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Der Fall Commerzialbank: „Bei uns zählt immer noch der Mensch“

Vertrauliche Dokumente offenbaren, dass die OeNB in Mattersburg bereits 2015 auf massive Unregelmäßigkeiten gestoßen war, die FMA leitete sogar ein Verfahren zur Absetzung der Direktoren ein. Dennoch konnten sie fast fünf Jahre weitermachen. Und waren dabei äußerst spendabel.

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Dieser Artikel erschien im profil Nr. 50 / 2020 vom 06.12.2020.


Donnerstag, 1. Oktober 2020, 9.00 Uhr: Beamte des Landeskriminalamts Burgenland schwärmen in Begleitung von Kollegen anderer Dienststellen zu Hausdurchsuchungen im Bezirk Mattersburg aus. Sie sind unterwegs im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die im Fall Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG (CBM) ermittelt. Die Beamten filzen Wohnhäuser und Geschäftsräumlichkeiten von Personen aus dem Umfeld des ehemaligen Bankchefs Martin Pucher. Was an diesem Tag mit dem Klopfen an Türen beginnt, endet zumeist mit der Sicherstellung von Edelmetall.

Bei einem Unternehmer, der eng mit der Bank, Pucher und dem Fußballverein SV Mattersburg verbandelt ist, findet die Polizei im Tresor unter anderem 168 Silbermünzen und sechs Silberbarren - fünf davon jeweils 1000 Gramm schwer, einer mit 500 Gramm. Die Barren tragen Gravuren wie "Alles Gute zu deinem 40. Geburtstag von deiner Commerzialbank" oder "Zum 50. Geburtstag von der Commerzialbank".

Die Staatsanwaltschaft hegt den Verdacht, der Unternehmer habe von Pucher in rauen Mengen Bargeld erhalten, um damit unter anderem offene Kreditrückzahlungen bei der Commerzialbank bedienen zu können. Mit Geld, das der Bank (oder richtigerweise: den Sparern) gehörte. Auf der anderen Seite sponserte der Unternehmer auch Puchers Liebkind, den SV Mattersburg.

Der generöse Martin Pucher erfreute Freunde des Hauses zu runden Geburtstagen bekanntlich gerne einmal mit edlem Metall (im Sommer musste der damalige SPÖ-Landesrat Christian Illedits wegen eines "Goldblättchens", das er erhalten hatte, den Hut nehmen).

Bei einem zweiten Beschuldigten stellten die Ermittler am 1. Oktober ein Kilogramm Feinsilber sicher, bei einem dritten Gold-und Silberbarren, die laut Polizeiprotokoll zumindest teilweise als "Geschenk vom SV Mattersburg" erkennbar waren. Der Letztgenannte, auch er ein Unternehmer, war zudem auch Mitglied des Aufsichtsrats der Commerzialbank - jenes Kontrollgremiums also, das Martin Pucher jahrelang gewähren ließ und angeblich nichts davon mitbekommen hatte, dass ein Gutteil der Vermögenswerte in der Bankbilanz gar nicht existierte.

Das ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil die Geschichte der Commerzialbank Mattersburg (CBM) auch die Geschichte eines Aufsichts- und Behördenversagens ist.

profil hat diese Feststellung bereits vor Monaten getroffen, bisher unveröffentlichte Dokumente verdeutlichen das Ausmaß des Versagens. Wie ausführlich berichtet, hatten der Bankgründer und langjährige Vorstandsvorsitzende Martin Pucher und seine Vorstandskollegin Franziska Klikovits in Mattersburg eine Fälscherwerkstatt betrieben, eine Bank in der Bank - unter den Augen des eigenen Aufsichtsrats, der Innenrevision, des Wirtschaftsprüfers TPA, der Oesterreichischen Nationalbank, der Finanzmarktaufsicht und zweier Staatsanwaltschaften. Sie schufen ein komplexes Konstrukt aus fiktiven Krediten und Bankguthaben in einer Größenordnung mehrerer Hundert Millionen Euro. Mit dem vorrangigen Ziel, die Schieflage der Bank zu verschleiern.

