Alt-BP Heinz Fischer, Alt-BK Alfred Gusenbauer und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
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Alfred Gusenbauer: Geld aus Aserbaidschan

Eine Firma des Ex-SPÖ-Bundeskanzlers kassierte über ein Offshore-Konstrukt im Jahr 2014 zumindest 120.000 Euro. Für die Beratung von Politikern, so Gusenbauer.

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Es ist die höchste Auszeichnung, welche die österreichische Sozialdemokratie zu vergeben hat: die Viktor-Adler-Plakette. Dass sie gestern, Donnerstag, im Rahmen eines festlichen Sommerempfangs an Alfred Gusenbauer verliehen wurde, hatte schon im Vorfeld für kritische Stimmen gesorgt. Gusenbauer war zwar acht Jahre lang SPÖ-Vorsitzender und fast zwei Jahre lang Bundeskanzler gewesen. Seit seinem abrupten Abgang aus der Spitzenpolitik Ende 2008 machte er jedoch eher mit seiner Geschäftstätigkeit als Lobbyist Schlagzeilen als mit sozialdemokratischen Initiativen. Nichtsdestoweniger zeigte sich Gusenbauer beim Festakt sichtlich stolz und zitierte den Spruch auf der Plakette: „Im Befreiungskampfe des Proletariates mitgewirkt zu haben, gibt dem Leben Sinn und Weihe“. Nun geht es allerdings wieder einmal um die delikate Frage, für wen Gusenbauer in den vergangenen Jahren noch gekämpft hat. Recherchen zeigen: Der Ex-Kanzler erhielt im Jahr 2014 beträchtliche Geldsummen aus dem autokratisch regierten Aserbaidschan. Aber wofür?

Einem Rechercheverbund von profil und ORF liegen Unterlagen vor, in denen Überweisungen an eine Gusenbauer-Firma von insgesamt 120.000 Euro dokumentiert sind. Der Geldfluss erfolgte auf durchaus verschlungenen Wegen: Involviert war eine schottische Offshore-Firma namens Faberlex LP, die über ein Konto bei der Danske Bank in Estland verfügte. Über dieses Konto lief das Geld. Die estnische Tochter der dänischen Danske Bank ist seit mehreren Jahren in einen riesigen Geldwäscheskandal verstrickt. Die Informationen zu den Gusenbauer-Zahlungen finden sich in Bankdaten, die das italienische Magazin „L‘Espresso“ mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), einem Investigativnetzwerk, geteilt hat. Das ICIJ machte die Daten internationalen Partnermedien zugänglich.

Geld kam von Briefkastenfirma

profil und ORF stießen in den Unterlagen auf sechs einzelne Überweisungen der Offshore-Firma Faberlex über jeweils 20.000 Euro auf ein österreichisches Konto. Als Empfängerin ist „Gusenbauer Projektentwicklung“ vermerkt. Ob es sich um die „Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH“ oder um deren Tochterfirma „Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH & Co KG“ handelt, ist nicht erkennbar. Beide sind jedoch im Wesentlichen Alfred Gusenbauer zuzurechnen. Laut Buchungstext erfolgten die Zahlungen auf Basis dreier Rechnungen.

Von Mai bis Oktober 2014 überwies Faberlex demnach insgesamt zumindest 120.000 Euro an die Firma des Ex-Kanzlers. Die Briefkastenfirma Faberlex war in Schottland registriert, wies laut Kontounterlagen jedoch auch eine Adresse in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku auf. Das passt zu Rechercheergebnissen des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), einem Investigativnetzwerk mit Osteuropafokus. OCCRP-Erkenntnissen zufolge handelte es sich bei der Faberlex um eine wichtige Firma in einem sogenannten „Laundromat“ – einem Offshore-Netzwerk, über das möglichst anonym riesige Geldbeträge in Richtung Westen verschoben wurden. Berichten zufolge könnten auf diese Weise auch europäische Politiker bestochen worden sein.

Bestechungsvorwürfe rund um Aserbaidschan

Dass es sich bei der Faberlex um nicht viel mehr als um eine Gelddrehscheibe handelt, scheint weitgehend gesichert zu sein. OCCRP fand bereits vor einiger Zeit jenen Mann, der gegenüber der kontoführenden Danske Bank als Verantwortlicher genannt war. Er lebt in einem bescheidenen Heim am Rand von Baku. Sein Beruf: Fahrer für eine Bank in der aserbaidschanischen Hauptstadt. Der Mann sagte, die Bank habe ihn zum „Director“ diverser Offshore-Firmen gemacht. Er wisse nichts über die Geldtransaktionen dieser Firmen. Die Dokumente dazu würden bei der Bank liegen. Laut OCCRP weist Faberlex direkte Connections zum autokratischen aserbaidschanischen Regime auf.

