Die Demontage der Wien-Holding-Chefin und die maue Frauenquote in Wiens Firmen
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Eines sei ihm besonders wichtig, sagte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, „dass Frauen die gleichen Möglichkeiten und Chancen haben – in der Wirtschaft, in der Verwaltung, in allen Lebensbereichen“. Es war der 1. Mai 2023, die Sonne blinzelte freundlich über den Rathausplatz, und Ludwig predigte am Hochamt der Sozialdemokratie durchaus emotional: „Wenn Frauen bereit sind, Funktionen zu übernehmen, sollten wir sie dabei unterstützen, liebe Genossinnen und Genossen!“
Gut möglich, dass einer der Genossen nicht ganz so genau zugehört hat. Denn nur wenige Wochen später erklärte SPÖ-Finanzstadtrat Peter Hanke der langjährigen Geschäftsführerin der Wien Holding, Sigrid Oblak, in einem persönlichen Gespräch, dass ihre Position nicht wieder ausgeschrieben wird. 15 Jahre stand die studierte Raumplanerin dem Unternehmen im Eigentum der Stadt vor. Fast zehn davon teilte sie sich die Geschäftsführung mit Hanke – ehe dieser 2018 in die Stadtregierung wechselte und zu ihrem Chef wurde. Oblaks Vertrag läuft mit Ende Februar 2024 aus. Sich für eine erneute Periode zu bewerben, wird ihr nun verwehrt.
Dieser Fall ist ein weiterer in einer ganzen Reihe von Personalien der jüngeren Vergangenheit bei Unternehmungen im Einflussbereich der Stadt Wien, in denen weibliche Führungskräfte den Kürzeren ziehen. Obwohl der Anteil an Frauen in Führungspositionen hier ohnehin schon nicht berauschend ist. Von einer Unterstützung von karrierewilligen Frauen oder gar einer gezielten Frauenförderung ist wenig zu spüren. Unter den SPÖ-Frauen brodelt es. Denn wie geht das mit einer behaupteten sozialdemokratischen Gleichstellungspolitik und dem Kampf gegen die gläserne Decke zusammen? Und was gedenkt man zu tun, um Frauen vermehrt in Führungsverantwortung zu bringen? Wenn man die, die schon dort sind, sukzessive absägt?
Dass Oblak demontiert wird, kam nicht nur für sie selbst überraschend. Erst im März 2022 war das aus ihr und Kurt Gollowitzer bestehende Führungsteam mit Oliver Stribl – der von der Medienförderstelle RTR kam – um einen dritten Geschäftsführer erweitert worden. Begründet wurde dies damit, dass die Wien Holding im letzten Jahrzehnt sehr stark gewachsen sei und auch künftig weiter wachsen werde. Deshalb habe die Stadt Wien beschlossen, „das Unternehmen auch auf der Führungsebene zu verstärken und für das künftige Wachstum, für die neuen Herausforderungen und für neue Projekte zu rüsten“, wie es damals in einer Presseaussendung hieß. Nun wird wieder auf ein Geschäftsführer-Duo reduziert. „Frau Dipl.-Ing. Oblak hat sich über Jahrzehnte äußerst verdient für die Wien Holding und ihre Unternehmen gemacht und gerade in ihrer letzten Geschäftsführungsperiode noch sehr stark in den neuen Strategieprozess involviert und diesen maßgeblich mitgeprägt. Gerade diese neue Strategie schafft massive Synergien innerhalb des Konzerns und lässt es nun auch zu, die Management-Ebene zu verschlanken“, sagt Wien-Holding-Konzernsprecher Wolfgang Gatschnegg. Stadtrat Hanke hingegen ließ eine entsprechende profil-Anfrage unbeantwortet.
Finanzstadtrat Peter Hanke
Im Einflussbereich des SPÖ-Politikers hatten manche weibliche Führungskräfte zuletzt das Nachsehen.