Nach Puchers eigener Aussage war die CBM, die bis 1995 dem Raiffeisensektor angehört hatte, bereits im Jahr 2000 insolvent gewesen. Pucher und Klikovits zweckentfremdeten das ihnen anvertraute Kundenvermögen (zuletzt rund 700 Millionen Euro), um den defizitären Bankbetrieb zwei Jahrzehnte hindurch zu subventionieren. Ohne es zu wissen, finanzierten die CBM-Sparer die eigenen Zinsen, die Gehälter und Sozialversicherungsabgaben für zuletzt rund 70 Mitarbeiter, neun Bankstellen, echte Steuern auf falsche Gewinne, den Fußballverein SV Mattersburg, karitative Einrichtungen, vor allem aber eine Reihe zahlungsunfähiger Kreditkunden, denen Pucher immer wieder Schulden erlassen haben soll.

Dass die Verantwortlichen sich selbst bereichert hätten, ist derzeit nicht belegbar, sie bestreiten das auch. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt.

Der Schwindel flog erst bei einer Prüfung der Bankbücher durch die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) im Juli dieses Jahres auf. Nämliche OeNB hatte die Bank bereits 2015 und 2017 geprüft - und will damals keine Hinweise auf fiktive Kredite und/oder Fake-Bankguthaben gefunden haben.

profil liegen nun vertrauliche Dokumente der OeNB und der Finanzmarktaufsicht vor, so etwa die Nationalbank-Berichte zu den CBM-Prüfungen 2015 und 2017 (dazu auch ein Zwischenbericht zur Prüfung 2020, die Anfang März begonnen hatte, ehe sie durch den ersten Lockdown unterbrochen wurde). Geprüft wurde stets von einem fünfköpfigen Team, der OeNB-Prüfleiter war in all den Jahren derselbe.

Bedeutsam erscheint vor allem der Prüfbericht aus dem Jahr 2015. Dieser offenbart, dass der Skandal schon damals aufgedeckt hätte werden können, wenn nicht müssen. Die OeNB-Prüfer waren sehr viel näher dran, als bisher bekannt. Das gilt so auch für die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA, die zweite Säule der österreichischen Bankenaufsicht: Wie sich jetzt herausstellt, hatte die FMA bereits Ende 2015 deutliche Zweifel an der Qualifikation der CBM-Direktoren und leitete ein Verfahren ein, an dessen Ende deren Abberufung stehen hätte können. Doch es verlief im Sand. Wie so vieles in und um Mattersburg.

Der Nationalbank-Prüfbericht aus dem Jahr 2015 war das Ergebnis einer dreimonatigen "Vor-Ort-Prüfung" der Mattersburger Bank mit Schwerpunkt auf dem Kreditrisiko. Der Auftrag dazu war von der FMA gekommen. Die Prüfung lief insofern unter bemerkenswerten Umständen ab, als der OeNB bereits damals anonyme Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in Mattersburg vorlagen. Ein Hinweisgeber hatte die WKStA und die Finanzmarktaufsicht Ende Juni 2015 über "falsche Konten" in der CBM informiert, welche von Martin Pucher seit Jahren dazu verwendet würden, um "Millionen zur Seite zu schaffen". Wie berichtet, legte die WKStA dazu auch einen Akt an, die FMA wiederum informierte die Nationalbank, deren Vor-Ort-Prüfung der Commerzialbank ja gerade lief (die Arbeiten hatten am 1. Juni 2015 begonnen und liefen bis 31. August).

Obschon die OeNB fünf Leute für drei volle Monate vor Ort abgestellt hatte, waren diese allem Anschein nach nicht in der Lage, die Whistleblower-Vorwürfe zu verifizieren (später stellte sich heraus, dass die fiktiven Kredite in der IT der Bank gut versteckt waren, teils wurden diese überhaupt nur in Handakten geführt). Die WKStA stellte die Erhebungen gegen Pucher im Jänner 2016 "mangels Anfangsverdachts" ein.

Mag sein, dass die OeNB damals nur an der Oberfläche kratzte. Doch selbst da wurde sie fündig. Der Prüfbericht, er datiert vom 27. Oktober 2015, ist eine kleine chronique scandaleuse. Die Prüfer stolperten über gehäufte Merkwürdigkeiten und Gesetzesverstöße, die in zumindest einem Fall auch ins Strafrecht hineinreichten.

