Das war 2024: Signa-Gründer René Benko unter Druck
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Von außen wirkt die pompöse Villa in Igls, südlich von Innsbruck, wie eine uneinnehmbare Festung: Abweisende Mauern, hohe Hecken und Sicherheitseinrichtungen sollen ungebetene Gäste und Schaulustige auf Distanz halten. Am 25. Juni 2024 ab 8 Uhr in der Früh nützt jedoch die beste Abschirmung nichts. Zuerst kommen Polizisten, dann Kameras. Und für Signa-Gründer René Benko bricht die wohl schwerste von zahlreichen schweren Stunden im Jahr 2024 an. Razzia-Time.
Eigentlich war schon viel früher mit Hausdurchsuchungen gerechnet worden. Doch die heimischen Ermittlungsbehörden hatten sich lange nicht in die Karten schauen lassen, was sie denn in Sachen Signa-Pleite unternehmen würden. Bereits ein halbes Jahr zuvor, Ende 2023, war das milliardenschwere Immobilien- und Kaufhausimperium implodiert. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hielt sich mit der offiziellen Einleitung eines Verfahrens aber zunächst vornehm zurück. Im März 2024 wurden zumindest auf einer allgemeinen Ebene Ermittlungen bestätigt, im April dann, dass auch Unternehmensgründer René Benko höchstpersönlich davon betroffen war. Darauf folgte aus strafrechtlicher Perspektive jedoch im Wesentlichen Funkstille – bis zu den Morgenstunden des 25. Juni.
Handys, Computer und ein Porsche
Wie sich nun herausstellt, haben die WKStA und die SOKO Signa des Bundeskriminalamts die Zeit genutzt, um mehrere konkrete Verdachtsmomente herauszudestillieren. Diese scheinen ihnen nunmehr dicht genug, um bei Benko, bei mehreren Signa-Managern und bei der Firmengruppe selbst Hausdurchsuchungen durchzuführen. In Igls, wo sich Benkos Hauptwohnsitz befindet, rückt die Polizei mit mehreren Kleinbussen an. Die Ermittler haben nicht nur Handys, Computer und Geschäftsunterlagen im Visier, sondern auch einen Porsche 911 „Speedster“. Das Prachtstück wird von den Behörden per Autoanhänger abtransportiert – wohl besonders bitter für den gefallenen Immobilien-Tycoon, dem ein gewisses Faible für schnittige Wagen nachgesagt wird.
Wie es Benko persönlich an jenem Tag ergangen ist, ist nicht überliefert. Wer jedenfalls die Nerven behielt, war seine Ehefrau. Sie ging während der Amtshandlung mit dem Hund Gassi, schließlich gibt es Dinge, die keinen Aufschub dulden. Freilich steht auch fest: Die Razzia mag ein besonders einschneidendes Erlebnis für den Signa-Gründer gewesen sein – aber keinesfalls die einzige Belastungsprobe in diesem Jahr.
Benko von mehreren Seiten unter Druck
Der gefallene Immobilien-Tycoon stand 2024 gleich an drei Fronten enorm unter Druck: an jener des Strafrechts; in Bezug auf die Abwicklung des zerbröselten Signa-Imperiums; und nicht zuletzt auch mit Blick auf seine persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Wobei das alles nicht immer ganz leicht voneinander getrennt werden kann.
Die diesjährige Pechsträhne nahm bereits am 1. Jänner ihren Lauf. „Republik pfändet René Benkos Villa in Innsbruck“, titelte an diesem Tag die Austria Presseagentur. In den Wochen darauf folgten Schlagzeilen wie: „Signa-Inventar kommt unter den Hammer“, „Republik Österreich stellt Insolvenzantrag gegen René Benko“ und „Signa-Prime startet Verkauf von Luxusimmobilien in Wien“. Wohlgemerkt: Das war die Nachrichtenlage gerade einmal bis Mitte Februar. Manch anderer würde bereits da von einem schlechten Jahr sprechen. Bei Benko sollte es noch deutlich dicker kommen.
Konkurs eröffnet
Anfang März folgte der erste ganz große Knall: Nach den Pleiten diverser Signa-Firmen musste Benko nun auch selbst – in seiner Eigenschaft als Beratungsunternehmer – Insolvenz anmelden. Der frühere Milliardär hatte nicht mehr die flüssigen Mittel, um eine Abgabenforderung der Republik von rund 1,7 Millionen Euro zu begleichen. Das Landesgericht Innsbruck eröffnete ein Konkursverfahren. Im Zuge dessen kristallisierte sich nach und nach folgende Gemengelage heraus: Obwohl Benko seit 2013 bei Signa keine Organfunktion mehr innegehabt hatte, bezog er von dort enorme Summen. Demnach war der Unternehmensgründer bis November 2023 bei der Dachgesellschaft „Signa Holding GmbH“ angestellt gewesen – und zwar im Portfoliomanagement. Was normalerweise nach einem Job in der dritten Reihe klingt, brachte dem Tiroler laut Vertrag ein Monatsgehalt von rund 60.000 Euro brutto. Dazu war eine Prämie von 2,5 Prozent des Vorsteuergewinns der Holding vereinbart worden.
