zusagt
profil: Werden andere Kryptowährungen, wie Ethereum, Bitcoin irgendwann ersetzen?
Stifter: Es ist illusorisch zu glauben, dass es nur eine Kryptowährung geben wird. Es zeichnet sich schon jetzt eine Pluralität von Blockchain-Technologien ab, die teilweise ganz unterschiedliche Ziele haben. Irgendwann werden wir vielleicht sogar alle individuell jenes Währungssystem wählen, das uns ideologisch und technisch am meisten zusagt und dann mit den anderen Währungssystemen interagieren.
profil:Wie lange wird es dauern, bis die Politik hier regulierend eingreift?
Judmayer: Es gibt quer über die Welt verstreut Versuche, Kryptowährungen zu regulieren. China ist hier ein interessantes Beispiel. Auf der einen Seite sind die größten Bitcoin-Erzeuger (Miner) in China und auf der anderen Seite gibt es sehr starke Restriktionen für den Handel mit Bitcoins. Japan ist hier progressiver. Es gibt weltweit verschiedene Ansätze und noch keine wirklich klare Linie.
Stifter: Die Technologie wird auch noch nicht so gut verstanden, dass man jetzt abschätzen könnte, wie sie sich auf Dauer auswirkt. Unser Regelsystem, unsere Vorstellungen von Währung sind noch nicht fortgeschritten genug, um dieses System in seiner Gesamtheit abzubilden und zu reglementieren. Bitcoin gibt es noch keine zehn Jahre und die Blockchain-Technologie entwickelt sich momentan extrem schnell weiter.
Die Blockchain-Technologie ist zwar innovativ, aber keine Eier legende Wollmilchsau
profil:Wie weit ist die Entwicklung in Österreich?
Judmayer: Eine gut vernetzte Bitcoin-Community gibt es schon länger in Österreich. Es tut sich mittlerweile einiges. Wir haben insofern einen kleinen Standortvorteil gegenüber Deutschland, weil die Regularien etwas offener sind. Das hat Start-ups und Organisationen Raum gelassen, sich zu etablieren. Wir forschen schon seit einigen Jahren in dem Bereich und betreuen in Kooperation mit der Technischen Universität Wien die erste Lehrveranstaltung speziell zum Thema Kryptowährungen. So entmystifizieren wir auch das Thema und zeigen auf, dass die Blockchain-Technologie zwar innovativ aber keine Eier legende Wollmilchsau ist.
profil: Die Blockchain-Technolgie ermöglicht eine Einigung vieler Menschen auf einen gemeinsamen Nenner. Hat das demokratisches Potenzial? Wie demokratisch ist die Blockchain?
Stifter: Das System ist eigentlich nicht für demokratische Prozesse ausgelegt, sondern zielt darauf ab, ein Regelwerk korrekt umzusetzen, selbst wenn ein Bruchteil der Teilnehmer versuchen gegen diese Regeln zu verstoßen. Ich sehe demokratisches Potenzial vor allem bei der Attestierung und Manipulationssicherheit von Daten, die in Blockchains geschrieben werden. So lässt sich leicht nachvollziehen ob Aussagen nachträglich geändert oder manipuliert wurden. Konzepte wie Wahlen auf der Blockchain sind meines Erachtens jedoch ein heikles Thema, weil hier eine Gewährleistung von Anonymität und Sicherheit noch viele technische Fragen offen lässt.
profil: Eine Währung, die nicht gefälscht oder versteckt werden kann. Sind Kryptowährungen die Lösung für alle Schwarzgeld und Korruptionsprobleme?
Stifter: Aus technischer Sicht gibt es Kryptowährungen, die Transaktionen und deren Beträge effektiv verschleiern können und somit ein "Verstecken" ermöglichen. Bitcoin zählt jedoch – entgegen der oft gehörten Aussage Anonymität zu gewährleisten – prinzipiell nicht dazu. Eine Analyse der Transaktionen auf der Bitcoin-Blockchain ermöglichen oft erstaunliche Rückschlüsse. Komplette Transparenz ist hier in meinen Augen aber nicht wünschenswert, da Geldflüsse auch viel über das Privatleben preisgeben können.
Man stelle sich vor, was es bedeuten würde, wenn Daten wie oft man bei einer Apotheke, Trafik oder einem Fast-Food Laden einkauft, mit wenig Aufwand einsehbar wären, und diese Daten auch nachträglich nicht mehr gelöscht werden können. Insbesondere als Wissenschafter und Techniker sind wir hier gefragt Systeme zu entwickeln, die die Privatsphäre des/der Einzelnen schützen, während Aspekte wie ein korrektes Abführen von Steuern oder Transparenz gegenüber Ermittlungsbehörden dennoch möglich sind, ohne dabei gleich einen Überwachungsstaat zu erschaffen.
profil:Welche Blockchain-Anwendung wird in Zukunft am wichtigsten für uns sein?
Judmayer: Das wäre, als würde man fragen, welche Anwendung des Internets am wichtigsten ist. Es ist eher eine Basis-Technologie, auf die ich alles Mögliche aufsetzen kann. Überall dort, wo man die Integrität von Daten nachprüfen will, wird Blockchain wohl eine Rolle spielen.
Stifter: Fürs erste sind die Kryptowährungen wohl die spannendste und die bereits akzeptierteste Anwendung. Digitale Güter, wie etwa Ausrüstungsgegenstände in Online-Spielen, haben schon lange einen realen Gegenwert und langsam kommt das Umdenken in die breite Gesellschaft, ihnen auch einen solchen beizumessen.
Bis zu einem gewissen Grad kann die Blockchain dazu beitragen den Besitz oder Status digitaler Güter zu protokollieren und ihre Einzigartigkeit zu beweisen. Digitale Katzen, sogenannte CryptoKitties, sind beispielsweise momentan ein Hype in Ethereum und ihre Einzigartigkeit wird über die zugrunde liegende Blockchain garantiert.
Judmayer: Ein großes Thema für die Zukunft ist natürlich die Nutzerfreundlichkeit und die Sicherheit der Anwendungen. In einem Blockchain-System haben die User außerdem große Eigenverantwortung, da es niemanden gibt, der das ganze verwaltet. Verliere ich meinen privaten "Schlüssel" zum Erstellen von Transaktionen, dann habe ich keinen Zugriff mehr auf meine Bitcoins und sie sind für immer gesperrt.
profil:Ist Blockchain tatsächlich das "Next Big Thing"?
Stifter: Die Idee, nicht per se die der Blockchain, sondern die der dezentralisierten Systeme im Allgemeinen, also Systeme, in denen keine einzelne Instanz oder ein kleines Konsortium an Teilnehmern über den Zugang und Inhalt von Daten bestimmt, wird in der Zukunft sehr wichtig werden. Weil sie uns als Individuen in einer stark digitalisierten Welt auch die Möglichkeit gibt alternative Ansätze zu stark zentralisierten Diensten zu etablieren. Solche Systeme wären deutlich weniger anfällig auf Monopolbildung. Dezentrale Systeme haben natürlich auch negative Aspekte und werfen viele offene Fragen auf. Aber ich denke, es ist notwendig, dass wir solche Technologien in unserem Baukasten haben und Bitcoin beziehungsweise die Blockchain leisten hier einen ganz wesentlichen Beitrag.