Investigativ

Causa Grasser: Wo der Schadenersatz für die Republik herkommen könnte

Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser wurde vom Obersten Gerichtshof zu vier Jahren Gefängnis verurteilt – deutlich weniger als in erster Instanz. Zahlen müssen er und seine Mit-Verurteilten trotzdem.

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Es handelt sich um schwere Straftaten mit schweren Folgen.“ Korruption durch einen Finanzminister mit einer Schadenssumme von fast zehn Millionen Euro zur eigenen Bereicherung sei „in Österreich beispiellos“.

Es sind harte Worte, mit denen die Vorsitzende eines fünfköpfigen Richter-Senats am Obersten Gerichtshof (OGH) am vergangenen Dienstag das Schicksal von Karl-Heinz Grasser besiegelt. Grasser, einst jüngster Finanzminister der Republik (zunächst für die FPÖ, dann parteifrei auf ÖVP-Ticket), Polit-Shootingstar, strahlender „Mister Nulldefizit“ und Society-Liebling, muss ins Gefängnis.

Der OGH bestätigte nach einer mehrtägigen öffentlichen Verhandlung im Wesentlichen Grassers erstinstanzliche Verurteilung in der sogenannten Causa Buwog aus dem Jahr 2020: Untreue zulasten der Republik und Geschenkannahme (das entspricht in etwa dem heutigen Delikt der Bestechlichkeit) im Rahmen der Privatisierung von Bundeswohnungsgesellschaften im Jahr 2004 und bei der Einmietung der Finanz in das Hochhaus „Terminal Tower“ in Linz. Es flossen insgesamt fast zehn Millionen Euro an Bestechungsgeld. Das ist rechtskräftig, es gilt diesbezüglich nicht mehr die Unschuldsvermutung.

WKStA wartet mit Entscheidung zu Nebenvorwurf

Offen ist nur noch ein Nebenvorwurf – jener der Beweismittelfälschung. Diesen Urteilspunkt gegen Karl-Heinz Grasser hat der OGH aufgehoben und wieder an die erste Instanz zurückverwiesen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) könnte die Anklage zurückziehen, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass eine Verurteilung keinen wesentlichen Einfluss auf den gesamten Strafrahmen hätte. „Wir warten erst einmal auf die Ausfertigung der OGH-Entscheidung“, meint WKStA-Sprecher Martin Ortner. Zeitlichen Druck hat die WKStA nicht, sie könnte die Anklage auch erst zurückziehen, wenn bereits eine neue Hauptverhandlung angesetzt ist.

Grasser beteuerte nach dem OGH-Spruch weiterhin seine Unschuld und bezeichnete das Urteil als „ungerecht“ und „rechtlich unhaltbar“. Er will vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ziehen, Haftaufschub erhält er dadurch aber nicht.

Obwohl die OGH-Senatsvorsitzende Christa Hetlinger bei der Urteilsverkündung betonte, die Straftaten nicht „bagatellisieren“ zu wollen, wich der OGH-Entscheid in einem ganz wesentlichen Aspekt stark von der ersten Instanz ab: nämlich in Bezug auf die Strafhöhe. Diese wurde praktisch halbiert – von acht auf vier Jahre. Hauptgrund dafür: die „exorbitant lange Verfahrensdauer“ von rund 15 Jahren, die aus Sicht der Höchstrichter schon für sich genommen eine Grundrechtsverletzung darstelle.

Bei Justiz gespart

Das ist nichts weniger als eine Ohrfeige für die Republik: Offenbar war diese nicht in der Lage, ein – zugegebenermaßen – komplexes Verfahren in angemessener Zeit abzuwickeln. Das Problem langer Verfahrensdauern in der österreichischen Justiz ist freilich nicht ganz neu. Es war schon virulent, als ein gewisser Karl-Heinz Grasser als Finanzminister im Staat den Sparstift ansetze.

Stefan Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Josef Redl

Josef Redl

Wirtschaftsredakteur. Davor Falter Wochenzeitung.