Der vernichtende Bericht des Masseverwalters der Alpine Holding
Am Ende war alles weg. Als der Wiener Rechtsanwalt Karl F. Engelhart im Juli vergangenen Jahres vom Handelsgericht Wien zum Masseverwalter der insolventen Alpine Bau Holding GmbH bestellt wurde, konnte er nicht annähernd ermessen, was ihn erwarten würde. Nämlich nichts von einem verfügbaren Barvermögen in der Höhe von 4519 Euro und 79 Cent einmal abgesehen. Mehr war vom Konzerndach des Salzburger Baukonzerns Alpine nicht übrig geblieben. Auf der anderen Seite: Verbindlichkeiten jenseits der 800 Millionen Euro, verteilt auf 7500 Gläubiger.
Die Alpine Holding war Teil jenes Konstrukts, das im Sommer vergangenen Jahres unter einer rund vier Milliarden Euro schweren Schuldenlast zusammenbrach. Am 20. Juni hatte sich die operative Alpine Bau GmbH umgelegt, ehe die Holding zwei Wochen später, am 2. Juli, folgte.
Die Alpine Holding war zugleich auch jene Gesellschaft, über welche der spanische Alleineigentümer FCC ab 2010 mit freundlicher Unterstützung österreichischer Großbanken Geld bei gutgläubigen Investoren einsammelte. Auf Grundlage möglicherweise behübschter Geschäftszahlen zeichneten tausende Kleinanleger bis 2012 drei Alpine-Anleihen im Nominale von 290 Millionen Euro. Nicht ahnend, dass der Baukonzern bereits 2009 massive Liquiditätsprobleme hatte (profil berichtete ausführlich).
Vor nunmehr einem Monat übermittelte Holding-Masseverwalter Engelhart dem Handelsgericht Wien einen Bericht, der veritable Abgründe offenbart. Der Schriftsatz zeigt einerseits, wie die Zeichner der Alpine-Anleihen getäuscht wurden; und dokumentiert andererseits, wie sich die Gläubigerbanken noch rechtzeitig Zugriff auf die letzten verbliebenen Barreserven sicherten. Das zwölfseitige Dokument, datiert mit 2. Dezember 2013, liegt profil vor. Darin heißt es etwa: Die Alpine Holding verfügte weder über ein Anlagevermögen, noch beschäftigte sie Mitarbeiter. Einziger Zweck war die Geldbeschaffung im Konzern durch Begebung von Anleihen und Übernahme von Haftungen für die Alpine Bau und deren Tochtergesellschaften. Eine eigenständige ,unternehmerische Tätigkeit wurde nicht ausgeübt. Letztlich fungierte die Alpine Holding als bloßer ,Briefkasten.
Briefkasten und Eigenkapitalersatz
Faktum ist, dass dieser Briefkasten die Zuflüsse aus den drei Anleihen in Form von Darlehen an die untergeordnete Alpine Bau GmbH weiterreichte und daneben auch noch Haftungen für deren Verbindlichkeiten in einer Größenordnung von mehr als 600 Millionen Euro übernahm. Und eben diese Garantien werden nun von Gläubigern der Baugesellschaft bei der Holding geltend gemacht. Umgekehrt wird die Holding die verborgten Anleiheerlöse mit Zinsen 318 Millionen Euro wohl nie wieder sehen. Diese werden im Konkursverfahren der Baugesellschaft als Eigenkapitalersatz geführt.
Aus den Kapitalmarktprospekten sind die internen Verflechtungen und Verpflichtungen nicht herauszulesen. Wirtschaftlich betrachtet wären die Anleihen nicht von Alpine Holding, sondern von Alpine Bau bzw. FCC aufzunehmen gewesen, heißt es dazu im Bericht. Für die Anleihezeichner ist die Unterscheidung zwischen Holding und Baugesellschaft leider entscheidend. Denn das Vermögen der Baugesellschaft lag zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung bei 500 bis 600 Millionen Euro der Holding dagegen blieben besagte 4519,79 Euro.
Auch die tatsächliche Verwendung der Anleiheerlöse wird in den veröffentlichten Dokumenten mit keinem Wort erwähnt: Die Anleiheerlöse dienten im Wesentlichen der laufenden Verlustabdeckung bei Alpine Bau, so der Masserverwalter.
Wie es wirklich um den Konzern stand, offenbarte erst ein profil-Bericht im Oktober 2012. Diesem Magazin war eine vom Alpine-Management in Auftrag gegebene KPMG-Analyse zugespielt worden, wonach 2012 ein Wertberichtigungsbedarf in der Höhe von 400 Millionen Euro zu erwarten sei.
