Der Fall Thomas Schmid: Der Kanzler-Vertraute und das Kokain

Thomas Schmid gilt als enger Freund und Berater von Sebastian Kurz. Er arbeitete einst für mehrere ÖVP-Politiker und brachte es bis zum Generalsekretär des Finanzministeriums. Im Casinos-Verfahren wird der nunmehrige Chef der Staatsholding ÖBAG als einer der Beschuldigten geführt. Die behördliche Auswertung seiner Chats lieferte Hinweise auf einen Drogentatbestand. Die Staatsanwaltschaft Wien untersucht das. Schmids Anwalt rechnet mit einer Verfahrenseinstellung.

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Thomas Schmid kann mit seinen 44 Jahren einen rundheraus respektablen Lebenslauf vorweisen: Beruflich im ÖVP-Parlamentsklub sozialisiert, arbeitete er unter anderem für den ÖVP-Europaabgeordneten Paul Rübig, für Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer, für Wolfgang Schüssel (als dieser ÖVP-Klubobmann war), vor allem aber für Finanzminister Michael Spindelegger, der ihn 2013 zum Kabinettschef machte. 2015 avancierte er zum Generalsekretär des Finanzministeriums (Ressortchef: Hans Jörg Schelling), seit 1. April 2019 ist er Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG, an welcher bedeutende Beteiligungen des Bundes hängen: so etwa OMV, Verbund, Post, Telekom, Casinos Austria und Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). In der BIG und der Verbund AG präsidiert Schmid den Aufsichtsrat, in der OMV ist er erster Stellvertreter des Vorsitzenden. Thomas Schmid ist also ein wichtiger Mann im staatsnahen Wirtschaftsgefüge.

Und: Der doppelte Magister (Jus und Politikwissenschaften) darf sich zum inneren Kreis um Bundeskanzler Sebastian Kurz zählen.

Verdacht des Postenschachers

Wie ausführlich berichtet, führt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Thomas Schmid als Beschuldigten im so genannten Casinos-Komplex. Als einstiger Generalsekretär des Finanzministeriums (zuletzt unter ÖVP-Ressortchef Hartwig Löger, auch er ein Beschuldigter) soll er in die Vorgänge rund um die Bestellung des blauen Günstlings Peter Sidlo zum Direktor der Casinos Austria AG involviert gewesen sein. Die WKStA vermutet hier einen „Hintergrund-Deal“ zwischen der früheren FPÖ-Spitze und Novomatic, der Verdacht der Bestechung/Bestechlichkeit (und der Beteiligung daran) steht im Raum.

Thomas Schmid hat die Vorwürfe über seinen Anwalt Thomas Kralik bereits mehrfach als substanzlos zurückweisen lassen, auch alle anderen Beschuldigten jedwedes Fehlverhalten. Es gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

Geht es nach dem früheren Casinos-Vorstand Alexander Labak dann soll es jedenfalls einen politischen Deal zwischen ÖVP und FPÖ gegeben haben: Sidlo darf mit Duldung der Türkisen Casinos-Vorstand werden, Schmid mit Duldung der Blauen Alleinvorstand der ÖBAG (profil berichtete). Das wird auch im angelaufenen Ibiza-Untersuchungsausschusses zur Sprache kommen.

Chat-Kommunikation sichergestellt

Ende des Vorjahres hatte die WKStA im Gefolge von Hausdurchsuchungen unter anderem Schmids Chat-Kommunikation sichergestellt. Im Zuge der Datenanalyse traten offenbar auch Sachverhalte zu Tage, die dem Staatsmanager jetzt Ungemach ganz anderer Art einbringen. „Zufallsfunde“, wie das im Amtsdeutsch heißt.

Die behördliche Auswertung seiner Chats lieferte offenbar Hinweise auf Kokainkonsum. Nachzulesen ist das im so genannten Tagebuch der WKStA. Dieses ist für die Öffentlichkeit grundsätzlich nicht einsehbar, nun aber Teil der Aktensammlung des Ibiza-Ausschusses.

Anfang April dieses Jahres informierte die WKStA (sie ist für die Verfolgung von Delikten nach dem Suchtmittelgesetz nicht zuständig) die Staatsanwaltschaft Wien im Wege eines Aktenvermerks über einen „Zufallsfund“ in Schmids Kommunikationsdaten, wie profil und die Tageszeitung „Der Standard“ recherchierten.

„Aus dem Auswertungsbericht über Zufallsfunde ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für Tathandlungen nach §27 SMG“, schrieb die WKStA. Demnach soll Thomas Schmid (zusammen mit zumindest drei weiteren Personen, zwei davon sind nur mit ihren Vornamen erfasst) „vorschriftswidrig Suchtgift (Kokain) erworben, besessen, anderen angeboten und überlassen haben, wobei diese Tathandlungen augenscheinlich ausschließlich für den eigenen Gebrauch begangen wurden“.

„Die Staatsanwaltschaft Wien hat Ermittlungen eingeleitet“, bestätigt deren Sprecherin Nina Bussek auf Anfrage.

Paragraf 27 des Suchtmittelgesetzes stellt unter anderem den Kokain-Handel und -Konsum unter Strafe, wobei der reine Eigengebrauch - wenn überhaupt - mit milden Geldstrafen geahndet wird (sehr theoretisch wären laut SMG auch bis zu sechs Monate Freiheitsstrafe möglich).

Frage nach Job-Ausübung

Doch es geht hier nicht so sehr um die Schwere des Delikts. Entscheidend ist die Frage, ob Schmid seine Aufgabe als ÖBAG-Chef (und zuvor die des Generalsekretärs im Finanzministerium) stets unbeeinträchtigt ausüben konnte und kann. Denn da geht es zuweilen dann doch um einiges. Derzeit zum Beispiel verhandelt die Bundesregierung mit der Lufthansa-Gruppe die Bedingungen zur Rettung der Austrian Airlines – aus Steuergeld. Die ÖBAG sitzt hier mit am Tisch.

Dass es im ausgerechnet im türkisen Umfeld schneien soll, verleiht der Angelegenheit zusätzliche Würze.

Auf Anfrage der recherchierenden Medien übermittelte Schmids Anwalt Thomas Kralik folgende Stellungnahme: „Uns ist bekannt, dass es ein derartiges Verfahren gibt, das allerdings ausschließlich den höchstpersönlichen Lebensbereich meines Mandanten betrifft und nichts mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun hat. Mein Mandant wird dazu bei den entsprechenden Behörden Stellung nehmen und ich gehe davon aus, dass das Verfahren eingestellt wird.“

profil teilt diese Ansicht insofern nicht, als Suchtmittelkonsum geeignet sein kann, die Erfüllung beruflicher Funktionen, wichtiger Funktionen im öffentlichen Dienst zumal, zu beeinträchtigen.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.