Causa Wienwert: Neue Klagen und Strafanzeigen
Urbane, hippe Umgebung. Bunte Lokalszene. Sehr gute Nahversorgung und Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Alles Aspekte, die für Wienbesucher von Bedeutung sind. Wer sich in einem der Ferienapartments in der Kaiserstraße 26 im 7. Wiener Gemeindebezirk einquartiert, kann davon profitieren. Laut Eigenwerbung erfüllen sie höchste Ansprüche: top ausgestattete Küchen, das Parkett aus Eichendielen, das Soundsystem von Bose. Manche sogar mit Dachterrassen und raumhoher Glasfront in Richtung des begrünten Innenhofs. Ab 59 Euro pro Nacht lässt sich hier Tür an Tür mit den Einheimischen leben. Und mutmaßlich wird man dann auch nichts von den Zores mitbekommen, die rund um das Wohnhaus mit dem Doppeladler über dem Eingangsportal toben.
Tatsächlich handelt es sich bei dem Gebäude um eine weitere Front in der Causa Wienwert. Jenem Konzern also, der Anfang 2018 spektakulär in die Pleite geschlittert ist. Die Hunderten Anleger, die eine der zahlreichen Anleihen des Unternehmens gezeichnet haben, werden kaum noch etwas von ihrem eingesetzten Kapital wiedersehen. So viel steht bereits fest. Für die Investoren, die ihr Geld in eines von mehreren der Wienwert-Bauherrenmodelle gesteckt haben, schaut es nicht viel besser aus. Die Aufarbeitung dieses Insolvenzfalles wird jedoch noch geraume Zeit in Anspruch nehmen.
In der Kaiserstraße 26 jedenfalls ist ein Teil des einzigen noch aktiven Bauherrenmodells der Wienwert-Gruppe zu besichtigen. Und genau dieses Projekt steht aktuell im Fokus der Behörden. Klagen, Strafanzeigen und wechselseitige Anschuldigungen – im Kern geht es um die Frage: Haben die Wienwert-Gründer versucht, rechtswidrig wirtschaftliche Eigeninteressen durchzusetzen und zudem Vermögen aus der Konkursmasse zu ziehen? Oder hat der Masseverwalter aus Bedachtnahme auf den eigenen Vorteil interveniert, wie es die Gegenseite suggeriert? Wie so häufig in solchen Fällen: Mit dem Florett wird hier nicht gekämpft.
Bauherrenmodell
Wienwert K26/T49 HHM 4 Immobilienhandel KG. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich eine Projektgesellschaft, deren Vermögen aus Liegenschaftsanteilen (ein Geschäftslokal und mehrere Wohnungen) in der Troststraße in Wien-Favoriten und in besagter Immobilie in der Kaiserstraße besteht. Die Wienwert-Gründer Nikos Bakirzoglu und Wolfgang Sedelmayer sind Geschäftsführer und Komplementäre – also persönlich haftende Gesellschafter – dieses Unternehmens. Die Anteile privater Investoren (also der nur beschränkt haftenden Kommanditisten) werden treuhändig durch die Wienwert Immobilien Treuhand GmbH gehalten, als deren Geschäftsführer nunmehr Wienwert-Masseverwalter Norbert Abel fungiert. Im Zusammenhang mit der K26/T49 hat Anlegeranwalt Lukas Aigner im späten Frühjahr 2019 mehrere Klagen auf den Weg gebracht. Er vertritt mutmaßlich geschädigte Bauherren.
Bei einem solchen Bauherrenmodell werden mehrere Investoren zu einer Miteigentümergemeinschaft zusammengeschlossen. Diese kauft eine Immobilie und saniert den Altbestand. Anschließend werden die Wohnungen oder Geschäftslokale vermietet und die Erlöse entsprechend der Anteile aufgeteilt. Diese Form des Investments zielt vor allem auf gutverdienende Freiberufler, etwa Ärzte, Rechtsanwälte oder Notare ab. Die Anleger erhalten hier nämlich steuerliche Vorteile, in deren Genuss etwa Käufer einer sanierten Anlagewohnung nicht kommen. So können sie Herstellungskosten auf 15 anstatt der sonst üblichen 67 Jahre abschreiben. Durch die Verluste, die in den ersten Jahren entstehen – bevor die Mieteinnahmen fließen können, müssen die Objekte erst saniert werden –, können Anleger ihre Gewinne aus anderen Einkunftsquellen minimieren. Das kann die Steuerbelastung erheblich drücken.
