Corona-Krise: Mangelhafte chinesische Schutzmasken auch nach Österreich geliefert
Am 6. April berichteten wir über eine Enthüllung des Südtiroler Portals Salto.bz, wonach die Südtiroler Gesundheitsbehörden in China 500.000 Atemschutzmasken bestellt hatten, die über Wien nach Bozen geliefert wurden. Die für Südtirol bestimmte Charge hatte allerdings erhebliche Qualitätsmängel, wie gleich zwei Gutachten ergaben.
Im Zuge der profil-Recherchen kam auch die Frage auf, ob die Produkte dieses chinesischen Herstellers auch vom Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK) angekauft wurden. Das ÖRK war von der Bundesregierung zu Ausbruch der Corona-Krise mit der Beschaffung von Schutzausrüstung beauftragt worden. Dazu wurde ein Werkvertrag mit dem Wiener Wirtschaftsministerium geschlossen: Das Rote Kreuz kauft die Ware (im Wesentlichen Masken, Schutzanzüge und Handschuhe) ein, die Rechnungen gehen an das Wirtschaftsministerium.
Auf profil-Anfrage schrieb das ÖRK am 6. April: „Die in den erwähnten Gutachten geprüften Waren wurden nicht vom Roten Kreuz bestellt.“
Rotes Kreuz bestellte 20 Millionen Masken
Das ist insofern irreführend unvollständig, als das Rote Kreuz sehr wohl Atemschutzmasken bei diesem chinesischen Hersteller bestellt hat. Und zwar gleich 20 Millionen Stück des Typs „FFP2 ohne Ventil“. Das ergab eine Nachfrage beim Wirtschaftsministerium. Auf neuerliche profil-Anfrage teilte das Rote Kreuz am 7. April mit: „Es ist zutreffend, dass das Rote Kreuz im Auftrag der Republik 20 Millionen Masken bei jenem Hersteller bestellt hat, von dem auch die Lieferung nach Südtirol stammt, jedoch andere Chargen als nach Südtirol geliefert wurden. Die Bestellung ist nach wie vor aufrecht. Ein Teil der Bestellung, nämlich 1,7 Millionen Masken, ist bereits eingetroffen.“
Auch bei den bisher nach Österreich gelieferten Masken sind offenbar Qualitätsprobleme aufgetreten. „Die Masken wurden einer Prüfung unterzogen und sie werden derzeit entsprechend der festgestellten Schutzklasse gekennzeichnet“, schreibt das ÖRK. „Ein Teil der Bestellung entspricht der Schutzklasse FFP2 ein anderer Teil erreichte diesen Standard nicht, wurde abgewertet und wird als Mund-Nasen-Schutz zum Einsatz kommen. Durch diese Prüfungen konnten zwei Chargen definiert werden, die der Schutzklasse FFP2 entsprechen, der Rest der insgesamt 20 Mio. Masken wird aus diesen Chargen bezogen. Diese Bestellung wurde ebenfalls im Auftrag der Republik und nach der Freigabe des Gesundheitsministeriums getätigt.“
"Nicht nach europäischen Standards zertifiziert"
Der Bestellvorgang ist insofern erstaunlich, als das Rote Kreuz die Ware am 23. März in China orderte, ohne eine vom Wirtschaftsministerium angeordnete Stichprobenuntersuchung abzuwarten, die am 27. März vorlag. „Nachdem die für Südtirol bestimmten Masken in Wien eingetroffen waren, haben wir festgestellt, dass diese nicht nach europäischen Standards zertifiziert sind“, berichtet eine Vertreterin des Ministeriums gegenüber profil. „Wir haben daraufhin das deutsche Institut Dekra mit einer Prüfung beauftragt, um herauszufinden, ob diese Masken allenfalls auch in Österreich eingesetzt werden könnten.“ Wie berichtet, fiel die Dekra-Stichprobenuntersuchung verheerend aus, die Tests konnten nicht ordnungsgemäß abgeschlossen werden, weil die Masken schon die so genannten Anlegeprüfung nicht bestanden hatten. Stichwort: Passform.
Zu einem gleichlautenden Ergebnis kam auch das Wiener Amt für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT), das dem Verteidigungsministerium untersteht. Das ARWT arbeitete in diesem Fall dem Südtiroler Sanitätsbetrieb zu, wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums Michael Bauer auf profil-Anfrage erklärt: „Wir hatten den Auftrag der Südtiroler Gesundheitsbehörden, eine Prüfung der Atemschutzmasken vorzunehmen. Diesen Auftrag haben wir erfüllt. Was mit dem Gutachten in weiterer Folge geschehen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.“
In dem für Südtirol bestimmten ARWT-Gutachten heißt es unter anderem, dass bei 39 untersuchten Stichproben „ein Dichtsitz im Bereich des Kinns und den Wangen nicht möglich war.“ Und: „Der Grenzwert des Atemwiderstands der Halbmasken beim Ein- und Ausatmen wird nicht erreicht. Das liegt an dem relativ dünnen Vliesstoff, der einen entsprechend geringen Widerstand darstellt, und einer entsprechenden Qualitätskontrolle herstellerseits unterzogen werden müsste.“
Und wie schlägt die Beschaffung der für das hiesige Gesundheitswesen bestimmten „FFP2-Masken ohne Ventil“ made in China nun zu Buche? Österreich wäre nicht Österreich, würde man auf diese Frage nicht im Kreis geschickt. Auf Nachfrage im Wirtschaftsministerium heißt es: „Der Republik ist kein Schaden entstanden. Zu den genauen Kosten fragen Sie bitte das Rote Kreuz“. Auf Nachfrage beim Roten Kreuz heißt es: „Bitte erfragen Sie die Kosten bei den Auftraggebern.“
Eine Annäherung: Am 24. März hielt Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei einer Pressekonferenz für einen kurzen Moment eine Einkaufsliste der Republik in die Kameras, welche die Recherche-Plattform Addendum.org am 31. März auswertete. Auf der Liste finden sich auch die vom Roten Kreuz in China bestellten 20 Millionen Atemschutzmasken „FF2 ohne Ventil“. Auftragswert: rund 26 Millionen Euro.