Zu diesem Zeitpunkt lagen auf einem Konto der Alpine Holding bei der Erste Group, einem der großen Financiers, noch 10,5 Millionen Euro cash. Am 25. Oktober 2012 wurde dieses Vermögen an einen weiteren Gläubiger, UniCredit Bank Austria, verpfändet. Diese gewährte im Gegenzug einen neuen Finanzierungsrahmen in gleicher Höhe, der schlussendlich zu knapp mehr als drei Viertel ausgeschöpft wurde. Als die Holding im Juli 2013 kollabierte, machte die Bank Austria Sicherheiten in der Höhe von jedenfalls 8,4 Millionen Euro bei der Erste Group geltend.
Das verbliebene Guthaben von 2,1 Millionen rechnete die Erste anscheinend gegen ihre eigenen Forderungen auf unter Hinweis auf das Pfandrecht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Damit waren auch die letzten verbliebenen Barreserven der Alpine Holding perdu. Laut Engelharts Bericht stellte die Verpfändung des Guthabens der zu diesem Zeitpunkt bereits materiell insolventen Alpine Holding nicht viel mehr als einen uneinbringlichen Kredit an die zum damaligen Zeitpunkt kreditunwürdige Alpine Bau dar.
Anfechtungsklagen
Nach profil-Recherchen haben diese Vorgänge nun ein rechtliches Nachspiel. Der Masseverwalter geht gerichtlich gegen die Verpfändung dieser 10,5 Millionen Euro vor. Ich kann bestätigen, dass wir gegen Bank Austria und Erste Group Anfechtungsklagen eingebracht haben, so Engelharts Kanzleikollege Clemens Richter. Die betroffenen Banken weisen die Vorwürfe wenig überraschend zurück. Wir stellen entschieden in Abrede, dass die Alpine Bau GmbH zum Zeitpunkt der Einräumung des Garantiekredites über 10,5 Millionen Euro für uns erkennbar insolvent war, heißt es aus der Bank Austria. Die Neueinräumung dieses Garantiekredites war Voraussetzung für den Fortbetrieb der Alpine Bau GmbH und damals zweifellos auch im Interesse der Alpine Holding GmbH. Einer Anfechtungsklage sehe man gelassen entgegen. Ähnlich argumentiert auch die Erste Group in ihrer Stellungnahme an profil: Wir sind überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Einer Anfechtungsklage werde man sich selbstverständlich stellen.
Wie berichtet, führen Bank Austria, Erste und fünf weitere Kreditinstitute ihrerseits Klage gegen die Republik Österreich. Sie wollen auf diesem Wege die bisher von der Finanzprokuratur blockierte Auszahlung staatlicher Kredithaftungen in der Höhe von 151,4 Millionen Euro erzwingen.
Und das ist nur ein Anfang. Die Arbeiterkammer und etliche Anlegeranwälte prüfen rechtliche Schritte gegen mehrere Banken, die den Anlegern Alpine-Anleihen verkauften. Immerhin steht der wohl nicht ganz unbegründete Verdacht im Raum, dass den Kunden wesentliche Informationen zur Verfasstheit des Konzerns vorenthalten wurden.
Auch die Buchprüfer von Deloitte haben Erklärungsbedarf. Sie wollen zu keinem Zeitpunkt Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen erkannt haben und versahen diese vielmehr Jahr für Jahr mit ihrem Testat. Oder wie es der Masseverwalter formuliert: Im Zusammenhang mit dem im Sommer 2012 plötzlich aufgedeckten massiven Wertberichtigungs- bzw. Abschreibungsbedarf der Alpine-Gruppe von mehr als EUR 400 Mio., der bislang in den Bilanzen nicht berücksichtigt worden war, stellt sich zwangsläufig die Frage einer Haftung des Abschlussprüfers für die jeweils mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehenen Bilanzen der Jahre 2009, 2010 und 2011. Deloitte Österreich hat bisher jedwede Verfehlung in Abrede gestellt.
Und dann wäre da noch der spanische FCC-Konzern, der mit all dem erst recht nichts zu tun haben will. In dem Bericht an das Handelsgericht wird auch Bezug auf Korrespondenz mit den früheren Alpine-Eigentümern genommen: FCC hat mit Schreiben vom 7.11.2013 gegenüber dem Insolvenzverwalter jede Verantwortung zurückgewiesen. FCC bestreitet, dass sich die Alpine Bau zum Zeitpunkt der Begebung der drei Anleihen 2010 bis 2012 in einer Krise befunden habe. Nicht nur das: FCC bestreitet jegliche Beteiligung an der Anleihebegebung, insbesondere dass diese von ihr veranlasst worden sei.
Wer die damaligen Führungsstrukturen und Entscheidungsabläufe bei Alpine kennt, weiß, dass dies nicht stimmen kann. Wie so vieles in diesem Fall.