Von Monopolen und Milliarden: Wer sichert sich die neuen Casino-Konzessionen?
Von Josef Redl
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Auf die Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen folgte diesen Mittwochnachmittag die symbolische Amtsübergabe. Magnus Brunner (ÖVP) überreichte dem neuen Finanzminister Gunter Mayr den historischen Schlüssel zum Haus in der Wiener Johannesgasse. Neben diesem dekorativen Museumsstück hinterlässt der designierte EU-Kommissar Brunner seinem Nachfolger ein sanierungsbedürftiges Budget und ein paar unerledigte Aufgaben.
Das Finanzministerium muss demnächst die Konzessionen für Casinos und Lotterien ausschreiben. Damit steht die Glücksspielbranche vor einer Neuordnung. Der teilstaatliche Casinos-Austria-Konzern war bis jetzt ohne Konkurrenz auf dem Milliardenmarkt. Versuche, die Monopolstellung zu brechen, gab es einige. Die meisten endeten in Korruptionsaffären. Eine ganze Reihe von Mitgliedern der türkis-blauen Regierung unter Sebastian Kurz musste im Sog der Ermittlungen rund um mutmaßliche Postenschacher bei den Casinos Austria zurücktreten. Eine Reform des längst sanierungsbedürftigen Gesetzes brachte auch die türkis-grüne Nachfolgeregierung nicht zustande. Das könnte jetzt zum Problem werden.
„Es ist ein El Dorado für Lobbyisten“, sagt der Geschäftsführer einer PR-Agentur zu profil. Er möchte seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen, hat selbst „nur ein kleines Mandat“ bei einem Glücksspielkonzern. Dort, wo geschäftliche Interessen auf gesetzliche Hürden treffen, ist das Spielfeld der Lobbyisten. Die Glücksspielbranche ist beides: extrem lukrativ, aber auch streng reguliert.
Milliardenschwere Kuchenstücke
1,48 Milliarden Euro setzten die Casinos Austria AG und ihre Tochtergesellschaft Österreichische Lotterien im Jahr 2023 um. Das ist der Kuchen, von dem auch andere Glücksspielunternehmen gerne ein Stück hätten. Und an dem auch der Staat ordentlich mitnascht. Einnahmen aus dem Glücksspiel werden in Österreich hoch versteuert. Die Casinos Austria lieferten im Jahr 2023 satte 724 Millionen an Steuern und Abgaben an den Fiskus ab. Trotzdem blieb am Ende noch ein Gewinn von mehr als 180 Millionen Euro.
Niklas Sattler ist Casino-Mann in dritter Generation. Schon sein Großvater und sein Vater vor ihm haben als Croupiers gearbeitet. Sattler selbst hat vor wenigen Jahren noch den gesamten Pokerbereich für die Casinos Austria gemanagt. Inzwischen hat sich der 35-jährige Tiroler als Berater in der Glücksspielbranche selbstständig gemacht. Geht es nach Sattler, dann sperrt er am 1. Jänner 2028 sein eigenes Casino auf. Sogar die Finanzierung habe er schon. Sattlers Plan steht und fällt mit dem Ausschreibungstext. Beim letzten (und bisher einzigen) Mal wurden die Casino-Lizenzen nicht einzeln, sondern in Paketen vergeben. Der Gesetzgeber ist daran interessiert, dass es ein möglichst flächendeckendes Angebot gibt. Im Branchenjargon nennt man das den „Kanalisierungsauftrag“. Wer spielen will, soll das legal tun können und dafür Steuern zahlen. „Wir sind vorbereitet, warten jetzt auf den Inhalt der Ausschreibung und werden dann entscheiden, für wie viele Konzessionen wir uns bewerben“, sagt Niklas Sattler. Sechs Standorte auf einmal wären für sein Start-up wahrscheinlich kaum zu stemmen.