„Die Beteiligung an dem Projekt wurde durch versprochene Steuervorteile beworben, welche durch die Verwertung von Verlusten aus Herstellungsaufwendungen auf Ebene der als Kommanditisten beteiligten Investoren generiert werden sollten“, sagt denn auch Anwalt Aigner. Dazu gekommen sei es allerdings nicht.
"Vorgang war vertrags- und daher rechtswidrig"
Es habe sich herausgestellt, dass Sedelmayer und Bakirzoglu (beziehungsweise ihnen zuordenbare Rechtsträger), die gewichtige Gesellschaftsanteile an der K26/T49 für sich reklamieren, für diese nicht fristgerecht bezahlt haben. Erst in späteren Jahren wurden diese mittels eines Darlehens der WW Holding AG finanziert. Eigene Mittel hätten die Wienwert-Gründer nicht dafür verwendet. „Die Zuweisung der Verluste auf die Gesellschafter sollte gemäß den Verträgen auf Grundlage der einbezahlten Kapitaleinlagen erfolgen. Nach dem Motto: Wer für die Investitionen aufkommt, soll auch von den Begünstigungen profitieren“, so Aigner. Die Verluste der ersten Geschäftsjahre wurden jedoch den Beschuldigten zugewiesen, woraus sich für diese ein positiver Steuereffekt ergab. „Der Vorgang war vertrags- und daher rechtswidrig. Den Investoren, welche ihre Anteile fristgerecht einbezahlt hatten, ist durch den teilweise entgangenen Steuervorteil ein erheblicher Schaden entstanden“, so Aigner. Diesen Schaden klagt der Anwalt nun beim Handelsgericht Wien ein.
Stefan Prochaska, Anwalt der Wienwert-Gründer, weist die Vorwürfe zurück: „Kollege Aigner war ebenso wie Masseverwalter Abel bei Terminen dabei, bei denen alle Vorwürfe im Detail geklärt wurden. Daher bestehen die geltend gemachten Ansprüche jedenfalls nicht zu Recht.“
Doch auch der Masseverwalter dürfte das etwas anders sehen. Am 10. Juli dieses Jahres brachte er bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine Sachverhaltsdarstellung ein, die in weiten Teilen auf Aigners Klagen aufsetzt. Und er fährt dabei schwere Geschütze auf. Konkret wirft er Bakirzoglu und Sedelmayer Betrug, Untreue, betrügerische Krida sowie grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen vor. Also einiges von dem, was das Strafgesetzbuch so hergibt.
Weil die die Projektgesellschaft finanzierende Bank den Gläubigern immer stärker auf die Füße stieg, sollte das Vermögen der K26/T49 verkauft werden. Im Rahmen einer Gesellschafterversammlung im August 2018 seien die Maßnahmen zur Abwicklung und Verwertung der Liegenschaftsanteile in der Kaiser- und Troststraße verbindlich festgelegt worden, schreibt Abel in seiner Sachverhaltsdarstellung. Der Verkauf sollte demnach über ein transparentes Bieterverfahren und mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erfolgen. Im Mai 2019 habe er jedoch ein Schreiben der Bank erhalten, dass die Wienwert aus der Haftung, die sie als Bürge übernommen hatte, entlassen sei. Erst auf Nachfrage habe er erfahren, dass Bakirzoglu und Sedelmayer die Anteile an den Liegenschaften bereits veräußert hätten. „Weder die Investoren noch der Einschreiter (Anm.: der Masseverwalter) wurden in den Verlauf des aktuellen Verwertungsprozesses und die beabsichtigte Veräußerung eingebunden. Für die Verwertung und eine Auszahlung des Erlöses ist jedoch die Zustimmung der Gesellschafter im Rahmen eines Gesellschafterbeschlusses erforderlich“, so Abel.
"Kein verbindlicher Gesellschafterbeschluss"
„Falsch“, kontert Prochaska. „Es liegt kein verbindlicher Gesellschafterbeschluss vor, und ein solcher ist laut Gesellschaftsvertrag auch gar nicht vorgesehen.“ Die Bank habe den Kredit fällig gestellt, auch deswegen, weil der Masseverwalter dies durch „Hinweise auf Unstimmigkeiten“ provoziert habe. „Es ist die Verpflichtung der Geschäftsführung, im Interesse der Gesellschaft die Liegenschaften bei Fälligstellung des Kredites zu verwerten, um Schäden zu vermeiden und einer Zwangsversteigerung zu entgehen“, sagt Prochaska.
