Jutta Pregenzer, Pregenzer Fashion Store

Corona-Härtefall-Fonds: "Als Kleinunternehmer wird man richtig verarscht"

Mit dem Härtefall-Fonds sollten Unternehmer in Corona-Zeiten staatliche Unterstützung bekommen. Das Vorhaben darf als gescheitert betrachtet werden.

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"Schnell und unbürokratisch" wolle man helfen - "koste es, was es wolle" und: "Wir lassen niemanden zurück", erklärte die Bundesregierung zu Beginn der Coronavirus-Krise. Aussagen, die den Betroffenen mittlerweile lediglich ein bitteres Lächeln ins Gesicht zaubern. Seit vielen Wochen stehen viele Einzel-und Kleinunternehmer ohne Umsatz da und warten auf adäquate Hilfe. Mit dem Härtefall-Fonds sollten die Unternehmer Unterstützung für ihre persönlichen Lebenshaltungskosten bekommen.

Laut Wirtschaftskammer Österreich (WKO) wurden bereits 90 Prozent aller Anträge bearbeitet. Auf 153.000 Selbstständige seien insgesamt 160 Millionen Euro ausbezahlt worden, was einen durchschnittlichen Förderbeitrag von 1046 Euro pro Person ergibt. Wie viele Anträge abgelehnt wurden, wird nicht verraten. Unternehmer, die mit mickrigen Beträgen abgespeist wurden, können diese nicht nachvollziehen. Viele vermuten einen Programmierfehler. "Der Auszahlungsbetrag kann nur dann weniger als 500 Euro pro Monat betragen, wenn ein Nettoeinkommen, Nebeneinkünfte oder entsprechende Versicherungsleistungen vorliegen und im jeweiligen Monat insgesamt schon den Betrag von 1500 Euro übersteigen", sagt indes WKO-Sprecher Markus Kirchschlager. Die Vorgaben und Berechnungsmethoden sind jedenfalls derart komplex, dass sie offenbar nicht einmal von Steuerberatern verstanden werden. Die Prozesse seien automatisiert, doch die Mitarbeiter der WKO stünden für individuelle Beauskunftung und spezielle Fragen jederzeit zur Verfügung, erklärt Kirchschlager.

In den sozialen Netzwerken brodelt es. Der Ärger über Finanzministerium und WKO, in der Kleinunternehmer ohnehin nie eine Heimat hatten, ist groß. "Die Situation ist wirklich katastrophal. Etliche entwickeln schon suizidale Gedanken", sagt Sonja Lauterbach. Die Unternehmensberaterin hat die Facebook-Gruppe "EPU Österreich - Gemeinsam durch die Coronakrise" ins Leben gerufen und kennt die Sorgen der Kleinen. Das Hilfsprogramm sei völlig dilettantisch und fern jeder Praxis aufgesetzt. "Viele Kleinunternehmen werden es spätestens im Herbst nicht mehr schaffen. Wir werden eine enorme Pleitewelle sehen", meint auch Barbara Huber, die als Unternehmensberaterin und Bilanzbuchhalterin auf Kreativbranche und Dienstleister fokussiert ist.

Nun wird weitere Hilfe mit dem Fixkostenzuschuss - dem allerdings bis Redaktionsschluss die Notifizierung durch die EU fehlte -versprochen. Seit vergangener Woche können die Anträge gestellt werden. Bereits jetzt zeigt sich: Auch dieses Instrument droht zum Rohrkrepierer zu werden.

Do Laura Heneis / kunstfotografin.at

Das Arbeitspensum der vergangenen Wochen war überschaubar. Genau vier Passfotos hat Do Laura Heneis seit dem Lockdown angefertigt. "Es ist alles weggebrochen. Eventfotografie ist im Moment sowieso kein Thema. Künstlerfotos werden keine benötigt, weil die selbst nicht arbeiten können. Hochzeiten, die immer für ein gutes finanzielles Polster sorgen, wurden abgesagt. Und wer weiß, ob die Paare nächstes Jahr tatsächlich noch heiraten werden?", sagt die Fotografin. Es benötigt keinen Buchhalter, um zu wissen, dass man von so einer Auftragslage nicht leben kann. 500 Euro hat Heneis aus dem Härtefall-Fonds erhalten: "Um den Antrag auszufüllen, braucht man ein Studium. Ohne Steuerberaterin ist man da aufgeschmissen. Und die kostet auch Geld." Es sei auch egal, ob man 500,1000 oder 1500 Euro bekomme, am Ende des Tages sei es ohnehin zu wenig. "Dass man in so einer besonderen Situation nicht besser reagiert, ist mir unverständlich", sagt Heneis. Seit 16 Jahren arbeitet sie als selbstständige Fotografin, ob sie das auch noch in Zukunft wird tun können? Denn auch die Auflagen, unter denen sie derzeit zu arbeiten hat, machen ihr zu schaffen: "Ich darf beispielsweise nicht einmal mit Gummihandschuhen eine Locke aus dem Gesicht streichen, was die Arbeit nicht unbedingt leichter macht. Das dürfte ich nur, wenn ich Visagistin wäre", sagt Heneis. Zudem darf sie nur einen Kunden pro zehn Quadratmeter in ihr Atelier einlassen. "Ich habe 30 Quadratmeter. Das heißt, Familienporträts fallen auch aus", so die Fotografin. Die verlorenen Umsätze werden sich nicht mehr aufholen lassen, dieses Jahr werde sie komplett abschreiben müssen. "Aber wenn das nicht wieder anläuft, muss ich mir was anderes überlegen", meint Heneis.