Laut der geltenden Fassung des Glücksspielgesetzes kann das Finanzministerium höchstens 15 Spielbankenkonzessionen erteilen, derzeit sind zwölf vergeben. Die Casinos in Baden, Kitzbühel, Kleinwalsertal, Seefeld, Velden, Zell am See haben eine Genehmigung bis Ende 2030. An den Standorten Bregenz, Innsbruck, Salzburg, Graz, Linz und Wien endet die 15-jährige Laufzeit der Lizenz bereits Ende 2027. Sattler ist nicht der Einzige, der ins österreichische Casino-Geschäft einsteigen will.
Bei Interesse würde ich versuchen, ein überwiegend österreichisches Konsortium zusammenzustellen, damit die Lizenz in österreichischer Hand bleibt.
Kurz-Vertrauter will ins Geschäft
Wer sich in der Branche umhört, stößt immer wieder auf den Namen Alexander Schütz. Der Gründer und Vorstandsvorsitzende der Vermögensverwaltung C-Quadrat Investment Group ist ein umtriebiger Investor. Nicht nur im Puls 4-Format „2 Minuten 2 Millionen“, wo Start-up-Unternehmer Wirtschaftskapazunder von ihren Geschäftsideen überzeugen wollen. Auch in das politische Start-up Sebastian Kurz investierte Schütz als ÖVP-Spender 2017 und 2018 insgesamt 85.000 Euro. Vor zwei Jahren gründeten Kurz und Schütz gemeinsam die Investmentgesellschaft AS²K Beteiligungs GmbH.
Nun soll sich Schütz also für den österreichischen Glücksspielmarkt interessieren. „Wir prüfen aktuell eine Teilnahme an der Ausschreibung“, bestätigt Alexander Schütz auf profil-Anfrage. Ihn treiben auch patriotische Motive an, sagt er: „Bei Interesse würde ich versuchen, ein überwiegend österreichisches Konsortium zusammenzustellen, damit die Lizenz in österreichischer Hand bleibt.“
„In österreichischer Hand“ ist dabei nur teilweise zutreffend. Die Republik hält über die Beteiligungsgesellschaft ÖBAG 33,24 Prozent der Anteile an der Casinos Austria AG. Mehrheitseigentümer ist die Allwyn-Gruppe des tschechischen Milliardärs Karel Komarek.
Es herrscht nicht zum ersten Mal Goldgräberstimmung in der Branche.
Kaum einer weiß das besser als Stefan Krenn. Der Oberösterreicher ist Vorstand der Novomatic AG. Der weltweit tätige Konzern mit Sitz im niederösterreichischen Gumpoldskirchen produziert Spielautomaten, betreibt Sportwettenlokale und Casinos. 3,2 Milliarden Euro setzte das Unternehmen im Vorjahr um. Ausgerechnet in Österreich sind Novomatic enge Grenzen gesetzt. Versuche, die Glücksspielgesetze zu eigenen Gunsten aufzuweichen, reichen weit zurück.
Für ein Gespräch mit profil ist Stefan Krenn derzeit nicht zu haben, geschäftliche Termine im Ausland halten ihn in Beschlag. Dabei kennt er auch die andere Seite des Geschäfts. Vor 20 Jahren war Krenn Mitarbeiter in der PR-Agentur des Peter Hochegger. Gemeinsam mit Hochegger entwickelte Krenn im Jahr 2005 einen „Masterplan Novomatic“. Das Papier enthielt Anleitungen, wie man sich Nationalratsabgeordnete durch „konkrete Kooperations- oder Sponsoringprojekte in einem Wahlkreis“ gefügig machen konnte/sollte.
2006 hätte es fast geklappt. In einer Nacht- und Nebelaktion hatten die Koalitionspartner ÖVP und BZÖ eine Gesetzesnovelle eingebracht, mit der Novomatic eine Konzession für Online-Glücksspiel erhalten hätte. Neben Peter Hochegger hatte auch Walter Meischberger, Trauzeuge des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser, für den Plan lobbyiert. Im letzten Moment hatte der Casinos Austria-Vorstand Wind davon bekommen und politisch dagegengearbeitet. Das Vorhaben wurde abgewendet.