„Die Fälligstellung des Kredits ist auf die Umtriebe der Verantwortlichen in der Wienwert-Gruppe zurückzuführen, eine Bank kann ja wohl nicht auf Zuruf fällig stellen!“, empört sich Abel. Er ortete „Gefahr im Verzug“. „Es ist (…) zu befürchten, dass sich die Beschuldigten weiterhin über die Vereinbarungen und die Sorgfaltspflichten hinwegsetzen und die Befugnis über die Verwaltung der Objekte missbrauchen, um sich selbst wirtschaftliche Vorteile aus einem Verkauf zu verschaffen“, schreibt er. Die Beschuldigten würden in sämtlichen Fällen versuchen, „die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen des Insolvenzverwalters zu verschleppen und weiterhin der Vermögensmasse der Gläubiger finanzielle Mittel zu entziehen“.
Abel stellte einen Antrag gemäß Paragraf 66 Grundbuchgesetz. Darin heißt es: „Wer behauptet, dass eine Einverleibung in Folge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt worden sei, kann (…) bei dem Grundbuchsgericht unter Beibringung der Bestätigung der zuständigen Behörde, dass die Strafanzeige bei ihr erstattet worden ist, die Anmerkung ansuchen, dass die Einverleibung streitig sei.“ Die Maßnahme erwies sich als effektiv: Die WKStA hat binnen einer Woche bestätigt, die Streitanhängigkeit ist mittlerweile im Grundbuch vermerkt. Damit steht die Transaktion vorerst.
"Eigenartig, dieses Ausmaß an Verbundenheit"
Laut Prochaska indes sei der Masseverwalter in den Verkaufsprozess voll eingebunden gewesen. Mehr noch, auf dessen Wunsch sollte der Verkauf mit einer finalen Bieterrunde – also einer Art Versteigerung – über die Bühne gehen, die Abel selbst abhalten wollte. Man habe sogar die von Abel gewünschte Maklerin beauftragt. Diese sollte ein Honorar in Höhe von drei Prozent des Kaufpreises erhalten, der Masseverwalter „immerhin netto ein Prozent“, so Prochaska. Doch trotz hoher Vorschusslorbeeren vonseiten Abels habe die Maklerin nichts zustande gebracht. „Deren Solidarität ging sogar so weit, dass sie einem meiner Kanzleipartner gegenüber allen Ernstes erklärt hat, den Auftrag nur dann anzunehmen, wenn auch der Masseverwalter seinen Auftrag erhalten würde. Eigenartig, dieses Ausmaß an Verbundenheit“, sagt Prochaska.
Die Maklerin habe auch alle anderen Immobilien der Wienwert-Gruppe erfolgreich – „trotz des in weiten Teilen faktisch und rechtlich desaströsen Zustandes“ – in Bieterverfahren verwerten können, lässt Abel wissen. „Auch im Falle der K26/T49 wurde ein professioneller Prozess aufgesetzt, der zu einem verbindlichen Kaufangebot geführt hat, welches einen höheren zeitnahen Zahlungsfluss an die Gesellschaft zur Folge gehabt hätte. Die Verantwortlichen haben es nicht einmal für nötig erachtet, mit diesem Anbieter in Kontakt zu treten und haben jede Kommunikation verweigert“, sagt Abel.
Ein Mal scheint die Kommunikation dann doch geklappt zu haben. Am selben Tag, an dem Abel die Sachverhaltsdarstellung einbrachte, hat er sich mit Bakirzoglu und Sedelmayer auf einen Vergleich geeinigt. „Davon kein Wort in der Anzeige. Sehr eigenartig, sich zu einigen und parallel anzuzeigen und so Wesentliches nicht offenzulegen“, wundert sich Prochaska. Der Vergleich regle lediglich eine Ratenzahlung für den Kauf der Kommanditanteile, sagt Abel. Denn Bakirzoglu und Sedelmayer seien mit der Bezahlung von rund 200.000 Euro seit einem Jahr in Verzug.
Gut, dass die Wienbesucher in der Kaiserstraße 26 von all dem nichts mitbekommen.