Jutta Pregenzer / Pregenzer Fashion Store

Sonntag, 17. Mai, 19.36 Uhr. In Jutta Pregenzers Posteingang landet ein E-Mail. Betreff: "Härtefall-Fonds, Phase 2; Förderung genehmigt". Die Betreiberin des gleichnamigen Fashion Stores in der Wiener Schleifmühlgasse kann ihr Glück kaum fassen. Doch die Freude währt nicht lange. Gerade einmal die paar Sekunden, die sie benötigt, um die Nachricht zu öffnen und den ihr zugestandenen Förderbetrag zu lesen. Exakt 81,75 Euro. "Das ist eine Farce. Das ist ja nicht einmal ein Almosen", sagt die Kleinunternehmerin. Pregenzer hatte deutlich mehr erwartet. Ihr war zwar klar, dass sie als Vollzeit arbeitende Pensionistin mit Abzügen zu rechnen hatte, doch auch ihr Steuerberater war in seinen Berechnungen auf einen Förderbetrag von immerhin 1300 Euro gekommen. "Seit Wochen rechnet er die unterschiedlichen Förderinstrumente durch und füllt Anträge für mich aus. Ich zahle ihm ein Vielfaches dessen, was ich nun an Hilfsgeldern bekomme". Seit 29 Jahren führt sie das Geschäft, in dem sie die eigene Kollektion und fair produzierte Designerlabels vertreibt, hat "immer brav Steuern gezahlt und noch nie auch nur einen Cent Unterstützung bekommen". Dass sie von Mitte März bis Mitte April geschlossen halten musste, hat sie stark getroffen: "In der Modebranche sind das die wichtigsten Monate, weil man nur da die neuen Kollektionen zum regulären Preis verkaufen kann", sagt Pregenzer. Sie habe ein Lager mit Ware im Wert von 80.000 Euro. "Die kann ich im Prinzip in die Tonne klopfen, die werde ich nicht mehr los. Auch Mode ist verderbliche Ware." Pregenzer möchte die Hoffnung nicht verlieren, doch sie habe das Gefühl, Regierung und WKO wollen die Kleinen über die Klinge springen lassen.

Michael Schwingenschlögl / M van Shoxx Tattoo Art

"Ich habe jede Hürde genommen, die man mir in den vergangenen Jahren in den Weg gelegt hat. Und jetzt will sich der Staat aus der Pflicht stehlen. Das ist eine Frechheit", sagt Michael Schwingenschlögl. Vor sieben Jahren begann der Wiener eine Reihe von Ausbildungen, um sich als Tätowierer selbstständig machen zu können. Weil sich die Voraussetzungen dafür zwischenzeitlich änderten, dauerte es bis Jänner 2019, bis er endlich seine Gewerbeberechtigung in Händen hielt. Sein erstes Geschäftsjahr konnte er mit einem knappen Plus abschließen - das gelingt nicht jedem Jungunternehmer. Doch dann kam die Pandemie und mit ihr ein totaler Umsatzausfall. "Beim Härtefall-Fonds wird erwartet, dass man von einem Bruchteil des Gewinns die Lebenshaltungskosten bestreitet. Aber wie soll das gehen?", fragt Schwingenschlögl. Auch als Tätowierer erstelle man einen Businessplan. Er als Ein-Mann-Betrieb benötige einen durchschnittlichen Umsatz von 2500 Euro pro Monat, um seine betrieblichen und privaten Kosten decken zu können. Zwei Mal je 500 Euro bekam er aus dem Härtefall-Fonds zugesprochen. "Wenn ich vergleiche, was andere so bekommen, kann ich mich nicht beschweren. Aber das ist trotzdem nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Als Kleinunternehmer wird man richtig verarscht", meint Schwingenschlögl.