2010 öffnete sich das nächste Fenster. Damals musste die Republik Österreich nach einem EuGH-Urteil das Glücksspielgesetz novellieren und die Spielbank-Lizenzen ausschreiben. Zu den bestehenden zwölf Casino-Konzessionen kamen drei weitere dazu. Kaum jemand in der Branche zweifelte daran, dass die zusätzlichen Standorte in Wien und Niederösterreich mit Blick auf die niederösterreichische Novomatic-Gruppe ins Gesetz geschrieben worden waren. „Aus den vom BMF vorgelegten Unterlagen und den Gesetzesmaterialien waren die Erwägungen betreffend die Ausgestaltung der Konzessionen, des Vergabeprozesses und insbesondere auch die Gründe für die Aufstockung der Anzahl an Spielbankenkonzessionen um weitere drei nicht erkennbar“, hielt der Rechnungshof 2016 dazu in einem Bericht lapidar fest.
Auch sonst ließ der Rechnungshof kein gutes Haar an dem Vergabeprozess: „Die Ausgestaltung des Konzessionsregimes, die Ausschreibungsprozesse und die Entscheidungsfindung waren durch Mängel der Transparenz und sachlichen Nachvollziehbarkeit gekennzeichnet.“ Für Novomatic hatte das weitreichende Folgen: Das Bundesverwaltungsgericht kippte die Vergabe der drei Lizenzen nach einer Beschwerde der Casinos Austria. Seitdem wurden sie nicht wieder ausgeschrieben.
Arbeit für den Nachfolger
Magnus Brunner verabsäumte es in seiner Amtszeit als Finanzminister, ein neues Glücksspielgesetz zu verabschieden. Nach seinem Wechsel in die EU-Kommission muss sich sein Nachfolger darum kümmern.
Wird der Automatenkonzern einen weiteren Anlauf wagen? „Wir haben über die bekannte Medienberichterstattung hinaus keine Informationen darüber, wann und in welchem Umfang die Ausschreibungen erfolgen werden. Sobald uns diese vorliegen, werden wir sie prüfen und dann entscheiden“, sagt eine Novomatic-Sprecherin.
Ausschreibung ins Ungewisse
Noch ist nicht abzusehen, was genau ausgeschrieben wird. Und wann. „Das Finanzamt Österreich hat gemäß dem gesetzlichen Auftrag im Glücksspielgesetz die Ausschreibung vorzubereiten und durchzuführen. Details werden im Zuge der Vorbereitungsarbeiten festgelegt. „Diese wurden bereits begonnen“, heißt es auf profil-Anfrage maximal vage aus dem Finanzministerium.
Eigentlich sollte diesmal alles anders sein. ÖVP und Grüne haben lange über ein neues Glücksspielgesetz verhandelt. Darin war unter anderem die Gründung einer eigenen Aufsichtsbehörde für das Glücksspiel vorgesehen, die auch mit der Vergabe von Konzessionen betraut werden sollte. Daraus wird nun vorerst nichts. „Wir haben auf zahlreiche Maßnahmen zum Spielerschutz gedrängt. Denen wollte die ÖVP dann aber nicht zustimmen“, sagt Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli, die das Gesetz mitverhandelt hat. Im Jahr 2021 gab es dazu sogar schon einen Ministerratsentwurf.
Damals konnte die Politik gar nicht genug Distanz zwischen sich und die Glücksspielbranche bringen. Den Grund dafür hatte das Ibiza-Video geliefert. „Novomatic zahlt alle“, hatte Heinz-Christian Strache 2017 vor versteckter Kamera behauptet. Strache hatte damals auch freimütig von der Liberalisierung des Glücksspielmarktes gesprochen. „Das wollen wir abdrehen, wir wollen kein Monopol“, meinte Strache damals über den Platzhirsch Casinos Austria.
