Zweiklassenfeier

Die Oscar-Gala als Zweiklassenfeier

Oscars. Hollywood existiert nur am Bildschirm. Zumindest das beweist ein Spaziergang am Walk of Fame

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Von Philip Dulle

Immerhin das Los Angeles Police Department ist aufgeregt. Bereits Sonntag Vormittag, Stunden vor dem Beginn der 85. Oscar-Gala und dem Eintreffen der ersten Stars, wird jede Straße rund um den Hollywood Boulevard weitflächig abgeriegelt. Scharfschützen mit 50-Millimeter-Kaliber-Gewehren beziehen Stellungen auf den umliegenden Gebäuden, eine Hightech-Wunderwaffe namens „Batcat“ soll die Veranstaltung vor Terrorangriffen mit sprengstoffbeladenen Autos schützen. Selbst die Limousinen der Stars müssen erst einen Parcours durchqueren, bevor sie den roten Teppich erreichen.

Die bunten Bewohner Los Angeles, der Stadt der Engel, denken auch nicht daran, in Hysterie zu verfallen. Das jährliche Oscar-Tamtam am Walk of Fame, die glamouröse Sebstbestätigung der US-Filmbranche, zieht nur eine überschaubare Menschenmenge Richtung Hollywood Boulevard. Selbstgebastelte Fan-Plakate? Nicht in Sicht. Der Glanz der alten Tage? Fehlanzeige. Public Viewing? Doch nicht in den USA.

Stars entlang der Absperrung
Die Zuseher am Boulevard, die länger als eine Stunde Limousinen Anfahrts- und Abfahrtschaos überstanden haben, genügen sich bereits mit bedeutend Weniger: Der Rücken von Halle Berry, ein Lächeln von Catherine Zeta-Jones, die schlohweißen Haare von Michael Haneke und ein vielumjubelter Christoph Waltz. Immerhin ein paar Stars lassen sich auch bei den gemeinen Zusehern blicken, die sich entlang der Polizei-Absperrung aufgereiht haben.

Bildschirme gibt es hier nicht. Keine Lautsprecher, kein Entertainer. Ein paar Wagemutige suchen nach besserer Aussicht auf Mauervorsprüngen, während sich altgediente Oscar-Aficionados mit Campingausrüstung und Feldstecher in Stellung bringen und fleißig ihre gesichteten Helden protokollieren. Ben Affleck und Ehefrau Jennifer Garner: check; George Clooney und sein aktuelles Plus eins: check; Brangelina? Leider nicht gesehen. Das Glamour-Paar ging heuer wohl am meisten ab.

Der Walk of Fame, der weltberühmte Straßenzug mit knapp 2500 Sternen von Prominenten aus der Unterhaltungsindustrie, gehört an diesem Tag vor allem den Touristen. Man genießt den behördlich verordneten autofreien Sonntag, lässt sich mit Johnny-Depp-Doubles und gutgelaunten Officern des LAPD fotografieren und bringt hiesige Barbesitzer mit unorthodoxen Bierbestellungen zum Verzweifeln. Immerhin: Knapp 200 Meter neben dem Dolby Theater herrscht Bierzelt- und Fußballstimmung. Ein kleiner Zufluchtsort für eine kleine Gruppe von Gästen aus Europa, die in einem kleinen Lokal mit Schneewittchen-Deko ihren Christoph Waltz und ihren Michael Haneke feiern.

Auch normale Besucher der Oscar-Gala, die zwar offenbar über die richtigen Kontakte (oder ein ausreichendes Budget) verfügen, aber dennoch nicht zur A-Liga Hollywoods gehören, haben an diesem sonnigen Nachmittag kein leichtes Los. Die Veranstalter sieben bereits auf der Straße beinhart aus; nur einer der beiden Zufahrtswege für die Limousinen führt direkt vor den roten Teppich. Der zweite, der direkt über den Hollywood-Boulevard Richtung Dolby Theater führt, ist für die weniger bekannten Kartenbesitzer reserviert. Schlussendlich bleibt nur der unglamouröse Gang über polizeiliches Sperrgebiet.

Glamour und Bildschirm
Die Filmbranche vollführt derweil ihr gut geöltes und minuziös geplantes Schauspiel, das nicht mal Moderator Seth MacFarlane zu umgehen weiß. Kurz nach neun Uhr Abends ist dann auch der letzte Anflug von Glamour vorbei. Während bereits die Oscars in den Hauptkategorien vergeben werden, verlassen auch die letzten Touristen schleunigst den Boulevard, der Nachts eher einer Freakshow, als einer Traumfabrik gleicht. Auch die Stadtverwaltung und die Polizei wappnen sich bereits für die Party danach und bringt ein halbes Dutzend Abbaukräne in Stellung.

Hollywood existiert eben nur am Bildschirm. Zumindest das beweist ein Spaziergang am Walk of Fame.