Wirtschaft

Coca-Cola: Zum Jubiläum eine Warnung vor der Zuckersteuer

Seit 95 Jahren ist Coca-Cola Österreich am Markt aktiv. Auch wenn kalorienfreie und -arme Produkte eine immer wichtigere Rolle spielen, schwebt die Zuckersteuer wie ein Damoklesschwert über der Firma. Auch auf der Geburtstagsfeier des Österreich-Ablegers.

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Fünfzehnter Stock, Ausblick über den Wiener Donaukanal, am Horizont sieht man die Windräder im Burgenland. In einer Eventlocation im zweiten Bezirk feiert Coca-Cola diese Woche nicht nur sein 95-jähriges Firmenbestehen in Österreich. Auch das Werk in der 800-Seelengemeinde Edelstal, weit hinter den Windrädern im Norden des Burgenlands, wird gefeiert: „Vier von fünf verkauften Coca-Cola-Getränken werden dort produziert“, sagt Herbert Bauer, General Manager von Coca-Cola HBC Österreich: „Wir haben über die letzten zehn Jahre 150 Millionen in unser Werk- und Logistikzentrum investiert. Und haben damit wahrscheinlich eines der modernsten Logistik- und Abfüllwerke in Europa hier in Österreich“, sagt Bauer. Es ist aber nicht nur eine Geburtstagsfeier, viele Wortmeldungen richten sich durch die Blume auch an eine nächste Regierung. Die Botschaft ist klar: Neue Steuern soll es keine geben. Schon gar keine Zuckersteuer.

Viele der fast 900 Mitarbeiter:innen in Österreich feiern das Jubiläum über den Dächern Wiens. Neben zahlreichen Shareholdern haben sich auch Vertreter:innen der heimischen Wirtschaft auf den Stehtischen vor den Redner:innen eingefunden. Einer davon ist Christian Helmenstein, der Chefökonom der Industriellenvereinigung.

Das Coca-Cola Ökosystem in Österreich

Helmenstein ist es auch, der den Anwesenden die wichtigsten Erkenntnisse einer von Coca-Cola in Auftrag gegebenen Studie einordnet. Steward Redqueen, ein internationales Beratungsunternehmen für Nachhaltigkeit und Impactmessung, hat darin den Einfluss des Coca-Cola-Systems auf den Wirtschaftsstandort Österreich gemessen. Entlang der Wertschöpfungskette unterstütze ein Coca-Cola-Arbeitsplatz österreichweit 16 weitere, von einem erwirtschafteten Euro würden 79 Cent im Land bleiben. Rund 689 Millionen Euro betrage das von und mit Coca-Cola generierte Steueraufkommen in Österreich laut der Studie. Den gesamten Inhalt kennen nur Coca-Cola und Steward Redqueen, die Studie war auf profil-Nachfrage nicht zu bekommen.

Der Ökonom gratuliert zur Firmengeschichte und betont die Relevanz internationaler Konzerne in Österreich. Schließlich seien sie es, die durch Innovation und Investitionen vorangehen. „Was wäre denn für internationale Unternehmen in Österreich hilfreich?“, fragt die Moderatorin und spielt den Ball mit „die Zuckersteuer wird es ja wohl nicht sein“, an Helmenstein weiter.

Dass das Gespräch auf das Thema gelenkt wird, ist wohl nicht ganz zufällig – und eine Botschaft an die nächste Regierung, wie auch immer sie aussehen möge. Denn um das Budgetloch zu stopfen, wird bei Expert:innen schon offen über mögliche neue Einnahmequellen für den Staat diskutiert. Aber welche Auswirkung hätte eine solche Steuer, die es in neun anderen EU-Ländern und in Katalonien gibt, auf einen Traditionskonzern wie Coca-Cola? Und welchen Beitrag könnte so eine Abgabe beim Sanieren des Staatsbudgets leisten?

Unter anderem mit dieser Frage hat sich jüngst auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), der Fiskalrat und das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) beschäftigt. Weil das Budgetdefizit laut Prognosen die Maastricht-Kriterien von drei Prozent übersteigen wird, braucht es Maßnahmen, so die Ökonom:innen. Zwar würden die größten Hebel beim Zurückschrauben des Defizits, in Reformen wie etwa im Gesundheitsbereich und beim Abbau von Doppelgleisigkeiten im Förderwesen zwischen Bund und Länder liegen. Die Expert:innen der drei Institute brachten aber auch neue Steuern beziehungsweise kurzfristige Steuererhöhungen ins Spiel. Etwa bei der Grund-, der Mineralöl- beziehungweise der Tabak- und Alkoholsteuer. Und: Auch die Einführung einer Zuckersteuer sei eine Möglichkeit, so die Wirtschaftsforscher:innen.

