Der fragwürdige Umgang der Regierung mit Hygiene Austria

Der Umgang der Bundesregierung mit dem Maskenproduzenten Hygiene Austria wirft unbequeme Fragen auf.

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"Stolz" sei er und "zutiefst dankbar" - so formulierte es Bundeskanzler Sebastian Kurz im vergangenen Frühjahr in Bezug auf das Unternehmen Hygiene Austria LP GmbH. Mitten in der Corona-Krise hatten der Faserhersteller Lenzing AG (50,1 Prozent) und der Unterwäscheproduzent Palmers Textil AG (49,9 Prozent) dieses Gemeinschaftsprojekt zur Produktion von Schutzmasken "made in Austria" hochgezogen.

Annähernd ein Jahr danach gab es bei Hygiene Austria eine Razzia durch die Justiz: Der Verdacht der Schwarzarbeit und des Umetikettierens chinesischer Masken steht im Raum. Nach einer profil-Enthüllung stellt sich darüber hinaus die Frage, wie weit die Regierung selbst bereit war zu gehen, um dem Unternehmen auf die Sprünge zu helfen.

Im Herbst 2020 war die Idee gereift, allen Menschen im Alter von 65 Jahren aufwärts zehn FFP2-Masken gratis zuzuschicken. Während der Beschluss im Ministerrat am 25. November 2020 im Geheimen gefasst wurde, liefen bereits vorher Planungen. Mit von der Partie war genau ein einziger Produzent: Hygiene Austria. Es gab sogar schon Besprechungsrunden mit Vertretern des Gesundheitsministeriums und der Bundesbeschaffung GmbH (BBG).Das zeigen Dokumente aus dem Ministerium, die profil einsehen konnte.

Private Connection ins Bundeskanzleramt

Warum ausgerechnet Hygiene Austria? Ende November 2020 schrieb eine Beamtin in einem Mail, dass am Rande des Ministerrats "deutlich kommuniziert" worden sei, dass "die Bundesregierung in diesem Vorhaben gerne österreichische Firmen/Produkte beschaffen würde". Und: Hygiene Austria sei "derzeit der einzige österreichische Anbieter dafür".

Bemerkenswert: Hygiene Austria verfügt auch über eine private Connection ins Bundeskanzleramt: Die Schwägerin von Hygiene-Austria-Geschäftsführer Tino Wieser ist Büroleiterin von Kanzler Kurz. Wieser und der Ehemann der Büroleiterin sind zudem Miteigentümer von Palmers und somit auch von Hygiene Austria. Dass das Kanzleramt beim Projekt "65+"möglicherweise etwas mitzureden gehabt haben könnte, ergibt sich aus dem erwähnten Mail. Die Beamtin ersuchte die Kabinettschefin von Minister Rudolf Anschober "um Bestätigung der weiteren Vorgangsweise allenfalls in Abstimmung mit dem Büro des HBK". "HBK" steht für "Herr Bundeskanzler".

Anfang Dezember war klar, dass Hygiene Austria beim Preis den Bogen überspannt hatte. Anschober zog die Notbremse, die BBG holte neue Angebote ein. Der siegreiche Bieter - ein österreichischer Händler mit CE-zertifizierter Ware aus China - verlangte pro Maske knapp unter 30 Cent (vor Steuern). Hygiene Austria hatte 79 Cent gefordert. Laut einem Ministeriums-Mail sparte sich der Staat dadurch rund neun Millionen Euro. Die Gesamtkosten für Kauf und Auslieferung der rund 18 Millionen Masken machten gemäß einem internen Papier übrigens knapp 14 Millionen Euro aus.

Doch nicht nur der Preis war offenbar ein Problem. Im Gesundheitsministerium hielt man zusammenfassend fest: "Das ursprüngliche Vorhaben der Bundesregierung, mit dieser Maßnahme auf rein österreichische Produkte zurückzugreifen (Hygiene Austria als einziger Anbieter eines derartigen Produktes) wurde aus Gründen der Transparenz und Sicherstellung ausreichender Qualität aufgegeben."

Hygiene-Austria-Chef Wieser ließ eine profil-Anfrage unbeantwortet. Den Verdacht der Staatsanwaltschaft wies das Unternehmen zuletzt zurück, erklärte jedoch auch, "zum Ausgleich einer Nachfragespitze" einen chinesischen "Lohnhersteller" hinzugezogen zu haben.

Aus dem Kanzleramt hieß es, das Projekt "65+" sei operativ vom Gesundheitsministerium vorangetrieben worden. Kontakte zu Hygiene Austria habe es diesbezüglich nicht gegeben. Die - mit dem Hygiene-Austria-Chef verschwägerte - Büroleiterin des Bundeskanzlers sei auf dieser Ebene gar nicht eingebunden. Das Kanzleramt selbst habe keine Schutzausrüstung von Hygiene Austria bezogen - auch nicht indirekt über die BBG.

Das Gesundheitsministeriums teilte mit, man habe mit Hygiene Austria "unverbindliche Vorbesprechungen" geführt. Es habe sich allerdings gezeigt, dass "nicht alle Fragen in Bezug auf die Sicherstellung der erforderlichen Qualität geklärt werden konnten". Auch Fragen in Bezug auf die notwendigen Liefermengen sowie auf die ausschließliche Produktion in Österreich seien noch offen gewesen.

Das Projekt "65+" ist dem Grunde nach abgeschlossen. Laut Ministerium erfolgten die finalen Auslieferungen Ende Februar. Noch vorhandene Restbestände werden bis 12. März im Rahmen von Nachsendungen verschickt.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).