Österreich, deine Produkte | Teil 23

Bootswerft Frauscher: „Die Mitbewerber sind Reitpferd und Sportauto“

Reden wir über Elektroboote: Stefan Frauscher von der gleichnamigen Bootswerft über künstlerische Designs, Geschwindigkeitsbeschränkungen und knallende Sektkorken.

Drucken

Schriftgröße

Bei Elektrobooten denkt man zumeist an die kleinen Schinakel, die man an vielen Seen mieten kann. Würden Sie sich so etwas ausleihen?
Frauscher
Jederzeit. Gerade wenn man auf ein neues Revier kommt, ist das die einfachste Art, einen See zu entdecken. Und wenn ich dann eines sehe, das vielleicht noch mein Vater oder Onkel in den 1970er-Jahren gebaut hat, freut mich das. Das letzte Mal habe ich mir vor etwa sieben Jahren am Neusiedler See so ein Boot ausgeborgt.
Waren das die Boote, mit denen Ihr Vater mit dem Bootsbau begonnen hat?
Frauscher
Begonnen mit dem Bootsbau hat schon mein Großvater. 1927 an der Alten Donau in Wien. Damals waren es Motor- und Segelboote; für die Olympischen Spiele 1936 hat er O-Jollen gebaut. In Wien wurde er jedoch ausgebombt und hat dann 1945 in Gmunden neu angefangen, das erste Elektroboot aus unserem Haus gab es zehn Jahre später. Die klassischen Miet-E-Boote sind in den 1970er-Jahren entstanden. Von denen haben wir sehr viele gebaut. Meine Eltern haben sich in ein Auto gesetzt, ein Boot auf dem Anhänger, und sind von Revier zu Revier gefahren – bis nach Ostfriesland hinauf. So haben sie den Markt erschlossen.
Bis zu den Statussymbolen, die Sie heute verkaufen, war das aber ein weiter Weg.
Frauscher
Mein Onkel und mein Vater haben schon in den 1990er-Jahren ein bisschen edlere Elektroboote gemacht. Aber das war immer ein Randprodukt, weil wir damals mit dem Bau der H-Boote fest im Segeln drin waren. Als meine Cousine Andrea, mein Bruder Michael und ich im Jahr 1998 den Betrieb übernommen haben, haben wir festgestellt, dass diese Segelboote kein Wachstumspotenzial haben. Da kam uns die Idee mit den E-Booten. Zuerst ist die 750 St. Tropez entstanden. Dann haben wir ein kleines Elektroboot gebaut, die 560er Valencia – edel, wie die Runabouts im Motorbootbereich.
Was sind Runabouts?
Frauscher
Sehr edle, klassische Motorboote, die hauptsächlich dazu dienen, dass man schick damit ausfährt. Im Stil wie die amerikanischen Hacker-Craft und Chris-Craft oder Riva in Italien. Wir haben solche Boote mit moderner Technik gebaut, und das hat eigentlich sofort super eingeschlagen.

Stefan Frauscher, 56

trat 1996 in das Unternehmen ein. Zwei Jahre später übernahm er gemeinsam mit seinem Bruder Michael und seiner Cousine Andrea die Geschäftsführung. Frauscher kennt sich nicht nur mit motorbetriebenen Booten aus: 2002 gewann er die Segelweltmeisterschaft im H-Boot.

