Brexit: Auf diese sechs Punkte müssen EU-Unternehmen achten
Sämtliche EU-Regeln werden sprichwörtlich über Nacht ungültig. „Das gesamte Primär- und Sekundärrecht der Union gilt ab 30. März 2019 nicht mehr für das Vereinigte Königreich“, formuliert es Jean-Claude Junckers Brüsseler EU-Kommission in einer aktuellen Mitteilung.
Es gibt nur wenige Alternativen zu diesem Szenario. Eher unrealistisch wäre, dass London noch ein zweites Brexit-Referendum ansetzt. Oder aber – eher möglich, und dennoch zunehmend unwahrscheinlich: Es gelingt in Bälde ein Austrittsabkommen zwischen der EU und Britannien. In diesem Fall könnten beispielsweise in vielen Bereichen Übergangsfristen bis 2021 eingezogen werden. Doch derzeit sieht es nicht danach aus, als könne man sich auf einen solchen Vertrag einigen – dazu ist die Verhandlungslinie von Theresa Mays konservativer Regierung in London zu wankelmütig.
Zu rechnen ist also mit einem sogenannten harten Brexit. Was konkret würde das bedeuten?
In Großbritannien gehen die Einschätzungen darüber weit auseinander. Manche fürchten das Schlimmste. Doug Gurr etwa, England-Chef des US-Online-Konzerns Amazon, warnt Mays Regierung gar vor „Bürgerunruhen“ und Versorgungsengpässen, auch im Lebensmittelsektor – immerhin importiert London (noch) viel Essbares vom Kontinent. Andere bleiben gelassener: Der bekannte britische Wirtschaftshistoriker Robert Skidelsky meint, die Regierung verfüge über Möglichkeiten, die befürchtete ökonomische Katastrophe abzufedern: „Der Verlust der etablierten EU-Regeln könnte ausgeglichen werden durch Großbritanniens wiedergewonnene Möglichkeit, in fiskalischer und industriepolitischer Hinsicht eigene Wege zu entdecken.“
Und auf dem Kontinent? Auch abseits der Insel könnten manch Wirtschaftstreibende ein böses Erwachen erleben, sofern sie über Geschäftskontakte nach Großbritannien verfügen. Die EU-Kommission hat deshalb einen Leitfaden veröffentlicht, worauf Unternehmen der verbleibenden EU-27 angesichts des bevorstehenden Brexits unbedingt achten sollen. Das Dokument vermittelt einen Eindruck, auf welch einschneidendes Ereignis sich Europa da zubewegt.
1) Riss in der Lieferkette
Wenn Unternehmen bestimmte Waren aus Großbritannien importieren, um diese in der restlichen EU als Komponente ihrer eigenen Produkte weiterzuwenden, ist Vorsicht geboten: Die Gesetze, unter denen diese bisher eingeführt wurden, werden größtenteils nicht mehr gelten.
2) Unzertifizierte Zertifikate
Für die EU als Ganzes gilt eine Vielzahl von Zertifikaten und Lizenzen – zum Beispiel im Automobil-, Pharma-, Transport- und Finanzsektor. All dies darf man bald nicht mehr auf britische Produkte und Dienstleistungen anwenden. Wenn also Unternehmen mit Waren handeln, die in Großbritannien zertifiziert sind, sollten sie sich deshalb schnell ein neues Zertifikat aus einem anderen EU-Staat besorgen – oder sich auf langwierige Neu-Zertifizierungsprozedere gefasst machen.
3) Auf gute Gesundheit
Aus Sanitär-, Sicherheits- und Umweltschutzgründen verbietet die EU die Einfuhr zahlreicher sensibler Produkte aus Drittstaaten – und damit künftig auch aus Großbritannien. Dazu zählen tierische und pflanzliche Produkte, Verpackungsmaterial auf pflanzlicher Basis wie Holz, bestimmte Rohstoffe und lebende Tiere und Pflanzen.
4) Etwas zu verzollen?
Auf Produkte, die aus Großbritannien importiert werden, sind ab dem Brexit Zölle fällig. Zudem gelten andere Regeln in Bezug auf die Umsatzsteuer.
5) Wirklich nichts zu verzollen?
Auch bei Importen aus Drittstaaten gibt es derzeit mitunter vergünstigte Zoll- und Einfuhrbestimmungen – und zwar dann, wenn das Produkt zuvor schon einmal in der EU verarbeitet worden ist. Im Fall Großbritanniens jedoch wird bei jedem Produkt aufs Neue zu prüfen sein, ob diese Zollprivilegien für Drittstaaten tatsächlich anwendbar sind.
6) Daten los
Persönliche Daten, zum Beispiel von Internet-Nutzern, dürfen bisher frei alle Grenzen innerhalb der EU überqueren – allerdings sind die Bedingungen extrem strikt, unter denen sie darüber hinaus an Unternehmen in Drittstaaten übermittelt werden dürfen. Wer also derzeit etwa Kundendaten in Großbritannien sammeln oder auswerten lässt, sollte sich Alternativen überlegen.