Casinos-Austria-Boss Karl Stoss: Schwerwiegende Fehler
Interview: Michael Nikbakhsh
Die Würfel sind gefallen vorerst. Ende Juni vergab das Finanzministerium drei neue Konzessionen für den Betrieb von Casinos in Ostösterreich: zwei gingen an die Novomatic-Gruppe (Wiener Prater und Bruck an der Leitha), eine an das deutsch-schweizerische Gauselmann-Konsortium (Palais Schwarzenberg, Wien). Die Casinos Austria AG, die sich um alle drei Lizenzen beworben hatte, fiel ebenso durch wie die Gruppe Tojner/Century Casinos mit ihrem Projekt im Wiener Hotel Intercontinental. Die Geschichte hat ein rechtliches Nachspiel: Casinos-Austria-Vorstandschef Karl Stoss will das Bundesverwaltungsgericht anrufen. Und legt sich damit letztlich auch mit einem der Eigentümer an. Ein Drittel des Unternehmens wird von der Münze Österreich kontrolliert, die der Oesterreichischen Nationalbank gehört, die wiederum dem Finanzministerium unterstellt ist.
profil: Herr Generaldirektor, Sie haben sich vom Aufsichtsrat das Pouvoir geholt, gegebenenfalls alle drei neuen Bescheide vor dem Bundesverwaltungsgericht anzufechten. Werden Sie?
Karl Stoss: Das ist doch eine sehr komplexe Thematik. Es gilt über 800 Seiten der Bescheide und rund 40.000 Seiten Eingaben für die Bewerbungen genau zu analysieren. Das benötigt noch etwas Zeit, dann werden wir uns definitiv entscheiden. Aber nach heutigem Wissensstand werden wir sicher Beschwerde einlegen.
profil: Mit welcher Begründung?
Stoss: Wir haben eine Menge Hinweise und Fakten, dass hier eine ganze Reihe von schwerwiegenden Fehlern begangen wurde, und dass, ganz generell gesprochen, bei den Bewertungen eindeutig mit unterschiedlichem Maß gemessen wurde.
profil: Bei der Konzessionsvergabe an Novomatic und das deutsch-schweizerische Gauselmann-Konsortium wurde demnach gemauschelt?
Stoss: Das kann ich nicht bestätigen. Eigenartig ist nur, dass rund drei Wochen vor der Entscheidung eine österreichische Tageszeitung, die auch am Tag vor der Zustellung der Bescheide gut informiert war, verkündet hatte, dass wir bezüglich aller drei Konzessionen erstgereiht waren.
profil: Was versprechen Sie sich von einer Anfechtung?
Stoss: Wir legen Beschwerde ein, weil wir an den Rechtsstaat Österreich glauben und eine Überprüfung der Entscheidungen durch ein unabhängiges Gericht wollen.
profil: Anders gefragt: Sie wollen auf dem Rechtsweg zusätzliche Konzessionen erstreiten?
Stoss: Wir wollen, dass es volle Transparenz und eine auf Fakten basierende Entscheidung gibt. Und falls wir, wie kolportiert wurde, die beste Bewertung erhalten, sollen wir auch Konzessionen erhalten.
profil: Geht es Ihnen am Ende nur um die Festigung eines Quasi-Monopols?
Stoss: Casinos Austria ist ein extrem verlässlicher, hoch qualitativer Anbieter von Glücksspielen. Dass der österreichische Glücksspielmarkt schon lange kein Monopol mehr ist, wird bestätigt, wenn sie etwa in Wien durch bestimmte Straßenzüge gehen und zunehmend illegale Betreiber feststellen müssen.
profil: Das ist aber nicht unbedingt der Markt, auf welchem die Casinos Austria AG sich bewegt. Was würde beispielsweise die Eröffnung eines legalen Konkurrenzcasinos im Wiener Palais Schwarzenberg für Ihren Standort in der Kärntner Straße bedeuten?
Stoss: Wir fürchten keinen Wettbewerb, solange er mit gleich langen Spießen stattfindet. Es wäre zweifellos zusätzliche Konkurrenz. Wie stark diese ausfällt, darüber könnte man nun unzählige Charts zeichnen, und es wäre vermutlich trotzdem Kaffeesudleserei.
profil: Sind die Casinos Austria im österreichischen Spielbankengeschäft konkurrenzfähig?
Stoss: Selbstverständlich sind wir das. Wir wissen um unsere Stärken, vor allem im Lebendspiel bei Roulette, Poker & Co. Wir haben top ausgebildete Croupiers, haben erst im Vorjahr wieder 800 Bewerber auf Herz und Nieren geprüft, bis wir am Ende 40 neue Kolleginnen und Kollegen begrüßen konnten. Das Casino Wien hat auch viele Stammgäste, die nicht einfach so abwandern würden.
profil: Sie können mit dem Geschäftsverlauf der zwölf Standorte in Österreich insgesamt nicht zufrieden sein. Einem Umsatz von 254 Millionen Euro entsprang 2013 ein Betriebsergebnis von nicht einmal fünf Millionen Euro. Würde jeder neue Standort im Lande die Probleme nicht bloß vergrößern?
