In Eisenstadt am Sitz der Burgenland Energie liegt schon ein Entwurf vor, im Sommer möchte Vorstand Stephan Sharma mit den ersten Ausschreibungen starten. Der Standort Zurndorf ist kein Zufall. Hier entstand in den 1990er-Jahren der erste burgenländische Windpark, mittlerweile sorgen Windräder der neusten Generation in Kombination mit Photovoltaikanlagen für viel grünen Strom. Das Burgenland will bis 2030 – zehn Jahre vor dem Rest des Landes – klimaneutral werden. Die Nähe des Nordburgenlands zu Schwechat und Wien ergibt auch strategisch Sinn. Der Wasserstoff könne für Industrie und Fernwärme verwendet werden. „Es sollte uns einen Feldbrunnen wert sein, von Russland energieunabhängig zu werden“, sagt Sharma. Es sei sinnvoller, ihn hier zu erzeugen, als sich vom nächsten autoritären Regime abhängig zu machen, wie den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Bundesregierung unterschrieb bereits vor eineinhalb Jahren ein Memorandum of Understanding mit dem Wüstenemirat.
Klimawandel gefährdet Klimawendeprojekt
Die Fabrik soll einige Kilometer vom Ortszentrum Zurndorf entfernt entstehen, wo genau, wird allerdings noch verhandelt. Werner Falb-Meixner steht auf einem der Felder, die dafür infrage kommen. Die Windräder hinter ihm drehen sich, daneben braust die Autobahn vorbei. Falb-Meixner ist einer der Biobauern der Gemeinde, Obmann des Bauernbundes und war vor rund 15 Jahren selbst Bürgermeister. Der letzte Sommer sitzt ihm noch im Nacken. Bei einigen Brunnen in der Region wäre fast ein Bewässerungsverbot erteilt worden. Mittlerweile hat der Neusiedler See zwar wieder an Wasser zugelegt, doch in Zurndorf weist der nationale Pegelmessplan (eHYD) noch immer ein rotes Fenster auf – was sehr niedriger Pegelstand bedeutet. „Am Anfang geht es nicht um viel Wasser, aber ich denke an den Endausbau. Da wird es sehr wohl Nutzungskonflikte geben. Die Burgenland Energie spielt das herunter“, erklärt er.
Einige Minuten vom Waschbetonbau der Burgenland Energie in Eisenstadt entfernt sitzt der Wasserleitungsverband nördliches Burgenland, der die Region mit Trinkwasser versorgt. Der technische Leiter Helmut Herlicska blickt auf den Plan der Wasserleitungen rund um den Neusiedler See. Für das Projekt stehe mehr als ein möglicher Brunnen zur Verfügung. Das Wasser dort sei sehr hart und nicht zum Trinken geeignet. Ob es eine Umweltverträglichkeitsprüfung brauche, sei noch nicht sicher, heißt es vom Land Burgenland.
Umstrittene Bewässerung
Gibt es nun also zu wenig Wasser oder nicht? Tatsächlich ist das Wasser in der Region knapp, heißt es von Experten. Durch die Klimakrise verschärft sich die Situation zusehends. Jeder Großverbraucher, der dazukommt, stellt somit eine Belastung dar. In einer früheren Presseausendung des Wasserleitungsverbands nördliches Burgenland hieß es etwa auch, dass der Wasserverbrauch existierender Großverbraucher in der Region, wie von Coca-Cola und vom Outlet Center Parndorf, in den letzten Jahren deutlich anstieg.
„Die Wasserstoffproduktion verbraucht Wasser, aber im Verhältnis zu anderen Verbrauchern ist es nicht übermäßig viel“, sagt Herlicska. Diese anderen Verbraucher sind vor allem: die Landwirtinnen und Landwirte. Im Raum Seewinkel dürfen Bauern 23 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr aus den Feldbrunnen entnehmen, die Wasserstoffproduktion verbrauche 700.000 Kubikmeter in der endgültigen Ausbaustufe, prognostiziert die Burgenland Energie ( 250.000 in der 1. Ausbaustufe).
