Commerzialbank: Wie Wiener Wohnbaumillionen nach Mattersburg flossen
Die CBM war als Bank mit guten Konditionen bekannt." - "Die Zusammenarbeit mit der CBM funktionierte immer gut und problemlos." - "Die CBM wurde von einer renommierten Wirtschaftsprüfungskanzlei geprüft." "Die Termingeschäfte wurden immer termingerecht zurückgeführt." Sie lesen: Auszüge aus Zeugenbefragungen durch Beamtinnen und Beamte des Landeskriminalamts Burgenland. Im März und April dieses Jahres hatte die "Soko Commerz" Leute aus unterschiedlichen Ecken vernommen, unter ihnen zwei Vertreter gemeinnütziger Wiener Wohnbaugesellschaften, ein burgenländischer Banker, ein niederösterreichischer Ärztekammer-Funktionär, eine Buchhalterin der Arbeiterkammer Burgenland.
Was sie eint, ist die Buchstabenfolge CBM-die Kurzform für Commerzialbank Mattersburg, zugleich die Chiffre für einen Fälscher- und Aufsichtsskandal ohne Präzedenz.
In der vorangegangenen Ausgabe veröffentlichte profil auf Grundlage von Dokumenten aus dem Gerichtsakt erstmals Auszüge aus der langen CBM-Gläubigerliste. Mit Ende April dieses Jahres hatten sich 373 Gläubigerinnen und Gläubiger im Konkurs der Commerzialbank aufgereiht, sie fordern zusammen 806 Millionen Euro (bereits anerkannt hatten die Masseverwalter der Kanzlei Kosch& Partner davon 611 Millionen Euro).
Ganz vorn steht die Einlagensicherung Austria, sie allein macht 488,7 Millionen Euro geltend und wird im Konkurs auch als Einzige bedient werden. 317 Millionen Euro teilen sich unter anderem 18 gemeinnützige Bauträger, vier Banken, eine Versicherung, eine Handvoll privater Firmengruppen, zehn burgenländische Gemeinden, zwei Pfarrkirchen, Kleingartenvereine, Wasserverbände, Kammerorganisationen - und das einstmalige Team Stronach.
Was die Zeuginnen und Zeugen den Ermittlern zu sagen hatten, lässt sich in einer Feststellung verdichten: Gute Zinsen wirken leider sehr anziehend-auch und gerade auf Leute, die von Berufs wegen mit Geld hantieren.
Die Wohnbaumillionen
Keine Frage, mit 100 Millionen Euro aufwärts ließe sich Vernünftigeres anstellen, als sie abzuschreiben. Man könnte zum Beispiel erschwingliche Wohnungen bauen. Wie berichtet, haben 18 gemeinnützige Wohnbaugesellschaften, vornehmlich aus Wien, zusammen rund 114 Millionen Euro im Commerzialbank-Konkurs angemeldet. Hinzu kommen Forderungen von Firmen, an welchen diese Gemeinnützigen beteiligt sind-was die Schadenssumme weiter in die Höhe treibt.
Beispiel 1: Die Wiener Wohnbaugenossenschaft Heimbau und ihre Hälftebeteiligung Eisenhof GmbH (die zweite Hälfte gehört der SPÖ-nahen Wiener Sozialbau AG, deren Generaldirektor der ehemalige SPÖ-Kanzleramtsminister Josef Ostermayer ist).Die Heimbau verliert im CBM-Konkurs 4,9 Millionen Euro, bei der Eisenhof sind es weitere 2,9 Millionen Euro (nach Abzug von jeweils 100.000 Euro Einlagensicherung).
Man habe 2012 erstmals Geld in Mattersburg veranlagt, schilderte der Chef beider Firmen Gerald Rubik der Soko Commerz. Die CBM sei "als Bank mit guten Konditionen" bekannt gewesen. Dabei handelte es sich um immer wieder verlängerte "Termineinlagen", wobei das Volumen stets gleich blieb: Fünf Millionen Heimbau, drei Millionen Eisenhof, acht Millionen insgesamt. Die Commerzialbank war zwar nicht die einzige Bankverbindung, aber keine ganz unbedeutende. Ausgehend von den Zahlen Ende 2019 (jüngere liegen nicht vor) hatten Heimbau und Eisenhof damals rund 18 Prozent ihrer flüssigen Mittel in Mattersburg liegen.
Engere Kontakte zur Bank habe es keine gegeben, sagte Rubik, auch sei ihm bis zuletzt nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Zur Geschäftsanbahnung habe man den damals aktuellen Jahresabschluss, eine Auskunft des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV) und ein Zinsenangebot eingeholt, später habe die Commerzialbank "eigeninitiativ" ihre Geschäftsberichte übermittelt. "Auf den jährlichen geprüften testierten Geschäftsbericht haben wir bestanden."
Beispiel 2: Die im Eigentum der Gemeinde Wien stehende gemeinnützige Gesiba-Gruppe. Sie hat auf drei Wegen Geld verloren: 8,9 Millionen Euro fehlen der Gesiba AG, 6,9 Millionen Euro fehlen der Wohnpark Alt-Erlaa AG, an welcher die Gesiba 66 Prozent hält, und noch einmal 500.000 Euro fehlen der 50-prozentigen Beteiligungsgesellschaft Gasometer-Mall Betriebs-GmbH, insgesamt also 16,3 Millionen Euro. Auch hier handelte es sich um Termingelder, die ersten waren bereits 2007 veranlagt worden.