Auf 53 Seiten dokumentierten sie nicht weniger als 65 Mängel ("Feststellungen"), wovon 19 als schwerwiegend eingestuft wurden. Die Beanstandungen zogen sich gleichsam quer durch die Bank: bei der Kreditdokumentation, den Kreditsicherheiten, den Konditionen, der Bonitätsprüfung von Kunden, der Innenrevision, dem Melde- und Berichtswesen, der Geldwäscheprävention. "Die Krediteinzelfallprüfung ergab, dass zahlreiche Kreditvergaben nicht mit angemessener Sorgfalt vorgenommen wurden. Dies zeigt sich beispielsweise in der mangelhaften Kenntnis der Mittelverwendung, der fehlenden Verwendungszweckkontrolle, der fehlenden oder nicht aussagekräftigen Risikoanalysen und Darstellung der Rückführbarkeit sowie der nicht hinreichenden Verifizierung der Vermögenswerte", schrieb die OeNB. Das Problemkreditmanagement der CBM qualifizierte die Nationalbank als "nicht ausreichend", das Ratingsystem und das Regelwerk im Kreditgeschäft als "nicht adäquat".

Auch wirtschaftlich lag einiges im Argen. Laut OeNB hätte die Bank 2015 zusätzliche Vorsorgen für faule Kredite in einer Höhe von 9,2 Millionen Euro bilden müssen: annähernd das Doppelte eines (ohnehin nur fiktiven) Jahresgewinns nach Steuern. Daneben waren den Prüfern schon damals problematische Verbindungen zwischen Kreditkunden der Bank und Sponsoren des SV Mattersburg (dessen Präsident Bankchef Pucher war) ins Auge gestochen: "Bei einigen Kreditfällen, welche zum Teil als Problemkredite zu beurteilen sind, besteht aufgrund der gleichzeitigen Sponsorbeziehungen zum örtlichen Fußballverein ein potenzieller Interessenskonflikt", schrieb die OeNB.

Und dann wäre da noch die Sache mit dem Eigenkapital. Denn auch damit stimmte schon 2015 etwas nicht. So hatte die Bank einer Firma in ihrem Umfeld Geld geborgt, damit diese sogenanntes Partizipationskapital der CBM zeichnen konnte. Eine bankrechtlich problematische Konstruktion. Obendrein zahlte die Bank dieser Firma höhere Zinsen auf das PS-Kapital, als sie selbst für den Kredit bekam. Also auch noch ein Verlustgeschäft. "In Summe resultiert hieraus ein jährlicher Vermögensnachteil iHv rund EUR 40 Tsd. ohne erkennbaren Nutzen für die Commerzialbank Mattersburg", schrieb die OeNB.

Der Nationalbank-Prüfbericht zur CBM lag der Finanzmarktaufsicht Ende Oktober 2015 vor. Sie ist als Behörde dafür zuständig, die richtigen Schlüsse aus der Arbeit der OeNB zu ziehen. Tatsächlich blieb die Aufsicht nicht untätig. Bereits am 4. November 2015 verschickte sie ein Schreiben nach Mattersburg, in welchem sie den Bankvorstand - Martin Pucher, Franziska Klikovits und eine damals aktive Kollegin - darüber informierte, dass wegen "des Verdachts von schwerwiegenden Verstößen" gegen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten ein sogenanntes Geschäftsleiterqualifikationsverfahren eingeleitet worden sei.

Dies ist eine der mächtigsten Waffen der FMA: Es kann zur Absetzung des Bankvorstandes führen oder, bei dessen Weigerung zu gehen, zum Verlust der Bankkonzession. In jüngerer Vergangenheit hatte die FMA derartige Verfahren unter anderem gegen Wolfgang Kulterer (Hypo Alpe-Adria) und Peter Weinzierl (Meinl Bank) geführt, beide kamen einer Abberufung durch Rücktritt zuvor.

Dem CBM-Direktorium wurde eine vierwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Wenig später schaltete die FMA auch die Staatsanwaltschaft Eisenstadt ein. Am 17. Dezember 2015 verschickte sie eine gegen Pucher, Klikovits und die dritte Direktorin gerichtete Anzeige wegen des Verdachts der Untreue - in Zusammenhang mit dem bereits skizzierten Kreditgeschäft rund um das Partizipationskapital, aus welchem die Bank jährlich rund 40.000 Euro Verlust erlitt. Auch dieses staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren hielt sich nicht lange. Im Juni 2016 legte die StA Eisenstadt den Fall zu den Akten, "mangels Anfangsverdachts" - nahezu zeitgleich wurde auch das Geschäftsleiterqualifikationsverfahren der Finanzmarktaufsicht eingestellt. Die Mattersburger Bankmanager durften bleiben, erhielten aber einen Bescheid der FMA, in welchem die Behörde 54 Auflagen machte.

