Causa Wöginger: „Als ‚Roter‘ wäre ich nicht zu ihm gegangen.“

Ein ÖVP-Bürgermeister soll auf Betreiben des türkisen Klubobmanns August Wöginger einen Top-Job in der Finanz erhalten haben, die Justiz ermittelt. Der Ortschef sagte nun aus, er habe tatsächlich mit dem Abgeordneten gesprochen – und ihn gebeten, ein gutes Wort einzulegen.

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Neue Entwicklungen in der Causa Wöginger: Jener oberösterreichische ÖVP-Bürgermeister, der auf Betreiben des türkisen Klubobmanns im Nationalrat, August Wöginger, ein Top-Job in der Finanzverwaltung bekommen haben soll, wurde in den vergangenen Wochen zweimal als Zeuge  von den Ermittlern einvernommen. Dabei erzählte er, mehrfach mit Wöginger – der damals noch nicht ÖVP-Klubobmann, jedoch bereits Nationalratsabgeordneter war – über seine Karrierewünsche gesprochen und diesen dabei um Unterstützung gebeten zu haben.

Bekanntermaßen ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Wöginger wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Dieser soll über den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, dafür gesorgt haben, dass der ÖVP-Bürgermeister einer kleinen oberösterreichischen Gemeinde Anfang 2017 Vorstand eines Finanzamts wurde – obwohl es eine deutlich besser qualifizierte Kandidatin gab. 

Die WKStA schließt dies unter anderem aus Handy-Chats zwischen Schmid und Wöginger. Ermittelt wird auch gegen sämtliche Mitglieder der vierköpfigen Begutachtungskommission, die nach einem höchst umstrittenen Hearing tatsächlich den Bürgermeister an die erste Stelle setzten. Bereits 2021 entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass die unterlegene Kandidatin „auf Grund des Geschlechts, des Alters und der Weltanschauung“ diskriminiert worden sei.

Zahlreiche Einvernahmen

profil-Informationen zufolge fanden in den vergangenen Wochen zahlreiche Einvernahmen in der Causa statt. Auch der ÖVP-Bürgermeister selbst wurde zweimal befragt – als Zeuge wohlgemerkt, gegen ihn wird nicht ermittelt. Die Angaben erfolgten somit unter Wahrheitspflicht.

In einer ersten Einvernahme am 4. Mai 2022 überraschte der Bürgermeister die Ermittler mit der Aussage, dass er Ende November, Anfang Dezember 2016 „beim Sprechtag des ÖAAB Herrn August Wöginger getroffen“ und diesen angesprochen habe, ob „er für mich ein gutes Wort einlegen kann, wenn ich mich bewerbe“. Der türkise Ortschef behauptete gegenüber den Ermittlern: „Ich kenne die Verbindungen von Herrn Wöginger nicht genau, er meint (sic!) dann zu mir, er werde dann schauen, oder so ähnlich. Erst im Nachhinein, als die Chats öffentlich wurden, habe ich mitbekommen, dass er anscheinend bei Herrn MMag. Schmid interveniert hatte, genau weiß ich es aber nicht.“

Mehrmals mit Wöginger gesprochen

In einer zweiten Zeugeneinvernahme am 8. Juli 2022 legte der Bürgermeister dann offen, gleich mehrmals mit Wöginger über seine privaten Karrierewünsche gesprochen zu haben. Einmal davon bereits Mitte 2016: Er habe damals „zwei mögliche Vorstellungen über meine Karriere“, gehabt, nämlich entweder Vorstand eines zur Besetzung anstehenden oberösterreichischen Finanzamts zu werden oder Vorstand eines anderen Finanzamts, gab der Bürgermeister zu Protokoll. „Im Sommer 2016 habe ich Wöginger einmal über diese meine Vorstellungen informiert. Ich glaube, das war persönlich. Meiner Erinnerung nach habe ich ihn da im Sommer 2016 noch nicht um Unterstützung gebeten, sondern ihn nur informiert.“

Dass ein Parteifunktionär der unteren Ebene einen der höheren Ebene über private Karriereziele informiert – noch dazu in der öffentlichen Verwaltung – ist jedenfalls bemerkenswert. Insbesondere, da der Bürgermeister ebenfalls aussagte, seine Bekanntschaft mit Wöginger sei „nicht privat“ gewesen. Ende November, Anfang Dezember 2016 kam es dann – dem Ortschef zufolge – zu jenem Gespräch, bei dem er Wöginger „sinngemäß gebeten“ habe, ob er für ihn „ein gutes Wort einlegen könne“. Soweit er sich erinnern könne, habe Wöginger keine konkreten Versprechungen gemacht, auch nicht mit Verweis auf ihre Parteifreundschaft, gab der Bürgermeister zu Protokoll: „Ich war aber schon bei ihm, weil er bei derselben Partei war und ist wie ich. Als ‚Roter‘ wäre ich nicht zu ihm gegangen.“ Auf die gemeinsame Tätigkeit im ÖAAB (Anm.: der ArbeitnehmerInnen-Flügel der ÖVP) und auf die Parteifreundschaft habe er Wöginger nicht hingewiesen, sagte der Bürgermeister aus: „Das war nicht notwendig, wir wussten es ja beide.“

