Wirtschaft

Die fragwürdige Teilprivatisierung des Klagenfurter Flughafens

Die Teilprivatisierung des Klagenfurter Flughafens ist ein Musterbeispiel, wie wertvolle Infrastruktur verschleudert wird. Das Land Kärnten und die Stadt Klagenfurt räumten unter fragwürdigen Bedingungen das Cockpit für einen Immobilieninvestor.

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Vor dem pompösen Großbildschirm ein Podium mit fünf Personen, dahinter parken ein paar Kleinflugzeuge. Die Kulisse im Hangar am Klagenfurter Flughafen ist stilecht. Plötzlicher Propellerlärm verzögert den Programmablauf-zu viele Dezibel, um noch etwas verstehen zu können. Die versammelten Journalisten warten, bis die Maschine draußen am Flugfeld ausrollt und die Präsentation losgehen kann. Es geht um die Zukunft des Provinzflughafens, und die ist verheißungsvoll: Rund eine Milliarde Euro sollen investiert werden, 5400 Arbeitsplätze entstehen, ein Hotel, ein Technologiepark, eine Messe und ein Logistikzentrum aus dem Boden wachsen und den verschlafenen Airport der Kärntner Landeshauptstadt in eine neue Ära katapultieren. Titel des Hochglanzprojektes: Aviation City Klagenfurt. Der Mann, der diese hochfliegenden Pläne verwirklichen will, ist an diesem Augusttag des Jahres 2019 nicht anwesend. Investor Franz Peter Orasch, dessen Lilihill-Gruppe im Juli 2018 die Mehrheit am Flughafen übernommen hatte, lässt sich vertreten.

Heute, mehr als ein Jahr danach, ist von den vollmundigen Versprechungen noch nicht einmal in Ansätzen etwas zu sehen. Im Gegenteil: Der kürzlich vorgelegte Bericht des Kärntner Landesrechnungshofs (LRH) stellt der Teilprivatisierung des Flughafens ein desaströses Zeugnis aus. Der 109 Seiten starke Report gleicht einer einzigen Mängelliste. Offenbar wurde beim Verkauf der Anteile höchst dilettantisch vorgegangen. Die Behörde konstatiert mangelnde Sorgfalt, ungenügende Dokumentation und fehlende Transparenz. Die Folge: Die öffentliche Hand läuft nun Gefahr, ihren Einfluss am Flughafen zu verlieren und den Vorhaben des Investors nur noch machtlos zusehen zu können. In der Politik rumort es: Der Kontrollausschuss des Kärntner Landtages will 18 Beteiligte vorladen. Vom zuständigen Landesrat Martin Gruber (ÖVP) über Klagenfurts Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) bis zum Flughafen-Aufsichtsratschef Peter Malanik (ehemals Aua-Vorstand)-und natürlich: Orasch selbst.

„Blockademöglichkeiten werden zur Investitionsbehinderung eingesetzt.“

Peter Malanik

Flughafen-Aufsichtsratschef

Der Flughafen war ein Klotz am Bein geworden. Über Jahre kaufte man Passagiere. Das Geld dafür kam vom Land Kärnten. Billigfliegern wie Ryanair und Tuifly wurden Beihilfen in Millionenhöhe nachgeworfen, um Touristen nach Klagenfurt zu bringen. Bis die EU dem Treiben ein Ende setzte und den Geldregen als wettbewerbswidrig abdrehte. Seither sind die Passagierzahlen im Sturzflug. Von 523.000 im Jahr 2005 auf 228.000 im Jahr 2018. Minus 56 Prozent. Das Land und die Stadt Klagenfurt, die Anteile im Verhältnis 80 zu 20 hielten, hatten einen maroden Airport an der Backe. Zeit für einen Retter in der Not.

"Der damals bereits absehbare Investitionsbedarf von Zigmillionen Euro wäre von Land und Stadt nicht zu stemmen gewesen, daher war die Suche nach einem Partner eine logische Konsequenz", sagt Landesrat Gruber.