Dass den Einsparungsmaßnahmen nun ausgerechnet die einzige Frau zum Opfer fällt, hat mehr als einen Hautgout. „Warum meine Position nicht wieder ausgeschrieben wird, hat man mir gegenüber nicht begründet“, so Oblak zu profil. „Aber ich habe den Eindruck, früher wurde auf fachliche Expertise geachtet, heute wird mehr Wert auf Loyalität gelegt.“ Als karenzierte Beamtin – die 61-Jährige war zuvor Abteilungsleiterin der MA 69, dem Liegenschaftsmanagement der Stadt Wien – wird sie nun bis zum Erreichen des Pensionsalters in den Kosmos der Stadt zurückkehren.
Armutszeugnis
Unter den Frauen in der SPÖ Wien jedenfalls ist der Unmut groß. „Im Rathaus hat sich eine Männerebene etabliert, die Frauen schon fast systematisch aus Führungspositionen entfernt oder bei Besetzungen übergeht“, heißt es gegenüber profil. Öffentlich darüber sprechen will freilich keine. Frauenstadträtin Kathrin Gaál ließ stattdessen die Magistratsdirektion antworten, die darauf hinweist, dass der Frauenanteil in „höherwertigen Verwendungen“ in der Stadt im Jahr 2022 erstmals auf 43,29 Prozent gestiegen sei.
Eva-Maria Holzleitner, Bundesvorsitzende der SPÖ Frauen, sagt indes: „Gleichstellung ist ein zentrales Anliegen der sozialdemokratischen Politik. Die Stadt Wien setzt in dieser Hinsicht viele Initiativen, sichtbar unter anderem durch den geringsten Gender-Pay-Gap. Außerdem übernimmt Wien in Sachen Gender Budgeting eine vorbildliche Rolle. Diese frauenpolitischen Initiativen vermisse ich auf Bundesebene gänzlich.“
Eine profil-Auswertung des Firmenbuchs der aktuellen Geschäftsführungen bei den laut Beteiligungsstruktur wichtigsten Unternehmen der Wien Holding und den bedeutendsten Unternehmen der Stadt, wie etwa der Wien Energie, zeigt jedenfalls, dass der Frauenanteil bei gerade einmal knapp 23 Prozent liegt (siehe Grafik). Da kann auch das gerne als Aushängeschild genannte dreiköpfige Geschäftsführerinnen-Team der Wiener Linien das Ruder nicht herumreißen. Jene Chefetagen, die ausschließlich von Männern regiert werden, sind immer noch in der Überzahl.
Gewiss, die Zahlen sind zwar deutlich besser als das, was die Privatwirtschaft vorzuweisen hat. Ganz generell arbeiten in Österreich noch immer viel zu wenig Frauen in Führungsfunktionen. In den 200 umsatzstärksten Unternehmen des Landes werden lediglich 63 von 599 Geschäftsführerpositionen – das entspricht 10,5 Prozent – von Frauen bekleidet, wie aus dem jüngsten „Frauen.Management.Report“ der Arbeiterkammer hervorgeht. Noch deutlicher fällt die Unterrepräsentanz in den Vorstandsetagen der börsennotierten Unternehmen aus, da waren gerade einmal 19 von 212 Positionen weiblich besetzt – das sind neun Prozent.
Aber für Unternehmen einer sozialdemokratisch regierten Stadt, die sich Frauenförderung, den Kampf gegen die gläserne Decke und Gleichstellungspolitik auf die Fahnen geschrieben hat, sind nicht einmal ein Viertel Chefinnen tatsächlich ein Armutszeugnis. „Die Stadt sollte mit ihren eigenen Unternehmen als Vorbild agieren und Führungspositionen, so wie es bei den Grünen selbstverständlich ist, paritätisch besetzen“, sagt Judith Pühringer, Parteivorsitzende der Wiener Grünen und nicht amtsführende Stadträtin.
