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Der 2,4-Milliarden-Dollar-Mann

In den geheimen Dokumenten aus den FinCEN Files spielt ein ukrainischer Oligarch eine besonders wichtige Rolle, der seit mehrere Jahren auch tiefe Spuren in Österreich hinterlässt: Dmitri Firtasch.

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Ein Jahr lang haben mehr als 400 Journalisten aus der ganzen Welt abertausende Finanztransaktionen analysiert, sich durch mehr als 2.100 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen und andere Dokumente gegraben sowie komplexe Geschäftsbeziehungen zwischen Banken und ihrer oft undurchsichtigen Klientel in aller Herren Länder unter die Lupe genommen. Am Ende wurden die zwanzig spannendsten Persönlichkeiten, Familien beziehungsweise Firmen ausgewählt, die im Rahmen der Recherche aufgetaucht waren. Unter diesen Top-20: der ukrainische Oligarch Dmitri Firtasch, der seit 2014 in Wien gegen eine Auslieferung an die US-Justiz kämpft.

 

Die FinCEN Files sind ein Datenleak, das aus Verdachtsmeldungen „(Suspicious Activity Reports“, SARs) großer Banken in den USA an die dortige Geldwäschemeldestelle, das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN), und aus anderen Dokumenten dieser Behörde besteht. Die Unterlagen wurden der Nachrichtenorganisation BuzzFeed News zugespielt und von dieser mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Washington geteilt. Das ICIJ organisierte eine weltweite Recherchekooperation: In Österreich analysieren profil und der ORF gemeinsam die Daten. Betont sei, dass Verdachtsmeldungen – wie der Name schon sagt – kein Beweis für tatsächliche Geldwäsche oder sonstiges Fehlverhalten ist. Die Meldungen enthalten aber jedenfalls Angaben zu Transaktionen, die den jeweiligen Banken selbst auffällig vorgekommen sind.

 

38 Verdachtsmeldungen

 

In Bezug auf Firtasch addieren sich diese Auffälligkeiten auf eine hohe Summe: 2,4 Milliarden US-Dollar. Geldtransfers in dieser Größenordnung haben Banken laut den Recherchen von ICIJ und Partnern im Rahmen von 38 Verdachtsmeldungen aufgezeigt. Die Zahlungen standen demnach in Zusammenhang mit dem Oligarchen beziehungsweise mit Firmen aus seinem Umfeld und wurden in den Jahren 2003 bis 2017 durchgeführt.

 

Dass die Banken letztlich Verdachtsmeldungen erstatteten, überrascht nicht: Die US-Justiz hatte 2014 in Chicago Anklage gegen Firtasch erhoben. Sie lastet ihm Bestechung in Zusammenhang mit einem geplanten Bergbauprojekt in Indien an, bei dem es einen Bezug zu den USA gegeben haben soll.

 

In der Anklage wird Firtasch im Wesentlichen vorgeworfen, Bestechungszahlungen von mindestens 18,5 Millionen Dollar an Amtsträger in Indien freigegeben zu haben, um Lizenzen für ein Bergbauprojekt zu erhalten. Er bestreitet das vehement. Ziel des Projekts war es unter anderem, sogenannten Titan-Schwamm an den US-amerikanischen Flugzeugbauer Boeing zu liefern.

 

Im März 2014 wurde Firtasch in Wien auf offener Straße festgenommen wurde und kam kurz darauf gegen eine Rekordkaution von 125 Millionen Euro aus der Auslieferungshaft. Seither lebt er in Wien quasi im goldenen Käfig, während seine Anwälte die Auslieferung an die USA bekämpfen.

 

2019 wäre es beinahe so weit gewesen. Nach einem entsprechenden OGH-Entscheid hatte sogar schon der damalige Justizminister Clemens Jabloner zugestimmt. Doch dann brachten die Anwälte des Milliardärs, unter ihnen der frühere FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer, Otto Dietrich und Christian Hausmaninger, bei Gericht einen Wiederaufnahmeantrag ein. Über diesen wurde noch nicht entschieden.

 

Konto bei der Meinl Bank

 

Aus österreichischer Sicht bemerkenswert ist eine Transaktion, welche die Citibank im Rahmen einer Verdachtsmeldung aufzeigte: Laut einem FinCEN-Untersuchungsbericht überwies eine Schweizer Bothli Trade AG (die Citibank ordnete diese Firma Firtasch zu), von August 2007 bis September 2010 insgesamt 653.427,16 Dollar auf Konten bei der Meinl Bank in Österreich und bei einer Bank in den Vereinigten Staaten.

Diese Konten waren laut FinCEN Files einem Mann zuzurechnen, der nunmehr zu den Mitangeklagten Firtaschs in den USA zählt. Ihm wirft die US-Staatsanwaltschaft unter anderem vor, Geldtransfers für die Bestechung indischer Amtsträger koordiniert zu haben.