Zur Geschäftsanbahnung wisse sie nichts, sagte eine Managerin der Gesiba-Gruppe bei ihrer Einvernahme, das habe ihr Vorgänger verantwortet. Die Commerzialbank habe jedenfalls "im Verhältnis zu den Großbanken" die "besseren Zinskonditionen" geboten. Die Zusammenarbeit mit der CBM habe immer "problemlos und gut funktioniert".Wie man sich der Bonität der Bank vergewisserte? "Ein KSV-Auszug für das Jahr 2018 sowie die mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk testierten Jahresabschlüsse. Das KSV-Rating zeigte eine Ausfallswahrscheinlichkeit von 0,01% =kein Risiko."
Das Schweigen der Ärzte
Die Ärztekammer Niederösterreich hatte zum Zeitpunkt der CBM-Schließung am 14. Juli 2020 exakt 2.255.842,52 Euro in Mattersburg liegen, abzüglich der Einlagensicherung bleibt ein Schaden von 2,155 Millionen Euro. Es habe sich um "kurzfristige Termineinlagen" gehandelt, die zwei Wochen nach der Schließung zur Rückzahlung fällig gewesen wären, sagte der Rechnungsdirektor der Ärztekammer Johann Höbart bei seiner Zeugenbefragung. Darüber hinaus sagte er nicht viel. Er sei vor Jahren durch den damaligen Wirtschaftsprüfer der Bank auf die CBM "aufmerksam" geworden, zum Verlauf und Umfang der Veranlagungen könne er aber nichts sagen: Verschwiegenheitspflicht. Ob er auch privat eine Geschäftsbeziehung zur Commerzialbank hatte? "Ich berufe mich auf das Bankgeheimnis." Das ist eigentlich das Berufsgeheimnis der Banker. Höbart ließ eine profil-Anfrage unbeantwortet.
Das Back-up der Arbeiterkammer
Auch die Arbeiterkammer Burgenland erlag der Versuchung Mattersburg-und fordert jetzt im Konkurs 303.448 Euro. Die Geschäftsbeziehung sei wohl vor etwa zehn Jahren durch einen verstorbenen Kollegen angebahnt worden, sagte die Buchhalterin der AK bei ihrer Vernehmung. Man habe zwei Termineinlagen als "Back-up für die Liquidität" für jeweils sechs Monate geführt, letztmals verlängert am 20. Juni 2020, also drei Wochen vor der Schließung. Warum? Die Verzinsung sei mit zuletzt 0,375 Prozent "relativ gut" gewesen. "Ich habe die wirtschaftliche und finanzielle Situation als gut eingeschätzt und bin davon ausgegangen, dass die Einlagen zurückbezahlt werden können."
Das Kreuz mit dem Giebel
Für den Raiffeisen-Geldsektor ist die Commerzialbank-Geschichte eine mehrfach vertrackte Sache: Mitte der 1990er-Jahre hatte man Martin Pucher und seine Raika Schattendorf aus dem Sektor geworfen und sich damit zumindest im Nordburgenland einen hartnäckigen Konkurrenten eingehandelt. Ein Vierteljahrhundert später muss Raiffeisen die Hauptlast des Konkurses tragen, weil man zuletzt den größten Anteil am Entschädigungsfonds der Einlagensicherung hatte (noch: Raiffeisen bildet jetzt ein eigenes Sicherungssystem). Darüber hinaus ist die Raiffeisenbank Althofen-Guttaring neben der BTV, der Bausparkasse Wüstenrot und der Allianz Investmentbank eine von vier geschädigten Banken, ihr allein fehlen 5,8 Millionen Euro.
Man habe die Geschäfte 2013 aufgenommen, sagte der Geschäftsleiter den Ermittlern. Dies, nachdem die Nationalbank im Zuge einer Prüfung 2012 festgestellt hatte, dass "wenn wir als selbständige Bank gelten wollen, wir in der Lage sein müssten, unsere Liquidität eigenmächtig zu steuern. Folglich durften wir nicht unsere gesamte Liquidität bei einer Landesbank veranlagen." Und die Bonitätsprüfungen? Umfangreich, laufend. Nicht nur in der Bank selbst. "Die Veranlagungen wurden weiters von unserer Revisionsbank, der RLB Kärnten, ebenfalls jährlich geprüft. Auch der Revisionsbank sind dabei keine Ungereimtheiten aufgefallen."
Seine alleinige Ansprechpartnerin war übrigens die Mattersburger Direktorin Franziska Klikovits. "Über die wirtschaftliche Situation der CBM hat sie nie gesprochen."Warum wohl.
Anmerkung der Redaktion: Wir berichteten in profil-Printausgabe Nr. 37 vom 11./12. September, dass laut der Gläubigerliste auch der Pensionsfonds der Wirtschaftskammer 32.000 Euro im Commerzialbank-Konkurs fordere. Der Pensionsfonds der Wirtschaftskammer legt Wert auf die Feststellung, dass die Forderung nicht aus einer Einlage, sondern einer fällig gewordenen Bankgarantie stammte. Ein Mieter in einem Zinshaus des Pensionsfonds hatte der Hausverwaltung die Kaution im Wege einer Bankgarantie geleistet, die gezogen wurde, nachdem der Mieter Geld schuldig geblieben war. Die Forderung wurde zwar im Konkurs angemeldet (und von den Masseverwaltern anerkannt). Laut dem Pensionsfonds wurde mit dem Mieter inzwischen aber eine Zahlungsvereinbarung getroffen, womit die Konkursforderung gegenstandslos ist.