Es sei selbstverständlich ein erklärtes Ziel der Wien Holding, Frauen in Führungspositionen zu fördern, sagt Sprecher Gatschnegg. „Sämtliche Geschäftsführungspositionen werden daher stets nach allen gesetzlichen Vorgaben ordnungsgemäß ausgeschrieben. Frauen werden bei gleicher Qualifikation auch immer bevorzugt.“
Postenstreichungen
Eines der wenigen tatsächlich paritätisch besetzten Tochterunternehmen der Wien Holding ist die Wiener Stadthalle. Allerdings nicht mehr lange. Der Vertrag von Carola Lindenbauer läuft mit Ende des Jahres aus. „Ich wollte mich erneut bewerben. Im September wurde mir dann gesagt, dass die Position nicht mehr ausgeschrieben wird“, sagt Lindenbauer. Übrig bleibt als Alleingeschäftsführer mit Matthäus Zelenka, erraten, ein Mann. Dass man sie loswerden wollte, obwohl der von ihr geleitete kaufmännische Bereich 2022 das beste Ergebnis seit Jahren vorweisen konnte, kam für die Juristin nicht unerwartet. „Ich war wohl zu kritisch und bin zu oft angeeckt“, meint Lindenbauer. Überraschend sei für sie jedoch der „Kunstgriff“ gewesen, mithilfe dessen man sich ihrer entledigte – nämlich ihre Position nach Vertragsende einfach zu streichen. Aber diesen hatte man ja schon im Fall von Wien-Holding-Chefin Sigrid Oblak erprobt.
© APA/HELMUT FOHRINGER
PK INTERESSENGEMEINSCHAFT ÖSTERREICHISCHE VERANSTALTUNGSWIRTSCHAFT (IGÖV) "BACK TO LIVE - ÖSTERREICH FEIERT DAS COMEBACK DER VERANSTALTUNGEN"
Stadthallen-Chefin Lindenbauer
„Ich war wohl zu kritisch und bin zu oft angeeckt.“
Doch nicht nur in den von Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke verantworteten Bereichen kam es zu Abgängen. Auch unter Gesundheitsstadtrat Peter Hacker haben Frauen häufig das Nachsehen. Wie etwa Sigrid Pilz. Zehn Jahre waltete sie ihres Amtes als Wiener Patientenanwältin. Im Frühjahr hatte sie sich nach Auslaufen ihrer zweiten Funktionsperiode für eine dritte beworben. Dass sie nicht wiederbestellt wurde, kam für die 64-Jährige überraschend: „Ich hätte gerne weitergemacht und habe zu keiner Zeit ein Signal erhalten, dass man mit meiner Arbeit nicht zufrieden gewesen wäre.“ Im Bewerbungsverfahren wurde ihr laut eigenen Angaben von der Kommission die höchstmögliche Qualifikation beschieden. Eine Bewertung, die genau zwei der Bewerber erhalten hatten. Bestellt wurde mit dem früheren Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, Gerhard Jelinek, ein 65-jähriger Mann. Das ist insofern erstaunlich, als bei Jobausschreibungen der Stadt Wien der Passus enthalten ist, dass Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden, wie etwa auch Cordula Gottwald, Personaldirektorin der Stadt Wien, kürzlich in einem Interview mit „Wien heute“ betonte. „Jeder und jede kann ersetzt werden, das ist völlig klar“, meint Pilz. „Aber ich hätte erwartet, wenn jemand Neuer kommt, dann eine Person, die jünger ist und frische Impulse setzt, aber so war es nicht. Mein Nachfolger ist älter als ich und wurde aus der Pension geholt.“
Und dann wäre da noch der Fall um die frühere Chefin des Kuratoriums Wiener Pensionisten-Wohnhäuser, Gabriele Graumann. Sie wurde aufgrund von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen 2021 entlassen. Im heurigen Februar stellte die Staatsanwaltschaft Wien die Ermittlungen gegen Graumann ein. Die Behörde konnte keine Verfehlungen feststellen. Die Stadt Wien hat sich mit ihr inzwischen um teures Geld verglichen. Auch Graumann wurde durch einen Mann ersetzt.
„Die SPÖ Wien ist weit entfernt von einer beherzten und profilierten Frauenpolitik, was die Personalbesetzungen betrifft“, kommentiert Grünen-Stadträtin Pühringer.
Mit der Geschlechterparität verhält es sich offenbar wie mit den Klimazielen. Irgendwer wird das in ferner Zukunft schon regeln.
Christina Hiptmayr
war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.