Frauscher-Boote sind bekannt für ihr elegantes Design. Wer entwirft das?
Frauscher
Die ersten Boote haben wir fast ausschließlich im Haus gemacht. Mit meinem Cousin Thomas Gerzer haben wir einen begnadeten Entwickler. Wir arbeiten aber auch immer wieder mit sehr bekannten Designern wie Stephan Everwin oder Gerald Kiska, der auch viel für KTM macht. Ein Boot entsteht jedoch nicht am Reißbrett. Mein Bruder und ich bringen unsere Vorstellungen stark ein, und dann gehen zig Entwürfe hin und her. Die Kunst liegt darin, dass man es so entwirft, dass es gut zu bauen ist – zeitlich und ökonomisch. Es muss sich den nautischen Gegebenheiten anpassen können, damit der Bootsfahrer zufrieden ist. Aber auch der Designer, der ja Künstler ist und einen anderen Anspruch hat. Da kracht es auch manchmal, wenn die Vorstellungen zu weit auseinandergehen. Manchmal kommt es auch vor, dass sich der Künstler etwas ausdenkt, was bootsbauerisch nicht umsetzbar ist. Das ist ein Abstimmungsprozess, der immer sehr spannend ist. Wenn das Baby dann fertig und das erste Mal im Wasser ist, knallen die Sektkorken.
Während andere jetzt vom Verbrenner- auf den Elektromotor umsteigen, ist Frauscher den umgekehrten Weg gegangen und produziert nun auch Motorboote. Warum?
Frauscher
In den 1930er- und später in den 1960er-Jahren haben wir auch Motorboote gebaut. Der Umstieg auf Elektroboote war zum einen dem Vermietbereich geschuldet, zum anderen hat der Gesetzgeber auf unseren Seen im Juli und August das Motorbootfahren verboten. Da waren wir vehement betroffen. Für manche Reviere ist einfach das Elektroboot das bessere Boot, für andere der Verbrenner. Wir versuchen, in beiden Bereichen durch neue Technik und Innovationen die Nase vorn zu haben. Im Oktober werden wir gemeinsam mit Porsche ein Boot auf den Markt bringen. Da verwenden wir die Technik des neuen Elektro-Macan, der erst 2024 als Auto auf den Markt kommt.
Ist im Zuge der Klimakrise die Nachfrage nach Elektrobooten gestiegen?
Frauscher
Das ist revierabhängig, aber man sieht, dass die Investitionen in Elektromobilität deutlich steigen. Wir glauben, dass das „Frauscher x Porsche“-Boot auch als Tender (Anm.: Beiboot) für Superyachten interessant wird – das wäre dann erstmalig ein Einsatz am Meer. Denn ein Elektroboot ist nicht mit einem Elektroauto vergleichbar. Im Bootsbereich haben wir einen hohen Energiebedarf, und dadurch sind die Reichweiten mit denen eines Verbrenners nicht vergleichbar.
Wie weit kommt man mit Ihren Elektrobooten?
Frauscher
Man kann den ganzen Tag problemlos am Wasser verbringen, aber nicht ständig mit Höchstgeschwindigkeit fahren. Über den Bordcomputer bekommt man genaue Informationen über die jeweilige Reichweite. Man braucht also keine Angst haben, liegen zu bleiben. Auf den heimischen Seen sehen wir die Zukunft auf jeden Fall in der Elektromobilität.
Welches Ihrer Boote verkauft sich am besten?
Frauscher
Das ist die 650 Alassio.
Was macht sie so begehrt?
Frauscher
Sie hat eine Größe, die für unsere Seen, auch was den Liegeplatz betrifft, perfekt passt. Man kann zu sechst mit ihr ausfahren. Sie ist recht einfach in der Bedienung, es gibt verschiedene Geschwindigkeiten von relativ langsam bis in die Gleitfahrt kommend. Damit deckt man ein sehr großes Spektrum ab.
Wie schnell geht so ein Boot?
Frauscher
Bei einer stärkeren Motorisierung circa 35 km/h.
Gibt es am See Geschwindigkeitsbegrenzungen?
Frauscher
Gibt es, aber das ist auch revierabhängig. Bei sehr vielen Seen ist ein 50-km/h-Limit eingeführt.
Benötigt man für so ein Boot einen Führerschein?
Frauscher
Es kommt darauf an, wie stark der Motor ist. Bis 4,3 kW braucht man keinen, darüber schon.

Die Investitionen in Elektromobilität steigen auch im Bootsbereich deutlich. Besonders auf den heimischen Seen ist das die Zukunft.

Stefan Frauscher

Wie umweltverträglich sind Ihre Boote?
Frauscher
Wir bemühen uns, so umweltfreundlich wie möglich zu sein. Elektroboote sind ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, aber in puncto Umweltfreundlichkeit noch kein Nonplusultra. Wir sind stolz, einen Großteil unserer Materialien in einem Umkreis von 20 Kilometer zu beziehen. Aber zu behaupten, wir wären CO2-neutral, wäre Greenwashing.
Braucht man bei Elektrobooten andere Motoren oder Batterien als bei Elektroautos?
Frauscher
Der Anspruch ist schon ein anderer. Ein Boot ist durch das Wasser und die dauernde Belastung durch die Wellen ganz anderen Gegebenheiten ausgesetzt. Man kann das System nicht eins zu eins überstülpen – das sehen wir jetzt gerade bei dem Porsche-Projekt. Obwohl wir die gleiche Batterie und den gleichen Motor im Grundgerüst haben, ist der Entwicklungsaufwand trotzdem ein erheblicher.
Und woher beziehen Sie die Motoren und Batterien sonst?
Frauscher
Zum Beispiel von der Vorarlberger Firma Kräutler, die Motoren liefert. Wir arbeiten auch mit dem Starnberger Unternehmen Torqeedo zusammen, welches die Batterien von BMW verwendet.
Hat sich in den vergangenen Jahren, was Produktionsverfahren und Materialien betrifft, viel geändert, oder ist es beim traditionellen Handwerk geblieben?
Frauscher
Das Bootsbau-Handwerk hat sich nicht wesentlich verändert. Aber als wir vor zehn Jahren die neue Werft gebaut haben, haben wir im Zuge dessen auch alle Produktionsprozesse neu gedacht. Früher haben wir in Kleinserien gebaut, jetzt ist jedes Boot ein Projekt. Erst der Eingang der Anzahlung löst den Bestellvorgang aus. Diese Just-in-time-Produktion hat auch in der Coronazeit funktioniert, weil unsere Lieferanten alle regional sind. Wir sind stolz darauf, dass die Wertschöpfung zu großen Teilen in Oberösterreich stattfindet. Der Polsterer kommt aus dem Nachbarort, ebenso wie der Tischler und der Metaller. Die Rümpfe werden in Tirol gemacht. In der Werft werden die einzelnen Komponenten zusammengebaut. Aufgrund der regionalen Lieferanten haben wir diese Probleme im Zuliefererbereich nur abgeschwächt gespürt.
Wie lange dauert es, bis man das Boot bekommt?
Frauscher
Das geht von vier Monaten beim kleinsten Boot bis zu acht, neun Monaten bei den größeren. Wenn viele in der Pipeline sind, kann es sein, dass man auch eineinhalb Jahre auf ein Boot warten muss.
Welche Innovationen sind bei Ihren Booten noch denkbar?
Frauscher
Wir geben nie Ruhe und denken jetzt schon wieder über neue Produkte nach. Stillstand ist fatal. Wenn man sich auf irgendetwas ausruht, kriegt man relativ rasch die Rechnung präsentiert. Und obwohl wir ein kleiner Betrieb sind, bemühen wir uns, mindestens ein neues Modell pro Jahr auf den Markt zu bringen.

