Causa Wirecard: Deutsche Justiz prüft BVT-Connection
Die Causa um den zusammengebrochenen Zahlungsabwickler Wirecard ist längst mehr als ein reiner Wirtschaftskrimi. Neben der Frage, wo Milliardenbeträge aus der Bilanz des Fintech-Unternehmens verblieben sind, gibt es eine Komponente der Affäre, die mitten in die klandestine Welt der Nachrichtendienste führt. Schlüsselperson dabei: der auf der Flucht befindliche ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, ein Österreicher (wie auch der in deutscher U-Haft sitzende ehemalige Vorstandschef Markus Braun).
Für Marsaleks Verbindungen ins Schlapphut-Milieu interessiert sich nun auch die deutsche Justiz.
Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, geht der Generalbundesanwalt in Karlsruhe – Deutschlands oberste Strafverfolgungsbehörde – der Frage nach, inwieweit Marsalek neben seiner Tätigkeit als Vorstand eines DAX-Konzerns für das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) aktiv gewesen ist. Dies ergibt sich aus einer Antwort des deutschen Justizministeriums auf eine schriftliche Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi.
Verdacht gegen BVT-Mitarbeiter
profil liegt das Schreiben ebenfalls vor. Darin heißt es, der Generalbundesanwalt habe Anhaltspunkte dafür, dass Marsalek von einem Mitarbeiter des BVT als „Vertrauensperson“ geführt worden sei. Doch das ist noch nicht alles. Das deutsche Justizministerium schreibt: „Es besteht der Verdacht, dass dieser Mitarbeiter des BVT vier streng geheime Berichte der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) an Jan Marsalek überlassen hat.“
Unter einer „Vertrauensperson“ versteht man in Dienstekreisen jemand, mit dem laufend zusammengearbeitet wird – zum Beispiel als Quelle für Informationen. Die deutsche Justiz prüft nun, ob möglicherweise eine Straftat vorliegt. Bisher hätten sich keine „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die im Raum stehenden Kontakte Jan Marsaleks zum BVT den Tatbestand einer gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten geheimdienstlichen Agententätigkeit“ erfüllen könnten, heißt es in der Anfragebeantwortung. Eine allfällige Spionagetätigkeit müsste sich gegen Deutschland gerichtet haben, damit das dortige Strafrecht greift. Sollte sich herausstellen, dass Marsalek Wirecard-Interna an das BVT weitergegeben oder dem BVT über Gespräche mit deutschen Politikern berichtet hat, könnte es heikel werden.
Ermittlungen wegen Nowitschok-Papieren
Was die erwähnten OPCW-Dokumente betrifft, laufen in Österreich bereits Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Wien führt ein Verfahren gegen „unbekannte Täter“, wie eine Sprecherin auf profil-Anfrage mitteilt. Es geht dabei um Geheimpapiere über das Nervengift Nowitschok, die aufgrund eines darauf angebrachten Zahlencodes einem österreichischen Ministerium zuordenbar sein sollen.
Doch nicht nur mögliche BVT-Verbindungen Marsaleks stehen im Raum: In Zusammenhang mit einem geplanten, aber nicht realisierten Wiederaufbauprojekt in Libyen, in das auch das Verteidigungsministerium involviert war, ergab sich zudem eine mögliche Russland-Connection. Der damalige Wirecard-Vorstand soll bekanntlich über den Einsatz von Söldnern in dem geostrategisch wichtigen Bürgerkriegsland nachgedacht haben. Der Grüne Nationalratsabgeordnete David Stögmüller erstattete in der Zwischenzeit Anzeige gegen einen hochrangigen Beamten und einen Unternehmensberater. Diesbezüglich prüft die Staatsanwaltschaft Wien derzeit, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.
„Jan aus dem BVT“
Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, reisten österreichische Ermittler vor wenigen Wochen nach München. In den vergangenen Tagen soll bei den dortigen Behörden dann ein Rechtshilfeersuchen eingegangen sein. Alle Betroffenen bestreiten sämtliche Vorwürfe.
Wie profil bereits Mitte Juli berichtete, unterhielt Marsalek Kontakte zu einem leitenden BVT-Beamten, der mittlerweile nicht mehr für den Verfassungsschutz tätig ist. Bei Ermittlungen in Österreich tauchten darüber hinaus WhatsApp-Nachrichten mit Informationen auf, die angeblich von „Jan aus dem BVT“ stammten. Einem Bericht der „Presse“ zufolge soll es sich bei diesem „Jan“ um Marsalek gehandelt haben. Bestätigt wurde das bisher nicht. Eines steht jedenfalls fest: Als internationaler Zahlungsabwickler könnte Wirecard tatsächlich ein begehrtes Ziel für Nachrichtendienste gewesen sein.