Nach profil-Recherchen hatte das Management den Behörden unter anderem glaubhaft gemacht, dass die Partizipationskapital-Konstruktion vom langjährigen Wirtschaftsprüfer TPA als rechtskonform qualifiziert worden war. Und die daraus resultierenden Verluste? Keine böse Absicht, wie es in einer Stellungnahme der Bank an die Adresse der FMA vom 24. November 2015 heißt: "Es ist uns absolut ferngelegen, einen negativen Nutzen für die Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG in Höhe von bis zu 40.000 Euro zu lukrieren."

Negativer Nutzen - auch so lassen sich Vermögensnachteile behübschen.

Die damalige Stellungnahme der CBM verrät viel über das Selbstverständnis von Martin Pucher und Franziska Klikovits. Den von der Nationalbank aufgezeigten Defiziten bei Kreditvergaben hielten die Manager in ihrem Brief einleitend Folgendes entgegen (Anm.: Satzstellung, Rechtschreib- und Beistrichfehler im Original): "Wir möchten hier auf die Nähe zu unseren Kunden auf die Dauer der Geschäftsbeziehungen und somit auf die Tatsache das, wenn es auch immer schwieriger wird, bei uns immer noch der Mensch zählt, verweisen."

Was sagt die FMA dazu? "Da sich der Vorstand der CBM bei der Konstruktion der Partkapitalplatzierung nachweislich auf ein Gutachten eines einschlägigen Fachexperten, eines Wirtschaftsprüfers, gestützt hat, war dem Vorstand dieser Verstoß wegen, vertretbaren Rechtsirrtums' nicht vorzuwerfen", so Behördensprecher Klaus Grubelnik in einer schriftlichen Stellungnahme an profil. "Die schädigende Partkapitalkonstruktion wurde auch unverzüglich aufgelöst und rückgezahlt. Die beiden Wirtschaftsprüfer der TPA wurden von der FMA für die Funktion als Bankprüfer auf fünf Jahre gesperrt. Das Geschäftsleiterenthebungsverfahren war somit einzustellen."

Im Juli 2017 schlug die Oesterreichische Nationalbank abermals die Zelte in Mattersburg auf, dieses Mal für zwei Monate. Die OeNB sollte im Auftrag der FMA evaluieren, inwieweit die 2015 aufgezeigten Mängel behoben worden waren. Der Bericht 2017 lag am 23. Oktober 2017 vor. So scharf die Nationalbank noch 2015 geurteilt hatte, so wohlwollend war sie jetzt. Scheinbar hatte sich die Commerzialbank mustergültig entwickelt. Von den 65 Mängeln des Jahres 2015 qualifizierte die OeNB 49 als "behoben", 15 als "teilweise behoben", lediglich eine Beanstandung war "nicht behoben". "Hinsichtlich Kreditrisiko ist anzuführen, dass das Regelwerk und die Prozesse umfangreiche Verbesserungen aufweisen", schrieb die OeNB 2017. Damit war einmal mehr Ruhe im Karton - bis zur folgenreichen Prüfung 2020.

Die FMA legt in diesem Zusammenhang Wert auf die Feststellung, dass auch die Prüfung 2017 nicht ohne Konsequenzen blieb: "Es wurde die weitere Verfolgung der Mängelbehebung konsequent adressiert und für 2020 eine neuerliche Vor-Ort-Prüfung festgelegt. Diese mündete letztlich in die Aufdeckung von Malversationen, die Einsetzung eines Regierungskommissärs sowie die Untersagungen des weiteren Geschäftsbetriebes." Und: "Bis Juli 2020 haben die Vor-Ort-Prüfungen der OeNB keinerlei Hinweise auf jene Malversationen ergeben, die letztlich zur Pleite der Bank geführt haben: frei erfundene Kreditforderungen gegenüber Kunden sowie frei erfundene Einlagen bei anderen Banken. Auch die Analysen der Jahresabschlüsse durch die OeNB sowie die off-site Analysen von Geschäftsmodell und -entwicklung der Bank haben keine Hinweise auf behördlichen Handlungsbedarf ergeben." Im Fall Mattersburg hätten Vorstand und bankeigene Kontrollinstanzen "zusammengearbeitet, statt sich gegenseitig zu kontrollieren", wodurch die "bankaufsichtlichen Möglichkeiten ins Leere gelaufen" seien; ein Kriminalfall wie dieser hätte "mit den rechtlichen Kompetenzen und Instrumenten, die der Bankenaufsicht zur Verfügung stehen, kaum oder nur zufällig aufgedeckt werden können", schreibt die FMA.

