Der Fall Mattersburg: [email protected]
Mitunter lassen sich große Geschichten auch über kleine Beobachtungen erzählen, eine profane E-Mail-Adresse zum Beispiel. Bei der Salzburger Wüstenrot-Gruppe war jedenfalls noch bis zum Vorjahr eine E-Mail-Adresse aktiv, die einiges über die Erwartungshaltung derer verriet, die sie eingerichtet hatten: [email protected].
Auf ebendiese Adresse verschickte eine gewisse Franziska Klikovits im Sommer vergangenen Jahres zwei E-Mails, eines am 23. Juni und eines 9. Juli. Die Absenderin war damals Vorstandsdirektorin der Commerzialbank Mattersburg (CBM), auf der Empfängerseite saß ein für Veranlagungen zuständiger Wüstenrot-Mitarbeiter.
Die knappen E-Mails dienten als Beleg dafür, dass Wüstenrot große Summen bei der Commerzialbank geparkt hatte – so genanntes Termingeld, also zeitlich befristete Einlagen.
Am 23. Juni bestätigte Klikovits gegenüber [email protected] die Verlängerung einer bestehenden Termineinlage der Bausparkasse Wüstenrot AG: 5,95 Millionen Euro, Laufzeit: 23. Juni bis 23. September 2020, demnach drei Monate, Zinssatz (auf Jahresbasis): ein Prozent.
Am 9. Juli bestätigte sie die Verlängerung einer zweiten Termineinlage. In diesem Fall jene der Wüstenrot Versicherungs-AG, einer Tochter der Bausparkasse: 9,9 Millionen Euro, Laufzeit: 9. Juli bis 9. Oktober 2020, wiederum drei Monate, Verzinsung abermals ein Prozent p.a.
Aus diesem zweiten E-Mail geht zudem hervor, dass es sich hierbei um Vermögen aus dem Deckungsstock der Wüstenrot-Lebenssparte handelte, mit das Heiligste jeder Versicherung.
15,85 Millionen weg – auch Geld aus dem Deckungsstock
Die Wüstenrot-Einlagen, 15,85 Millionen Euro insgesamt, sind mittlerweile weg, verloren im Konkurs der Commerzialbank. „Sämtliche Forderungen wurden bereits in Form bilanzieller Vorsorgen zu 100 Prozent wertberichtigt und im Insolvenzverfahren angemeldet. Darüber hinaus werden die Durchsetzbarkeit von Forderungen gegen die Abschlussprüferin sowie möglicher weiterer Haftendender geprüft“, schreibt Wüstenrot-Konzernsprecherin Andrea Krametter auf profil-Anfrage. Sie legt Wert auf die Feststellung, dass Kundinnen und Kunden von Wüstenrot „in keiner Weise von der Causa Mattersburg betroffen“ seien.
Dem Vorstand der Bausparkasse Wüstenrot AG gehören Susanne Riess (vormals unter anderem FPÖ-Vizekanzlerin) und der Finanzmarktexperte Andreas Grünbichler an, zuvor unter anderem Direktor der Finanzmarktaufsicht. Grünbichler sitzt zudem auch im Vorstand der Versicherungsgesellschaft.
Die profil vorliegenden E-Mails von Franziska Klikovits sind Teil des umfangreichen Mattersburger Ermittlungsakts und in doppelter Hinsicht bedeutsam: Sie dokumentieren einerseits eine enge Geschäftsbeziehung zwischen der Wüstenrot-Gruppe und der Commerzialbank; andererseits zeugen sie auch von Klikovits‘ Kaltschnäuzigkeit.
Als die Bankdirektorin die E-Mails Ende Juni/Anfang Juli 2020 nach Salzburg versandte, hatte die Commerzialbank längst die Prüfer der Oesterreichischen Nationalbank im Haus sitzen, die das Mattersburger Betrugssystem nur wenig später aufdecken sollten (was ihnen bekanntlich 2015 und 2017 nicht gelungen war).
Und obwohl die Bank unmittelbar vor dem Kollaps stand, verwaltete Klikovits die Termingelder mit verblüffender Selbstverständlichkeit, ganz so, als ob nichts wäre.
Auf die Verlängerung folgte der Kollaps
Am 14. Juli, also gerade einmal fünf Tage, nachdem das Termingeld der Wüstenrot Versicherung (9,9 Millionen Euro) in den Oktober hinein verlängert worden war, wurde die CBM auf Anordnung der Finanzmarktaufsicht geschlossen. Pech trifft es wohl ziemlich genau.
Wobei: Die Einlagen waren Teil einer langjährigen geschäftlichen Verbindung, die für Wüstenrot (wie auch für andere Gläubiger) attraktive Konditionen bereithielt.
Die Commerzialbank zahlte bekanntlich rundheraus schöne Zinsen (was deshalb einfach war, weil Klikovits und Bankchef Martin Pucher die Zinsen aus den Einlagen selbst zahlten. Dass dies über einen derart langen Zeitraum gut ging, ist und bleibt eigentlich unvorstellbar).
Die Unternehmen hatten bereits 1995 zueinander gefunden. Nach dem Austritt/Rauswurf der CBM aus dem Raiffeisen-Sektor hatte Martin Pucher eine Vertriebsvereinbarung mit Wüstenrot geschlossen, in weiterer Folge kaufte sich die Wüstenrot-Versicherungsgesellschaft symbolisch mit 4,1 Prozent in die Mattersburger Bank ein und hielt diesen Anteil bis zum Konkurs (Kaufpreis damals zehn Millionen Schilling, das Geld ist auch weg).
Es sei damals üblich gewesen, mit der Begründung einer Vertriebspartnerschaft auch eine Beteiligung zu erwerben, schreibt Wüstenrot-Sprecherin Krametter. „Die Jahresabschlüsse waren von der Abschlussprüferin jeweils mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen und wiesen Bilanzgewinne aus. Auffälligkeiten wurden von den Aufsichtsbehörden trotz umfassender Prüfmöglichkeiten nicht erkannt – umso weniger konnte Wüstenrot mit seinen Einsichtsmöglichkeiten Unregelmäßigkeiten feststellen.“ Wüstenrot sei, wie andere auch, „Opfer eines Betruges, der in dieser Form unvorstellbar erschien“.
Jetzt will man es in Salzburg allerdings besser machen. Ende des Vorjahres hat Susanne Riess die Gründung einer eigenen Wüstenrot-Bank für Privatkunden angekündigt, der Betrieb soll im April kommendes Jahres aufgenommen werden.