Doch schon in der Vorbereitung der Privatisierung kam es, um es vorsichtig auszudrücken, zu einigen Seltsamkeiten. Die Kärntner Beteiligungsverwaltung (K-BV), welche die Anteile für das Land hielt, wollte wissen, was der Flughafen wert war-um einen angemessenen Verkaufspreis festlegen zu können. So weit, so vernünftig. 2015 gab sie bei zwei Beratungsunternehmen sogenannte indikative Bewertungen in Auftrag, die jedoch nicht als solche kommuniziert wurden: "Der Vorstand der K-BV berichtete dem Aufsichtsrat fälschlicherweise, dass Due-Diligence-Prüfungen beauftragt worden wären und der Ertragswert der KFBG (Anm.:Flughafen Betriebsgesellschaft), gleich null' wäre", moniert der Rechnungshof. Tatsächlich handelt es sich bei einer indikativen Bewertung um eine vergleichsweise rasche und überschlagsmäßige Bewertung des Firmenwerts, nicht aber um eine in die Tiefe gehende Prüfung, wie es eine Due Diligence darstellt.

Damit nicht genug: Der Vorstand habe den Aufsichtsrat außerdem nicht darüber aufgeklärt, dass der Wert der sogenannten nicht betriebsnotwendigen Grundstücke nicht in die Unternehmensbewertung eingeflossen sei, bemängelt der LRH. Dabei handelt es sich bei diesen Liegenschaften um ein echtes Asset. Ein Verkehrswertgutachten aus dem Jahr 2015 beziffert den Wert dieser Grundstücke mit rund 28 Millionen Euro. "Die unvollständige Information über den Wert der Gesellschaft und ihre Liegenschaften erschwerte den Aufsichtsräten eine umfassende und kritische Auseinandersetzung mit den Handlungsalternativen hinsichtlich der Zukunft", stellt der LRH dazu fest.

Die Privatisierung erschien somit alternativlos, der Prozess wurde fortgesetzt. Und mit ihm wurden auch diverse Husch-Pfusch-Aktionen gestartet. So mussten etwa die Bieter einen Nachweis ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit erbringen. Gefordert waren Umsatzerlöse von jeweils mindestens vier Millionen Euro in den vergangenen drei Geschäftsjahren. Die Lilihill-Gruppe legte ein Schreiben ihres Steuerberaters vor, welches die geforderten Erlöse mit Hinweis auf "Innenumsätze" der Gesellschaften bestätigte. Der LRH stellte jedoch fest, dass sich aus den später "nachgereichten Jahresabschlüssen die bestätigten Umsatzerlöse nicht ableiten" ließen. War der potente Investor etwa doch nicht so finanzkräftig? Die K-BV dürfte sich nicht näher dafür interessiert haben. profil aber hat nachgefragt: "Wir möchten nur der guten Ordnung halber festhalten, dass wir selbstverständlich alle erforderlichen Unterlagen abgegeben und auch alle geforderten Kriterien erfüllt haben", sagt eine Lilihill-Sprecherin.

So prickelnd dürften die eingereichten Unterlagen aber nicht gewesen sein: Das Angebot erhielt bei der Bewertung der Qualitätskriterien lediglich 183 von 470 möglichen Punkten. Nach Schulnoten wäre das ein klares "Nicht genügend".Doch es war das einzig verbliebene Angebot. Und so bekam Oraschs Lilihill-Gruppe im Sommer 2018 den Zuschlag für 74,9 Prozent der Anteile an der Flughafen-Betriebsgesellschaft. Obwohl der Immobilienentwickler die Öffentlichkeit scheut und die Medien meidet, ist der 50-Jährige in Kärnten mittlerweile eine bekannte Größe. Hat er doch in den vergangenen Jahren mit seinem weit verzweigten Firmengeflecht in der Klagenfurter Innenstadt ein respektables Immobilienportfolio zusammengekauft-was von den Einheimischen mit einigem Argwohn beäugt wird. Dass sich Parallelen zu René Benko aufdrängen, kommt nicht von ungefähr: Orasch war jahrelang in Führungspositionen in dessen Signa-Gruppe tätig.

