Der Fall Christian Pilnacek: Eine Justiz, zwei Klassen?
Es ist immer wieder erstaunlich, wie hurtig Österreichs Strafverfolgung doch ist, wenn sie nur will – oder muss; was aber meistens eh dasselbe ist. Am 17. April dieses Jahres informierten mehrere Staatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) rund um Behördenleiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda den damaligen Justizminister Josef Moser darüber, dass der Generalsekretär des Justizressorts Christian Pilnacek bei einer Sitzung am 1. April womöglich versucht habe, Einfluss auf den Fortgang der Ermittlungen im weitläufigen Eurofighter-Verfahrenskomplex zu nehmen (Stichwort: „Daschlogt’s es!“, profil berichtete in Ausgabe Nummer 21/19).
Wieder etwas gelernt
Der Verdacht des Amtsmissbrauchs durch Pilnacek und den ebenfalls anwesenden Leitenden Oberstaatsanwalt Johann Fuchs stand im Raum – was diese vehement bestritten. Mittlerweile sind beide auch schon wieder von der Last der Unschuldsvermutung befreit. Die Staatsanwaltschaft Linz, die den Fall zu prüfen hatte, sah keinen „Anfangsverdacht“ und leitete erst gar kein Ermittlungsverfahren ein. Interessant ist, wie die StA Linz die Causa erschlug: „Die zitierten Äußerungen können nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind als (reine) Wortmeldungen im Kontext der – wenngleich im Laufe der Dienstbesprechung zunehmend emotional geführten – Diskussion um die Aufarbeitung des Verfahrenskomplexes ,Eurofighter‘ zu sehen. Im allgemeinen Sprachgebrauch von Staatsanwälten bedeutet die Formulierung ,Verfahren/Akten zu erschlagen‘ – völlig wertungsfrei – nur eine rasche und effiziente Verfahrenserledigung.“ Wieder etwas gelernt.
Nachzulesen ist das in einer Veröffentlichung der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Linz vom 12. Juni dieses Jahres. Causa finita in nicht einmal zwei Monaten. Wie gesagt, wenn es wirklich wichtig ist, kann es auch mal flott gehen. Nennenswerte Erhebungen sind übrigens nicht dokumentiert. Die StA Linz fand es noch nicht einmal der Mühe wert, den vollständigen Audiomitschnitt der Sitzung anzuhören (obwohl die WKStA die Übermittlung der Datei ausdrücklich angeboten hatte). Man beließ es bei der Interpretation des Wortprotokolls. „Es bedarf keiner Beweisaufnahme dahin, dass das Geschriebene mit dem tatsächlich Gesprochenen übereinstimmt“, heißt es in der Veröffentlichung der Oberstaatsanwaltschaft Linz.
Zwischenzeitlich wurde auch die OStA Wien aktiv
Das ist wiederum deshalb bemerkenswert, weil es in einem zweiten Verfahren unter anderem genau darum geht. Pilnacek und Fuchs haben ihrerseits die Staatsanwälte angezeigt, auch dieses Verfahren liegt bei der StA Linz. Ein zentraler Vorwurf, abseits von Verleumdung und Amtsmissbrauch: Beweismittelfälschung. Die Staatsanwälte sollen die Gesprächsinhalte vom 1. April in ihrem Protokoll (das ja die Grundlage ihrer Anzeige bildete) vorsätzlich verzerrt und tendenziös wiedergegeben haben. Dafür gibt es allerdings keinen Beleg. Tatsache ist, dass der Josef Moser übermittelte Schriftsatz nur die elementaren Gesprächspassagen enthielt. Die Staatsanwaltschaft Linz muss sich in diesem Verfahren jedenfalls mit einem Beweismittel beschäftigen, für welches sie sich im anderen Verfahren nicht interessiert hatte.
Zwischenzeitlich wurde auch die OStA Wien aktiv. Sie ließ den Mitschnitt neu verschriftlichen, wobei auch die kausal nicht relevanten Inhalte penibel übertragen wurden. Das neue Protokoll hat nun 80 Seiten (das der WKStA hatte deren 33). Am Inhalt änderte das nach profil-Recherchen allerdings nichts. Auf ein baldiges Ende des Vorgehens gegen die unbequemen Staatsanwälte deutet wenig hin. Laut Justizminister Clemens Jabloner wird dieser Fall derzeit noch auf dessen „strafrechtliche Relevanz geprüft“. Fortsetzung folgt.