Wie viel Einnahmen könnte so eine Steuer generieren und was würde sie gesellschaftlich bringen?

„Eine Zuckersteuer könnte einen Beitrag dazu leisten, Übergewicht zu vermindern, was wiederum die entsprechenden Folgekosten für die öffentliche Hand längerfristig reduzieren würde.“

Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo)

profil hat bei Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wifo nachgefragt. Sie hält fest: „Eine Zuckersteuer wäre nur ein relativ kleines Element eines umfassenden Konsolidierungspakets und sie würde auch erst mittelfristig Einnahmen erbringen, weil ja nicht nur eine bestehende Steuer einfach erhöht, sondern eine neue eingeführt werden müsste.“ Würde sich ein für die österreichische Situation passendes Modell finden und in ein Gesetz gegossen werden, dann „könnte eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke größenordnungsmäßig vielleicht 50 Millionen Euro bringen“, sagt Schratzenstaller.

Wie viel bringt eine Zuckersteuer?

Außerdem könne eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke die Hersteller dazu veranlassen, den Zuckergehalt in ihren Produkten zu reduzieren, meint die Wirtschaftsforscherin. Eine solche Abgabe hätte Expert:innen zufolge aber nicht nur Auswirkungen auf die Staatseinnahmen und die Rezeptur der Hersteller. Eingebunden in einen „Maßnahmenmix“ aus Informationskampagnen und dem Kennzeichnen solcher Produkte, könne eine solche Abgabe zu einem geringeren Zuckerkonsum führen – Entlastungen der Staatsausgaben inklusive: „Sie könnte also einen Beitrag dazu leisten, Übergewicht zu vermindern, was wiederum die entsprechenden Folgekosten für die öffentliche Hand längerfristig reduzieren würde. Somit kann sie mittelfristig einen kleinen Beitrag zur Konsolidierung leisten und längerfristig zur Dämpfung der Ausgabendynamik im Gesundheitswesen beitragen“, sagt Schratzenstaller.

Was aber sagt Coca-Cola Österreich zu dieser Überlegung? Welche Auswirkungen es auf die Firma und ihre Produkte haben würde, wollte der Konzern nicht beantworten und verwies auf die „Auswirkungen auf die 2000 österreichischen Rübenbäuerinnen und -bauern sowie die verarbeitende Industrie.“ Zuckerfreie oder zuckerreduzierte Produkte spielen wirtschaftlich aber mittlerweile eine bedeutende Rolle am österreichischen Markt von Coca-Cola: „In Österreich sind mehr als die Hälfte aller verkauften Getränke aus dem Hause Coca-Cola kalorienarm oder -frei“, schreibt der Konzern.

Ein Trend, der auch aufgrund internationaler Entwicklungen zu beobachten ist, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im aktuellen Agrarausblick schreibt. Während in Ländern des Globalen Südens der Pro-Kopf-Zuckerkonsum auch künftig ansteigen wird, dreht sich die Situation in westlichen Ländern, wo der Zuckerkonsum im Allgemeinen hoch ist. Grund für die Trendwende sind gesundheitliche Bedenken, die laut OECD künftig dafür sorgen wird, dass der Rückgang des Pro-Kopf-Verbrauchs voraussichtlich anhalten wird.

27 Gramm Zucker

Zurück in der Eventlocation im 15. Stock über dem Wiener Donaukanal. „Was wünschen Sie Coca-Cola für die nächsten 95 Jahre? Abgesehen von weniger Steuern“, leitet die Moderatorin die Schlussrunde des Podiumsgesprächs ein. IV-Chefökonom Helmenstein antwortet mit einem Lächeln im Gesicht: „Aber das wäre schon mal ein guter Anfang. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit dramatisch, dass wir Coca-Cola in 190 Jahren ebenfalls noch haben“, sagt Helmenstein bevor er seine Zukunftswünsche loswird. „Vor allem die Kraft, weiterhin kundenorientierte Produktinnovationen auf den Boden zu bringen“, so der Wirtschaftsforscher. Denn bereits heute setzt Coca-Cola auf einen digitalen Twin: also auf einen digitalen Zwilling, der den gesamten Produktionsablauf visualisiert und dabei hilft, Prozesse zu optimieren und datengestützte Entscheidungen zu treffen.

„Ja, es gibt Coca-Cola, aber es gibt auch noch andere Getränke aus dem Sortiment“, sagt die Moderation, bevor sie den offiziellen Teil beendet. Ein Glas oder eine Dose (250 ml) des angesprochenen Coca-Cola Original Taste enthält laut deutscher Firmenwebsite 27 Gramm Zucker. Wie viel Süßstoff künftig in Edelstal den Weg in die Dosen und Flaschen findet, wird sich zeigen. Mit oder ohne Zuckersteuer.

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.