Auch am Flughafen geht es Orasch um Immobilien: Die erwähnten nicht betriebsnotwendigen Grundstücke sind der Schlüssel zu Oraschs Aviation-City-Projekt . Ohne die Verwertung dieser Liegenschaften-in Summe 51 Hektar-ist das Vorhaben in der präsentierten Form nicht realisierbar. Orasch kann über diese Flächen nun relativ freihändig verfügen, wie der Bericht des Rechnungshofes zeigt. Zwar wurde im Gesellschaftsvertrag ein Einstimmigkeitsprinzip verankert, auch betreffend Liegenschaftsverkäufen, doch mit der Unterfertigung des Beteiligungsvertrags und dem damit bekundeten Bekenntnis zum Strategieplan des Investors hätten die Altgesellschafter diesem ihre Zustimmung "zur Veräußerung der Liegenschaften bereits vorab zugesichert". Auf Flächen nördlich der Rollbahn will Orasch die sogenannte Avifair, ein Messezentrum, errichten. Obwohl es in Klagenfurt bereits eine Messe gibt. Doch die soll auf den Flughafen übersiedeln. Die dadurch frei werdenden rund zehn Hektar in der Innenstadt will Orasch entwickeln. Glanzvolle Bilder davon gibt es schon. Projektname: "Urban Science Park".Über eine halbe Milliarde Euro sollen dort verbaut werden. Im Juni 2019 ging Orasch damit in die Medien-ohne auch nur einen Quadratzentimeter des innerstädtischen Messeareals zu besitzen. Und sehr zum Missfallen von Bürgermeisterin und Messepräsidentin Maria-Luise Mathiaschitz, die von seinen Plänen überrumpelt wurde. Orasch hatte sich aber mit der Falschen angelegt: Mathiaschitz gab ein Gutachten in Auftrag, das dem bestehenden Messestandort in der Innenstadt Vorteile gegenüber dem Airport bescheinigte. Damit war dieses Projekt vom Tisch. Zumindest vorerst.

Derzeit wird aber ohnehin versucht, die Karten neu zu mischen. Die Lilihill-Gruppe argumentiert, sie könne ohne Kapitalerhöhung bei der Flughafengesellschaft keine Investitionen tätigen. Stadt und Land müssten also ebenfalls Geld zuschießen oder auf Anteile verzichten. Weder das eine noch das andere ist gewollt. Die Verhandlungen laufen bereits. "Lilihill hat bei der Privatisierung darauf hingewiesen, dass die Investitionsblockaden gelöst werden müssen. Keiner konnte annehmen, dass die Blockademöglichkeiten tatsächlich zur Investitionsbehinderung eingesetzt werden",spielt Flughafen-Aufsichtsrat Peter Malanik den Ball Richtung Politik.

Land und Stadt könnten aber auch die sogenannte Call Option ziehen. Diese berechtigt die Alteigentümer zum Rückkauf des Flughafens, wenn die Passagierzahl unter 100.000 sinkt. Zu nicht so unattraktiven Konditionen: Orasch hatte beim Einstieg in Summe 8,1 Millionen Euro in die Gesellschaft eingebracht. Dieser Betrag wird im Rahmen der Call Option auf zehn Jahre gesplittet. Sodass Land und Stadt den Flughafen ausgehend von 2019 jedes Jahr um (weitere) 810.000 Euro zurückkaufen könnten. Bis im Jahr 2028 die vollen 8,1 Millionen gezahlt werden müssten.

2019, im ersten vollen Jahr unter Lilihill-Patronanz, zeigten die Passagierzahlen mit minus 8,4 Prozent bereits deutlich nach unten. Der Flughafen fertigte lediglich 209.000 Gäste ab. 119.000 davon beförderte die AUA. Diese Abhängigkeit will Lilihill nun mit der Gründung einer eigenen Fluglinie verringern. "Aber ohne Möglichkeit zu Investitionen am Flughafen wird es natürlich auch keine Airline geben", sagt Malanik. Das nennt sich dann wohl Drohkulisse.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis Oktober 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.