Frauscher Bootswerft

1927 von Engelbert Frauscher als Bootsbauunternehmen in Wien gegründet, entwickelte sich die Frauscher Bootswerft GmbH & Co KG mit der dritten Generation  zu einem Unternehmen mit internationaler Strahlkraft. Im oberösterreichischen Ohlsdorf – 15 Kilometer vom Traunsee entfernt – werden jährlich mit 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwa 85 Boote gebaut. Mit dem derzeit laufenden Ausbau der Werft will man künftig 100 Boote pro Jahr herstellen. Frauscher erzielt einen Jahresumsatz von 25 Millionen Euro. Das kleinste Elektroboot ist ab rund 60.000 Euro zu haben, große Motorboote können sich mit über einer Million Euro zu Buche schlagen.

Arbeitskräftemangel ist kein Thema?
Frauscher
Wir suchen schon immer wieder Mitarbeiter. Aber wir bilden auch neun Lehrlinge zu Bootsbauern aus und versuchen, jedes Jahr drei oder vier aufzunehmen. Viele von ihnen bleiben. Qualifiziertes Personal zu finden ist trotzdem nicht einfach. Wir beschäftigen Tischler, Schlosser, Elektriker, die dann oft zusätzlich den Gesellen im Bootsbau machen. Das ist eine sehr gute Berufsausbildung, weil man bekommt was von Motoren, Elektro, Kunststoff- und Holzverarbeitung mit. Wenn man diese Ausbildung abgeschlossen hat, ist man ein vielseitiger Handwerker, der auch in anderen Bereichen viele Möglichkeiten hat. Die Boote werden im Team gebaut, das ist also keine Fließbandarbeit, sondern eine sehr spannende und abwechslungsreiche. Und weil unser Produkt so eine Strahlkraft hat, tun wir uns trotzdem leichter als viele andere Branchen.
Die Werft hier, das ist ungewöhnlich, ist relativ weit weg vom See. Ich nehme an, weil dort nicht die benötigten Flächen zur Verfügung standen?
Frauscher
Ja, genau. Aber wir haben hier ein Testbecken, deshalb müssen wir nicht direkt am See sein. Als wir mit den Motorbooten angefangen haben, hat es geheißen: Ein Bootsbauer mitten in den Bergen? Können die das überhaupt? In Österreich kauft man Schnaps oder Bier, aber doch keine Boote. Das war ein Anreiz für unsere Niederlassungen am Meer, um zu zeigen, dass sie auch dort einsatzfähig sind. Jetzt haben wir drei Auslandstöchter – in Spanien, Frankreich und den USA – über die wir diese Märkte bearbeiten.
Und wer ist die direkte Konkurrenz?
Frauscher
Ein guter Freund hat mir dieselbe Frage gestellt, und ich habe angefangen, irgendwelche Bootsmarken aufzuzählen. Er meinte: „Du kennst dich nicht aus. Deine Mitbewerber sind der Swimmingpool, das Reitpferd, das Sportauto.“ Es ist ein gewisses Geld für solche Dinge vorhanden. Und wenn es für Boote ausgegeben wird, ist das super.
Wie oft geht man als Bootsbauer noch Bootfahren?
Frauscher
Ich bin beruflich natürlich sehr viel am Boot. Und wir haben selbst am Traunsee eine 650 Alassio liegen. Die verwenden ich und meine Familie, wann immer möglich. Auch meinen Urlaub verbringe ich sehr oft auf Booten.
Wird man dem nicht überdrüssig?
Frauscher
Niemals. Ich gehe zwar auch gern wandern, aber zu lange ohne Wasser ist nix für mich.
Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.