Als er wenig später Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP führte, wurde auch ein Casinos-Vorstandsjob für den FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo paktiert. Auf einem Ticket der Novomatic, die damals selbst noch an den Casinos Austria beteiligt war. Der Verdacht, dass die FPÖ im Gegenzug dafür eine Online-Gaming-Lizenz erhalten sollte, hatte schließlich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) auf den Plan gerufen. Seit mehr als fünf Jahren ermittelt die Behörde in verschiedenen Verfahren der „Casag“-Affäre, die auch den Ibiza-Untersuchungsausschuss des Parlaments beschäftigte und letztlich die Rücktritte von Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Ex-Finanzminister Gernot Blümel nach sich zog. Mehrere Ermittlungsstränge der WKSta zu Casinos und Novomatic wurden inzwischen eingestellt.
Der politische Skandal hat nicht einmal für ein neues Glücksspielgesetz gereicht. Und mittlerweile halten viele Branchenkenner den Zeitrahmen für das Vergabeverfahren bei den 2027 auslaufenden Konzessionen schon für eng. Deswegen hat der damalige Finanzminister Magnus Brunner im Februar 2024 die Order ausgegeben, die Ausschreibung nach dem alten Gesetz vorzubereiten. Ein großer Vorteil für die Casinos Austria.
Damit wird das Online-Glücksspiel auch weiterhin ein Monopol bleiben. Solange es kein neues Glücksspielgesetz gibt, wird die einzige Lizenz für Online-Glücksspiel gemeinsam mit der Lotto-Konzession vergeben. Allzu viele Interessenten wird es für das lukrative Monopol trotzdem nicht geben. Erfahrung mit der Ausspielung von Lotterien, die Garantie ab 1. Jänner 2028 ein flächendeckendes Vertriebsnetz in Österreich zu haben und ein Mindestkapital von 100 Millionen Euro sind die Hürden, die jeder Bewerber nehmen muss. „Wir sind der festen Überzeugung, dass unsere Unternehmensgruppe der beste Partner für Österreich ist, um Glücksspiel in all seinen Facetten anzubieten. Das beweisen wir seit Jahrzehnten. Daher ist es selbstverständlich, dass wir uns für alle Konzessionen bewerben werden“, erklärt ein Casinos-Sprecher. Bei einem neuerlichen Zuschlag dürften die Österreichischen Lotterien mit ihrer Marke win2day weitere 15 Jahre als Einzige Online-Casinospiele wie Poker oder Black Jack legal in Österreich anbieten.
„Österreich wird im kommenden Jahr das letzte Land in Europa sein, in dem es für Online-Glücksspiel noch ein Monopol gibt“, sagt Florian Sauer, Geschäftsführer des Glücksspielkonzerns Entain in Österreich. Zu Entain gehören der Sportwettenanbieter bwin, aber auch Plattformen wie PartyPoker. Gemeinsam mit anderen Anbietern wie bet-at-home und Cashpoint hat Entain die österreichische Vereinigung für Wetten und Glücksspiel gegründet. Diese fordert „ein offenes Lizenzsystem für Online-Glücksspiel, das auch andere seriöse private Anbieter zulässt.“
Bis es so weit ist, bieten die Plattformen ihre Spiele online auch ohne Konzession an. Das führt zu einer grotesken Praxis, die hierzulande seit Jahren gelebt wird. Online-Casinos zahlen in Österreich Steuern auf Umsätze, die sie legal eigentlich nicht erwirtschaften sollten. Zumindest für das sanierungsbedürftige Budget ist das kein schlechter Deal.
Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde um die Bemerkung ergänzt, dass mittlerweile mehrere Verfahren der WKSta im Casinos-Komplex eingestellt wurden.
Josef Redl
Wirtschaftsredakteur. Davor Falter Wochenzeitung.