Als im Sommer 2022 Österreich gebannt auf den Pegelstand des Neusiedler Sees blickte, polterte SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil: „Ich sehe nicht ein, dass rund um die Uhr Weizen und Mais bewässert werden.“ Etwas diplomatischer drückt es Herlicska vom Wasserleitungsverband aus: „Die Ostregion ist die Trockenregion Österreichs, und in den nächsten Jahren ist mit einer weitaus stärkeren Bewässerung zu rechnen. Es ist sicherlich zu überlegen, was anzubauen ist und was nicht. Was ist unsere Priorität?“
Bisher wird bei einzelnen Brunnen nicht genau gemessen, wie viel Wasser tatsächlich entnommen wird. Ein eben veröffentlichter Bericht des Rechnungshofs zum Thema Klimakrise und Wasserwirtschaft in Niederösterreich legt genau das nahe. Im Burgenland ist die Situation ähnlich – es ist relativ trocken und wird landwirtschaftlich intensiv genutzt. Der Rechnungshof empfiehlt in solchen Situationen, den Verbrauch genau zu messen und ein digitales Melderegister zu errichten. Ein wasserwirtschaftliches Regionalprogramm soll Nutzungskonflikte verhindern und die Ressourcen vorausschauend verteilen.
Warten auf das Wasserstoffgesetz
Ein Prestigeprojekt kommt nicht ganz ohne Politik aus. Für die Landesregierung in Eisenstadt, die sich mit dem Erneuerbaren-Ausbau schmückt, ist das Projekt wichtig. Auch dort wird in einem Jahr gewählt. Die Kritik des ÖVP-Bauernbunds ist also durchaus politisch zu verstehen.
Auf Bundesebene spricht die Volkspartei wiederum sehr gerne über das „Zukunftsthema Wasserstoff“. Im Sommer 2022 haben ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher und die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler eine Wasserstoffstrategie präsentiert. Das Ziel lautet: ein Gigawatt bis 2030. Derzeit sind 15 Megawatt in Funktion, 130 in Vorbereitung. Damit der Ausbau wirklich in die Gänge kommt, brauche es vor allem das Wasserstofffördergesetz, heißt es aus der Branche. Denn derzeit seien die Kosten ohne Anschubfinanzierung sehr hoch. „In Deutschland wird bereits an einem Wasserstoffprojekt gebaut, das zur selben Zeit wie wir mit der Planung begonnen hat. Deutschland ist hier regulatorisch weiter“, sagt Stephan Sharma von Burgenland Energie. Aus dem Klimaschutzministerium heißt es, das Gesetz befinde sich derzeit in politischer Abstimmung mit dem Koalitionspartner. „Wir sind der festen Überzeugung, dass eine rasche Umsetzung in den kommenden Wochen möglich und notwendig ist.“
Besonders wichtig für das burgenländische Projekt ist die verbindende Pipeline nach Schwechat und Wien. Dafür müssten bestehende Gasleitungen für Wasserstoff umgerüstet werden, ein Teil neu errichtet werden. Diese sind bereits im Netzinfrastrukturplan aufgelistet, für den tatsächlichen Bau fehlt noch der rechtliche Rahmen. Auch dieser befinde sich gerade in Koordinierung, heißt es aus dem Klimaministerium.
Bis in Zurndorf wirklich Wasserstoff entsteht, fließt noch einiges Wasser von der Wulka in den Neusiedler See. Fakt ist aber, Nutzungskonflikte wie diese werden in den nächsten Jahren mehr werden, vor allem in den trockenen Regionen in Ostösterreich. Wie gehen wir als Gesellschaft damit um? Was geben wir Priorität? Klare Wasserwirtschaftspläne und Messungen sind ein wichtiger Schritt, genauso wie angepasste Kulturen in der Landwirtschaft. Wenn den Bauern nur gesagt wird, sie sollen weniger bewässern und Formulare zum Wasserstand ausfüllen, blockieren sie womöglich auch hierzulande bald mit Traktoren die Straßen. Zurück am Acker in Zurndorf bekennt Falb-Meixner etwas kleinlaut ein: Schon einmal seien Projektpläne wegen Wassermangels verworfen worden. „Ich wollte damals als Bürgermeister einen Golfplatz bauen. Da hat es auch geheißen, es gibt zu wenig Wasser.“