Mitte Juli 2020 implodierte die CBM, nachdem Pucher gegenüber den Aufsichtsbehörden reinen Tisch gemacht und gestanden hatte. Die FMA entzog dem Institut die Banklizenz - damit war über Nacht Schluss. Die Ermittler ritten ein, ein Masseverwalter nahm die Arbeit auf, die Einlagensicherung musste betroffene Sparer bisher mit rund 500 Millionen Euro entschädigen. Nach wie vor liegt vieles im Dunklen. Ein Rätsel konnte zum Beispiel erst mehr als zwei Monate nach Puchers Abgang gelöst werden - jenes um den Inhalt einer grünen Handkassa im Büro des ehemaligen Bankchefs. Im September gelang es, den Schlüssel aufzutreiben. In der Handkassa lagen 71.667 Euro in bar und eine VIP-Karte des SV Mattersburg für die Saison 2019/20 ausgestellt auf den SPÖ-Landeshauptmann a. D. Hans Niessl. Niessl dazu gegenüber profil: "Ich habe die Saisonkarte nicht genutzt, sonst wäre sie bei mir und nicht in der Bank. Ich habe nie Geschäftsverbindungen zur Commerzialbank Mattersburg gehabt und nie Geldbeträge einbezahlt, abgehoben oder ausgetauscht."

Bei der CBM zählte, wie bereits ausgeführt, "der Mensch". Was hieß das in der Praxis? Aufmerksamkeiten aller Art, groß und klein.

profil liegt der Ausdruck einer Datei mit dem Namen "Weihnachten_Geschenklisten 2020" vor (die sich allerdings auf das Jahr 2019 bezieht). Da ist herauszulesen, wer damals beschenkt wurde oder zumindest werden sollte: Eine DIN-A4-Seite dieser Liste füllen Namen von "Personen des öffentlichen Lebens": Bürgermeistern und Vizebürgermeistern aus Gemeinden rund um Mattersburg wollte man demnach eine "Parmesandose +Wein" für 26 Euro zukommen lassen, Schuldirektorinnen und -direktoren einen "Kübel" (13 Euro). Auf der Liste stehen zudem Polizeibeamte aus Mattersburg und Zemendorf - bei manchen wurde der Tätigkeitsbereich "Verkehrsabteilung" angemerkt, einzelne sind nicht mehr aktiv. Die Gesetzeshüter sollten offenbar ebenfalls jeweils mit einer Parmesandose bedacht werden, manche von ihnen zusätzlich mit Wein, Sekt oder einem "Schnapsset". Nähe zu bestimmten Behörden war augenscheinlich wichtig: Gleich fünf Namen finden sich in der Rubrik "Grundbuch Mattersburg", weitere sechs Personen unter "BH Mattersburg". Auch der Name einer prominenten Richterin aus dem Burgenland findet sich auf der Liste - Zusatz: "Möchte kein Geschenk".

Bei den Aufsichtsräten war die Zurückhaltung vermutlich kleiner. Sie sollten laut Liste jeweils einen Mixer und ein Tablett für insgesamt 166 Euro erhalten. Angestellte wurden etwas großzügiger beschenkt, Vorstandsdirektorin Klikovits zum Beispiel waren eine "Zitronenpresse Kupfer" sowie einen Messerblock im Gesamtwert von 377 Euro zugedacht. Sich selbst schenkte Pucher auf Bankkosten übrigens nichts zu Weihnachten.

Die vielen Kunden, die auf der Geschenkliste stehen, wurden penibel in Kategorien eingeteilt - ebenso die Vertreter bestimmter "Institutionen". Gleich neun Namen haben einen Bezug zum Bankprüfer TPA - teilweise dürfte es sich auch um ehemalige Mitarbeiter handeln: Sie sollten demnach entweder ein "Ölkännchen +Sektverschluss" im Gesamtwert von jeweils 58 Euro erhalten oder einen "Travel Organizer" für 23 Euro.

Im Nachhinein betrachtet besonders skurril: Verzeichnet sind auch die Namen von drei Mitarbeitern der Einlagensicherung. Ihr Weihnachtsgeschenk laut Liste: "Rucksack +To Go Set" für insgesamt jeweils 97 Euro.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.