Bei der WKO habe man ihm empfohlen, einen Überbrückungskredit zu beantragen. "Das will ich aber nicht. Damit drängt man nicht verschuldete Unternehmen in die Schuldenfalle", so Schwingenschlögl. Generell sei er von der WKO "maßlos enttäuscht"."Dort sollen die Interessen der Unternehmen vertreten werden. Wenn so ein Maßnahmenpaket hingeknallt wird, hätte die Wirtschaftskammer sagen müsse: Das unterstützen wir nicht. Aber sie haben es nur abgenickt."

Sabine und Stefan Laub / LAUBlab

Angesichts der ausgezahlten Beträge, braucht es nicht zu verwundern, dass sich viele Selbstständige ob der staatlichen Unterstützung gefrotzelt fühlen. 12,97 Euro bekam etwa Stefan Laub aus dem Härtefall-Fonds überwiesen, bei seiner Frau Sabine waren es 86,08 Euro. Der Steuerberater des Unternehmerpaars war indes von jeweils 2000 Euro ausgegangen. Die Laubs hielten Rücksprache bei der WKO, dort zeigte man sich über die geringen Beträge ebenfalls erstaunt. Ihnen wurde empfohlen, die Anträge zurückzuziehen und das Berechnungsblatt anzufordern, um etwaigen eigenen Fehlern bei der Antragstellung auf die Schliche zu kommen. "Wir haben die Formulare mit Unterstützung unseres Steuerberaters ausgefüllt. Wenn nicht einmal ein Fachmann in der Lage sein sollte, die Vorgaben und Berechnungsmethoden zu durchschauen, läuft da etwas gewaltig schief", meint Stefan Laub. Mittlerweile sind rund zwei Wochen ins Land gezogen - wie ihre Anträge berechnet wurden, haben die Laubs aber immer noch nicht erfahren. "Langsam werden wir nervös, wir bräuchten das Geld schon dringend", sagt Stefan Laub. Das Paar, das ein Software-Unternehmen, spezialisiert auf 3D-Visualisierungen, betreibt, hat monatlich 35.000 Euro an Fixkosten für Büromiete, Hard-und Software sowie Gehälter für zwei Teilzeit-Angestellte zu stemmen. "Wir hatten einen hundertprozentigen Umsatzausfall. Ich finanziere das Unternehmen und auch den einen oder anderen freien Mitarbeiter ohne Einkommen inzwischen von meinem privaten Geld", sagt Laub. Dabei stoße er aber bereits an seine Grenzen: "Ich bin davon abhängig, dass mir geholfen wird", so der Unternehmer.

Claudio Farkasch / belichten.com

Bislang völlig leer ausgegangen ist indes Claudio Farkasch. Man könnte nun argumentieren, dass man, um überhaupt Hilfsgelder zu bekommen, diese auch beantragen müsse. Wenn es nur so einfach wäre. "In der ersten Phase konnte ich nicht einreichen, weil ich meine Steuererklärung noch nicht fertig hatte. Als es dann so weit war, habe ich von der Sache mit den Reisepässen erfahren", sagt der Fotograf. Rund eine Million österreichische Reisepässe - und damit deutlich mehr als in einem durchschnittlichen Jahr - laufen 2020 ab. Auch solche von Kleinunternehmern. "Mein Reisepass ist im April abgelaufen. Der früheste Termin, den ich bekommen habe, um ihn zu verlängern, ist der 3. Juni", sagt Farkasch. Und als urbaner Mensch besitzt er auch keinen Führerschein, mit dem er sich ausweisen könnte. Die WKO lehnte Anträge für den Härtefall-Fonds, bei denen ein abgelaufener Reisepass als Identitätsnachweis verwendet wurde, durchgängig ab. Obwohl es einen Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs gibt, wonach ein solcher sehr wohl als Identitätsnachweis geeignet ist. Die WKO rechtfertigte sich gegenüber Betroffenen, dass ihr dies vom Fördergeber so vorgegeben sei. Nachfrage im Finanzministerium: Es werde in Kürze eine Klarstellung an die Wirtschaftskammer geben, dass auch bis zu fünf Jahre abgelaufene Reisepässe zu akzeptieren seien, heißt es gegenüber profil. Die Betroffenen haben durch dieses Kommunikationschaos freilich viel wertvolle Zeit verloren. "Man kämpft mit Schwierigkeiten, die alles sehr kompliziert machen. Das Schlimmste ist aber der bürokratische Aufwand. Das ist wirklich eine Häkelei. Ich habe schon überlegt, es ganz zu lassen", sagt Farkasch. Dabei hätte der Wiener, der seit 2008 als Selbstständiger arbeitet, die Hilfsgelder bitter nötig: "Wenn ich nicht privat ein bisschen Rücklagen hätte, wüsste ich nicht, was ich essen soll. Aber noch hat mir die Epidemie nicht das Genick gebrochen."

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Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.