Er wisse nicht mehr, was genau er sich dabei gedacht habe, beteuerte der Bürgermeister in seiner Einvernahme: „Ich habe mir nichts Großartiges dabei gedacht. Ich hatte auch keine große Erwartungshaltung ihm gegenüber. Ich habe mir gedacht, er ist gut vernetzt und kennt vielleicht jemanden. Ich würde das jetzt nicht mehr machen. Ich habe daraus gelernt.“

Bürgermeister: „Wöginger wirkte nicht überrascht“

Seinerzeit war der Bürgermeister von dieser Erkenntnis jedoch offenbar noch weit entfernt: Der türkise Ortschef sprach – seinen eigenen Angaben zufolge – sogar noch ein drittes Mal mit Wöginger über seine beruflichen Ambitionen. „Ich glaube, das war bei einer Veranstaltung, weiß es aber nicht genau. Ich denke, dass das nach dem Zeitpunkt war, als ich meine Bewerbung abgegeben hatte. Ich habe ihm gesagt, dass ich mich nun beworben hatte. Er hat dann ja schon davon gewusst, dass er ‚ein gutes Wort einlegen sollte‘, daher waren weitergehende Informationen oder Gespräche nicht erforderlich“, heißt es im Einvernahmeprotokoll.

Schon in seiner ersten Zeugeneinvernahme erzählte der Bürgermeister, dass er mit Wöginger – nach erfolgter Besetzung – am 1. April 2017 am ÖVP-Landesparteitag in Linz gesprochen habe. Er habe dem Abgeordneten mitgeteilt, dass er die Stelle erhalten habe, Wöginger habe ihm gratuliert. „Gefragt, ob Herr Wöginger überrascht war, dass ich es wurde, gebe ich an, dass ich das nicht genau weiß, aber ich kann mir schon vorstellen, dass er es im Hintergrund bereits wusste. Also er wirkte ehrlich gesagt nicht überrascht auf mich.“

Wöginger: „Selbstverständlich keinerlei Beeinflussung“

Wöginger hat – wie alle anderen Beschuldigten auch – sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Auf profil-Anfrage teilt der Klubobmann mit: „Selbstverständlich ist es durch mich zu keinerlei Beeinflussung des Verfahrens zur Bestellung des Leiters des Finanzamts … gekommen und ich habe mir … nichts vorzuwerfen. Wie Ihnen ja aber bekannt ist, ist das Ermittlungsverfahren derzeit noch anhängig und sind weitere Ermittlungen der zuständigen Behörde in diesem Verfahren vorstellbar. Diesen Ermittlungen der zuständigen Behörde möchte ich keinesfalls vorgreifen, sodass derzeit eine Stellungnahme zu den in Ihrer Anfrage angesprochenen Aspekten nicht möglich ist, sondern der zuständigen Behörde zur Klärung vorbehalten bleibt.“

Schmid-Anwalt Thomas Kralik teilte auf profil-Anfrage mit, sein Mandant werde „zum gegebenen Zeitpunkt den Ermittlungsbehörden Rede und Antwort stehen, aber er wird sich weiterhin nicht öffentlich äußern“. Der Bürgermeister wiederum leitete eine profil-Anfrage an die Pressestelle des Finanzministeriums weiter. Von dort hieß es in der Folge, dass man zu laufenden Verfahren keine Stellungnahme abgebe. Der Anwalt der Mitglieder der Begutachtungskommission teilte mit: „Wir kommentieren laufende Verfahren nicht medial.“

Qualifikation ein Thema?

Wöginger sitzt seit Dezember 2002 für die ÖVP im Nationalrat und übernahm erstmals im Dezember 2017 die Funktion des Klubobmanns. Bei Bekanntwerden der Ermittlungen Anfang 2022 ließ der Politiker wissen, er habe den Bürgermeister „stets für einen qualifizierten und geeigneten Kandidaten“ gehalten.

Der Bürgermeister war bereits zuvor in der Finanz tätig gewesen, allerdings als Controller und nicht etwa als ausgewiesener Experte für Steuerrecht in leitender Funktion. Die unterlegene Kandidatin hatte das entsprechende Finanzamt hingegen bereits interimistisch geleitet. In seiner zweiten Zeugeneinvernahme wollten die Ermittler vom Bürgermeister wissen, ob bei der Besprechung mit Wöginger die Qualifikation ein Thema gewesen sei. Der Ortschef gab zu Protokoll: „Soweit ich mich erinnern kann, haben wir nicht darüber geredet, vor allem nicht, was ich bei der Finanz genau gemacht habe. Vielleicht habe ich ihm gesagt, dass ich beim Controlling war, weiß ich aber nicht mehr genau. Wöginger wusste grundsätzlich, dass ich bei der Finanz arbeite.“ Stimmt diese Angaben, scheint die Qualifikation nicht das vordringliche Thema gewesen zu sein.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.