Quasi zum Drüberstreuen hatte Benko auch noch Beratungsverträge mit anderen Firmen der Signa-Gruppe laufen – für 200.000 bis 300.000 Euro pro Jahr. Von 2015 bis 2021 belief sich sein Einkommen auf insgesamt rund 78 Millionen Euro (vor Steuern). Mit der Pleite wesentlicher Signa-Teile Ende 2023 versiegten die üppigen Geldquellen aus dem Signa-Reich jedoch. Doch nicht nur deshalb muss Benko seither deutlich kleinere Brötchen backen. Das Konkursverfahren gipfelte bisher darin, dass der Masseverwalter einen Sachverständigen damit beauftragte, persönliche Gegenstände Benkos zu bewerten, um diese in der Folge zu versteigern. Wie profil exklusiv berichtete, fanden sich darunter Luxusuhren mit einem geschätzten Verkehrswert von insgesamt rund 140.000 Euro sowie Schmuck – Armbänder und Manschettenknöpfe – für weitere 30.000 Euro. Auch in der „Villa Ansaldi“ am Gardasee, die Benko bis vor nicht allzu langer Zeit gerne genutzt hat, schaute der Sachverständige zwecks „Befundaufnahme“ vorbei. Flugs inventarisierte er ein Sportboot „Malibu Wakesetter“ mit einem Schätzwert von 95.000 Euro und ein schnittiges „Sea-Doo“ – eine Art Wasserscooter – für 14.500 Euro.
Die Geldtöpfe der Familie Benko
All das mag für Benko schmerzhaft gewesen sein. Wichtige Aspekte seines Milliardärslebens sind dem gefallenen Immobilien-Tycoon trotz Pleite jedoch bis heute erhalten geblieben – nicht zuletzt der luxuriöse Wohnsitz in der riesigen Villa in Igls. Das Gebäude-Ungetüm soll – als Wellnessbereich – unter anderem einen Nachbau der berühmten Blauen Grotte von Capri beinhalten. Die Gläubiger haben auf die Luxusimmobilie bisher keinen Zugriff. Diese steht nämlich formal nicht im Eigentum von René Benko, sondern gehört der „Laura Privatstiftung“.
Das ist einer jener Geldtöpfe, in denen wesentliche Teile des Benko’schen Familienvermögens gebunkert sind. Dieses Vermögen besteht nämlich längst nicht nur aus einer – mittlerweile faktisch wertlosen – Beteiligung an der Signa-Gruppe, sondern auch weiterhin unter anderem aus höchst werthaltigen Immobilien. Wie profil Anfang des Jahres herausgefunden hat, zählen allein in Innsbruck Zinshäuser im Wert eines dreistelligen Millionen-Euro-Betrags dazu. Diese haben mit Signa nichts zu tun, sondern gehören Benkos Stiftung.
Rotwildjagd mit Dornauer
Ebenfalls nicht entsagen musste Benko seiner Jagdleidenschaft. Die „Laura Privatstiftung“ besitzt ein eigenes Gut in der Steiermark. Für Schlagzeilen sorgte unlängst, dass Benko dort ausgerechnet mit dem Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer auf der Pirsch war. Ein prächtiges Rotwild bezahlte die Aktion mit dem Leben. Dornauer wiederum musste nach Bekanntwerden der pikanten Angelegenheit seinen Rücktritt als Landesrat und Parteichef bekannt geben. Der Politiker bestritt, abgedrückt zu haben. Eine endgültige Klärung dieses nicht unwesentlichen Aspekts steht noch aus: Dornauer ist mit einem behördlichen Waffenverbot belegt. Ein toter Hirsch wirft da naturgemäß Fragen auf.
Bisherige Versuche, die „Laura Privatstiftung“ rechtlich zu knacken, scheiterten. Im Unterschied zu mehreren seiner engen Angehörigen zählt Benko selbst nicht zum Kreis der Begünstigten. Der Masseverwalter versucht dennoch, Zugriff auf das Vermögen der Stiftung zu erlangen. Falls es ihm gelingen sollte, wäre es wohl vorbei mit dem Luxusleben. Wie hoch die Erfolgsaussichten sind, bleibt abzuwarten. Selbst wenn sich der Masseverwalter durchsetzen sollte, würde es bis dahin wohl Jahre dauern. Ein langer Rechtsstreit scheint programmiert zu sein.