Aserbaidschan steht seit mehreren Jahren im Verdacht, systematisch versucht zu haben, westliche Politiker zu kaufen. In Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft. In Italien wurde Anfang des Jahres ein ehemaliger Abgeordneter – nicht rechtskräftig – in erster Instanz wegen Korruption zu vier Jahren Haft verurteilt. Er hatte 2,39 Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten.

Gusenbauers Baku-Connection

Eines der Zentren der Lobbyingbemühungen Aserbaidschans schien in den vergangenen Jahren der Europarat gewesen zu sein. Der Europarat versteht sich als Hüter von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – allesamt Werte, mit denen das Regime in Baku auf Kriegsfuß steht. Knapp bevor Gusenbauer die Zahlungen aus dem Faberlex-Konstrukt erhielt, gab Österreich den halbjährlich wechselnden Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates an Aserbaidschan. Gusenbauer war zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr in der Regierung. Er leitete aber das Dr.-Karl-Renner-Institut – quasi die Parteiakademie der SPÖ – und fungierte immerhin als Vizepräsident der „Sozialistischen Internationale“. Vernetzt war der Ex-Kanzler also weiterhin prächtig. Berührungsängste mit einem Regime wie jenem in Baku hatte Gusenbauer ohnehin nicht.  

Tatsächlich sind einzelne Aserbaidschan-Connections Gusenbauers öffentlich dokumentiert. Mitte 2013 lud der der Ex-Kanzler etwa in Wien zu einer Konferenz über die Geopolitik des Landes. Zu Gast war unter anderem ein Minister aus Baku. Laut einer Presseaussendung schloss Gusenbauer „mit einem Appell an die internationale Gemeinschaft, mehr zu tun, um die armenische Besetzung des aserbaidschanischen Territoriums (Anm.: gemeint war der Konflikt um Bergkarabach) zu beenden, sowohl aus humanitären Gründen als auch unter Aspekten der Energiesicherheit.“ Gusenbauer sitzt zudem seit einigen Jahren im „Advisory Board“ der Österreichisch-Aserbaidschanischen Handelskammer (ATAZ), die die Wirtschaftsbeziehungen der beiden Ländern stärken möchte.

„Coaching für Abgeordnete“

profil und ORF haben den früheren Bundeskanzler zu den Geldflüssen befragt. Gusenbauers  Antwort: „Die Gusenbauer Projektentwicklungs und Beteiligungs GmbH hat 2014 ein sechsmonatiges Coaching und Beratungsprojekt für Abgeordnete der Republik Aserbaidschan durchgeführt. Dieser Auftrag war selbstverständlich remuneriert. Zahlungen an Dritte wurden nicht getätigt.“ Ihm sei „keine international relevante Einstufung von Aserbaidschan als ‚repressives Regime‘ aus dem Jahr 2014 bekannt“, meint Gusenbauer. Auch Sanktionen der westlichen Staatengemeinschaft habe es nicht gegeben.

Kritik an der Menschenrechtssituation in Aserbaidschan gab es freilich auch schon 2014. Die Frage, ob es ihm problematisch vorgekommen sei, über eine Scheinfirma bezahlt worden zu sein, ließ Gusenbauer unbeantwortet. Seine Angaben unterstreichen allerdings, dass es sich bei der Faberlex um eine Firma für Zahlungsabwicklungen im Umfeld des aserbaidschanischen Regimes von Präsident Ilham Aliyev handeln dürfte. Ilham Aliyev ist übrigens nicht verwandt mit Rakhat Aliyev, dem verstorbenen Ex-Schwiegersohn des langjährigen kasachischen Staatschefs Nursultan Nasarbajew, der jahrelang Österreich in Atem gehalten hat.

„Beachtliche Erfolge“

Gusenbauer hat bekanntlich auch für das autokratische Regime Nasarbajews gearbeitet.

Er betonte einst, dazu beizutragen, dass „in Kasachstan Reformen durchgeführt werden, und dass es zu internationalen Vereinbarungen kommt, die das Land wirtschaftlich und demokratisch nach vorne bringen“. In die Schlagzeilen geriet der Ex-Kanzler auch als wesentlicher Teil einer sogenannten „Hapsburg Group“ hochrangiger Ex-Politiker, die für den damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Europa und in den USA lobbyiert haben soll.

Der frühere Bundeskanzler hat jegliches Fehlverhalten immer bestritten.

Laudator bei der Verleihung der Viktor-Adler-Plakette war niemand Geringerer als Ex-Bundespräsident und SPÖ-Urgestein Heinz Fischer. Als Fischer bei der Darlegung von Gusenbauers Biographie in der Zeit nach dessen Kanzlerschaft angekommen war, sagte er: „Er hat sich nach dem Ausscheiden aus der Politik Aufgaben in der Wirtschaft zugewandt und dabei beachtliche Erfolge erzielt.“ Beachtlich sind sie jedenfalls.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.