 

Auffallend scheint, dass der in den USA ansässige Mann ausgerechnet über eine Kontoverbindung bei der Meinl Bank Österreich verfügte. Die Privatbank hatte ihren Namen 2019 in Anglo Austrian AAB Bank geändert, sie ist mittlerweile zahlungsunfähig und befindet sich – nach einem nicht rechtskräftigen, aber dennoch rechtswirksamen Entzug der Banklizenz durch die Europäische Zentralbank – in Abwicklung. Der frühere Meinl-Bank-Vorstand Peter Weinzierl ließ eine Frage nach dem auffälligen Zahlungsstrom unbeantwortet.

 

„Auf Anraten der Anwälte“

 

Es war profil auch im Zuge dieser Recherche nicht möglich, mit dem ukrainischen Unternehmer, Gründer der weitverzweigten „Group DF“, persönlich zu sprechen. „Auf Anraten seiner Anwälte äußert Herr Firtasch sich nicht zu Fragen, die anhängige Verfahren betreffen“, schrieb Firtaschs Wiener PR-Berater Daniel Kapp auf Anfrage des Rechercheverbundes. Kapp übermittelte stattdessen allgemeine Anmerkungen zum Stand des österreichischen Auslieferungsverfahrens. Kapps E-Mail war auch ein Schreiben der US-Kanzlei Winston & Strawn vom 24. August beigelegt, adressiert an das ICIJ (das ebenfalls einen Fragenkatalog übermittelt hatte). In dem Brief verweisen Firtaschs US-Anwälte darauf, dass die Journalisten die bezughabenden SARs „nur durch kriminelles und rechtswidriges Verhalten“ erlangt haben können und man schon allein deshalb nichts dazu sagen werde.

Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Firtasch sind die eine Seite der Geschichte. Die politische Dimension des Falles eine andere. Firtaschs Anwälte haben in der Vergangenheit immer wieder eingewendet, ihr Mandant werde von den USA aus rein politischen Motiven verfolgt. Firtasch unterhält gute Kontakte zu Wladimir Putin, er gilt auch als Freund und Gönner des früheren ukrainischen Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch, der im Gefolge der Maidan-Proteste 2014 das Land verlassen hatte.

 

Die Trump-Connection

 

Doch es gibt es noch einen weiteren politisch besetzten Handlungsstrang und dieser führt direkt ins Weiße Haus. Im Oktober 2019 hatte profil Firtaschs mögliche Verwicklung in die sogenannte Ukraine-Affäre beleuchtet, die ein (später gescheitertes) Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump auslöste (profil Nr. 43/19).

Trump musste sich vorwerfen lassen, die Ukraine mithilfe seines Anwalts Rudy Giuliani (New Yorks Bürgermeister von 1994 bis 2001) unter Druck gesetzt zu haben, um an belastendes Material gegen seinen nunmehrigen demokratischen Herausforderer Joe Biden zu kommen. Bidens Sohn Hunter macht seit längerer Zeit Geschäfte in der Ukraine, er war unter anderem Mitglied des Aufsichtsrats der ukrainischen Gasfirma Burisma.

Im Zuge der Untersuchungen in den USA wurde unter anderem ein Telefonat zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenski öffentlich, in welchem Trump sein Gegenüber mit Blick auf Militärhilfen ermunterte, gegen die Bidens strafrechtlich vorzugehen.

 

Das Ukraine-Papier

 

Was das mit Dmitri Firtasch zu tun hat? Die Antwort führt über ein Dokument, das Ende 2019 seinen Weg von Kiew nach Wien und von da nach Washington gefunden hatte: eine Eidesstaatliche Erklärung des früheren Generalstaatsanwalts der Ukraine, Viktor Schokin vom September 2019. Darin beschrieb Schokin, wie er vom damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko unter Druck gesetzt worden sei, Korruptionsermittlungen gegen Bidens Sohn Hunter fallen zu lassen. Zugleich soll Poroschenko auf Wunsch von Joe Biden (damals US-Vizepräsident) auf Ermittlungen gegen Firtasch gedrängt haben.

Schokins Eidesstattliche Erklärung war auf Initiative von Firtaschs Rechtsanwälten zustandegekommen, sie wurde von diesen in weiterer Folge auch dem Wiener Auslieferungsakt angeschlossen – zum Beleg dafür, dass Firtasch von den USA eben nur aus politischen Motiven verfolgt werde. Doch das österreichische Beweismittel landete auch bei Trumps Berater Rudy Giuliani, der damit in den USA öffentlich Stimmung gegen Biden machte.

„Könnte Firtasch aus den USA signalisiert worden sein, dass das Verfahren eingestellt würde, wenn er belastendes Material gegen Trumps Gegenspieler liefert?“, fragte profil im Rahmen der Recherchen zur Titelgeschichte in Ausgabe 43/19. Sein Berater Daniel Kapp wies das damals „unmissverständlich und kategorisch als völlig falsch zurück“.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.