Bei der Signa-Abwicklung hakt es
Länger dauern wird es auch noch, bis das eigentliche Signa-Trümmerfeld aufgeräumt ist. Zur zusammengebrochenen Unternehmensgruppe gehörten ursprünglich rund 110 Immobilien und Immobilienprojekte. Um diese herum ist ein Firmenkonglomerat aus mehr als 1000 Signa-Gesellschaften gewachsen. Bis dato konnten erst einige der Projekte weiterverkauft und zu Geld gemacht werden. Ursprünglich war eine wirtschaftlich möglichst sanfte Abwicklungsvariante angedacht worden. Doch auch da hakt es mittlerweile ordentlich.
Mit Erhard Grossnigg wurde Ende 2023 zunächst ein Vertrauensmann von Signa-Großinvestor Hans Peter Haselsteiner als Sanierungsvorstand der wesentlichen Unternehmensteile „Signa Prime“ und „Signa Development“ bestellt. Die damals angestrebte Lösung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: möglichst viel Unabhängigkeit vom Insolvenzverwalter behalten, möglichst viel Zeit gewinnen – und darauf hoffen, dass sich in rund zwei Jahren der Immobilienmarkt so weit erholt hat, dass man dann das Liegenschaftsvermögen zu besseren Preisen abverkaufen kann.
Von vornherein schwang hier eine gute Portion Hoffnung mit. Die Gläubiger stimmten mit ausreichender Mehrheit zu. Einer stellte sich aber mit maßgeblichen Bedenken dagegen: Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, welche die Interessen der Republik vertritt. Er bekämpfte die Sanierungspläne der „Signa Prime“ und der „Signa Development“ bei Gericht. In Bezug auf die „Prime“-Sparte erhielt die Finanzprokuratur bereits recht – hier erfolgt nun eine harte Abwicklung im Rahmen eines Konkursverfahrens. Bezüglich der „Development“ ist eine Letztentscheidung noch ausständig.
Mehrere Ermittlungsverfahren gegen Benko
Zu den zahlreichen wirtschaftlichen Baustellen René Benkos gesellten sich im Lauf des Jahres nach und nach auch immer mehr strafrechtliche. Betont sei: Der Signa-Gründer hat jegliches Fehlverhalten immer bestritten. Fest steht aber auch, dass er von immer mehr Seiten unter Druck kommt.
Bereits seit 2022 ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Benko wegen Bestechungsverdachts rund um den früheren Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium, Thomas Schmid. Gemäß Verdachtslage soll Benko Schmid mit einem lukrativen Jobangebot bestochen haben, damit dieser bei einer Steuerprüfung interveniert.
Nach der Signa-Pleite kommt nun eine Reihe weiterer Vorwürfe hinzu: Im Durchsuchungsbeschluss vom Juni 2024 orteten die Ermittler unter anderem den Verdacht, Benko könnte einen Teil seines Vermögens beiseitegeschafft haben – zum möglichen Nachteil für die Gläubiger. Darüber hinaus wurde der Vorwurf erhoben, Benko und ein früherer Signa-Manager hätten eine Bank rund um eine Kreditverlängerung im Sommer 2023 über die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Signa-Gruppe getäuscht. Doch auch das ist noch nicht alles: Im Rahmen einer Kapitalerhöhung im Jahr 2023 soll gegenüber Co-Investoren der Anschein erweckt worden sein, dass Benkos „Familie Benko Privatstiftung“ der damals bereits schwer strauchelnden Signa Holding 35,5 Millionen Euro zuschoss, obwohl das Geld – kurz gesagt – lediglich im Kreis geschickt worden sei. Darüber hinaus prüfen die Ermittler, wie eine Villen-Firma am Gardasee Mitte 2023 in den Besitz einer Benko-Stiftung in Liechtenstein gekommen ist.
Haftbefehl aus Italien
Zur Razzia in Österreich hat sich zuletzt noch ein Haftbefehl aus Italien gesellt. Die dortigen Behörden prüfen den Verdacht, Benko könnte so etwas wie der Kopf einer kriminellen Vereinigung gewesen sein, und beantragten Hausarrest. Das Verfahren ist offenbar bereits seit fünf Jahren geheim im Laufen. Anfang Dezember 2024 schlugen die Ermittler zu: An mehr als 100 Orten wurden Hausdurchsuchungen durchgeführt, es gibt mehr als 70 Verdächtige. Die Verdachtslage umfasst Delikte wie Bestechung, Verrat von Amtsgeheimnissen und illegale Parteienfinanzierung. Es geht unter anderem um die Erlangung behördlicher Genehmigungen für Immobilien-projekte. Nicht alle Vorwürfe betreffen Benko. Dessen Anwalt, Norbert Wess, ließ wissen, sein Mandant sei „zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen“. An Italien ausgeliefert wird Benko nicht.
Konkurs, Haftbefehl, Razzia, Porsche weg, Boot weg, Manschettenknöpfe weg. Auch wenn René Benko es trotz allem geschafft hat, weiterhin das Leben eines Milliardärs zu leben: 2024 war für ihn ganz sicher ein Jahr zum Vergessen.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.