Stoss: Das hängt nicht ausschließlich von der Anzahl der Vollcasinos als vielmehr von der Gesamtausgestaltung des Marktes, ab. Führen Sie sich doch vor Augen, dass wir in Österreich lange Jahre fast 20.000 Automaten hatten, von denen kaum 8000 legal waren. Daran hat sich zuletzt durch die Sonderkommission Glücksspiel zwar einiges gebessert, aber wirkliche Kohärenz haben wir noch lange nicht. In jedem Sport wird penibel darauf geachtet, dass alle die gleichen Rahmenbedingungen haben, und das sollte einfach auch fürs Glücksspiel gelten, dann ist das Match fair und die Zahlen stimmen. Und Sie dürfen auch nicht vergessen, wir führen allein mit unseren zwölf österreichischen Casinos jährlich rund 100 Millionen Euro an Steuern ab.
profil: Unter dem Strich schrieb der Konzern 2013 Verluste, was zu einem nicht unerheblichen Teil auf die Probleme mit dem Argentinien-Engagement zurückzuführen war. Die lokale Beteiligung Enjasa soll es mit den Geldwäschebestimmungen nicht so ernst genommen haben, die Lizenz wurde von argentinischen Behörden eingezogen. Der Wertberichtigungsbedarf lag allein hier bei 45 Millionen Euro. Wer trägt dafür die Verantwortung?
Stoss: Das muss man ganz klar relativieren. Wir haben Geldwäsche in keiner Weise begünstigt. Worum es ging, sind Formalitäten bei der Dokumentation von ¬Gewinnauszahlungen. In Argentinien müssen Glücksspielgewinne ab 10.000 Pesos (Anm.: umgerechnet rund 1200 Euro) in Scheckform ausgezahlt werden. Das wurde auch penibel gemacht. Diese Scheckauszahlungen müssen dann auch aufgezeichnet werden. Bei zigtausenden Transaktionen ist das offenbar in ein paar Einzelfällen mit sehr geringen Auszahlungsbeträgen nicht hinreichend erfolgt. Als wir davon Kenntnis erhalten haben, wurden sofort alle Maßnahmen ergriffen, auch mit personellen Konsequenzen vor Ort. Wir haben unsere Verantwortung also bestmöglich wahrgenommen und uns nichts vorzuwerfen.
profil: Das Auslandsgeschäft läuft insgesamt zäh. Zuletzt zogen sich die Casinos auch aus Großbritannien, Rumänien und Australien zurück. Die deutschen Standorte werfen keine nennenswerten Gewinne ab, Belgien schrieb 2013 noch Verluste. Wie ist das zu erklären?
Stoss: Das hängt vor allem damit zusammen, dass das Glücksspiel, vor allem das Casinogeschäft, ganz klar zyklisch ist. Eine lang anhaltende Krise oder gar Rezession führt dazu, dass die Menschen weniger spielen. Zudem hatten wir das Pech, dass einige unserer Operations in Regionen angesiedelt sind, die zuletzt zu Krisenherden wurden. Wir haben aber bereits Maßnahmen ergriffen, manches verkauft, anderes restrukturiert und sind jetzt auf gutem Weg in Richtung schwarzer Zahlen. Wir sind auch nach wie vor in Argentinien tätig, beseitigen mit tausenden Mitarbeitern Altlasten und wachsen daneben mit neuen Projekten.
profil: Die OeNB-Tochter Münze Österreich will sich von ihrem Drittelanteil an der Casag trennen. Die ÖIAG wird immer wieder als Käufer genannt. Die Staatsholding definiert sich als Privatisierungsagentur. Was heißt das für die Zukunft der Casinos Austria?
Stoss: Ich bitte um Verständnis, dass ich Eigentümerfragen nicht kommentieren kann und will. Nur so viel: Ich bin mit der derzeitigen Eigentümerstruktur sehr zufrieden und würde auch eine ÖIAG als Kernaktionär nicht als Verschlechterung empfinden.
profil: Sie sollen eigenmächtig Verkaufsverhandlungen mit zumindest einem potenziellen Investor, René Benko, geführt haben. Trifft das zu?
Stoss: Nein, da hat offenbar jemand aus meinem privaten Kontakt zu René Benko falsche Schlüsse gezogen. Aber es gibt durchaus Interessenten für Anteile an Casinos Austria insgesamt oder dem internationalen Geschäft, und diese wird man ebenfalls sorgfältig evaluieren und dann mit den Eigentümern diskutieren.
profil: Sie sind seit Mai 2007 Vorstandsvorsitzender der Casinos Austria AG. Wie bilanzieren Sie diese sieben Jahre?
Stoss: Für mich waren es sieben Jahre voller Herausforderungen, die mir aber insgesamt viel Freude bereitet haben. Natürlich geht im Geschäftsleben nicht immer alles so auf, wie man es sich erhofft. Aber ich bin stolz auf mein Team, wir haben großartige Mitarbeiter, mit denen wir schon sehr viel erreicht haben. Wir haben in einem internationalen Ausschreibeverfahren die Konzessionen für die Lotterien und zwölf Casinos gewonnen. Wir schreiben am Glücksspielmarkt Österreich deutlich positive Ziffern und führen insgesamt mehr als 530 Millionen Steuern und Abgaben ab.
profil: Wie bewältigt Karl Stoss die Doppelbelastung als Vorstandsvorsitzender der Casinos Austria AG und als Präsident des Österreichischen Olympischen Comités?
Stoss: Für mich ist das keine Belastung, sondern ich erfülle die mir gestellten Aufgaben mit Begeisterung. Ich habe sehr gut eingespielte Teams, die mich toll unterstützen und entlasten. Das Österreichische Olympische Comité ist eine ehrenamtliche Aufgabe, die nicht allzu viel Zeit in Anspruch nimmt. Und sollten die Tage nicht reichen, so nehme ich eben die Nächte und Wochenenden dazu.