Dietrich Mateschitz und Servus TV: Der alte Mann und das Gscher
Die einen brachen in Tränen aus, die anderen kreischten, als hätten sie die heißeste Boyband des Jahrhunderts vor sich. Erzählen zumindest Beteiligte jenes "Station Meetings“, in dem Dietrich Mateschitz’ Erklärung verlesen wurde, er wolle seinen Fernsehsender nun doch weiterführen.
Man kann den Leuten ihren Gefühlsausbruch nicht verdenken. Immerhin hatten die 264 Mitarbeiter von Servus TV rund 40 Stunden lang das Schlimmste vor Augen: Jobverlust. Existenzängste.
"Sorgfaltspflicht"
"Wirtschaftlich untragbar“ sei der Sender. Jahr für Jahr habe man einen knapp dreistelligen Millionenbetrag hineingepumpt - ohne Aussicht auf positive Entwicklung. Entsprechend der "Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmannes“ müsse der Betrieb (der seit 2010 knapp zwölf Millionen Euro an staatlichen Förderungen aus dem "Privatrundfunkfonds“ erhielt) eingestellt werden. Hieß es zuerst. Dann gab Red-Bull-Chef Mateschitz zu Protokoll, Initiativen zur Gründung eines Betriebsrats hingen ebenso mit dem Aus des Senders zusammen. "Dass diese Vorgehensweise bei der Entscheidung in der aktuellen Situation nicht gerade dienlich war, ist evident“, erklärte der 71-Jährige. So wurde es auch intern kommuniziert: Man könne sich bei den Kollegen bedanken, welche die Sache ins Rollen gebracht hätten.
Eine tatsächliche Einstellung des Senders hätte ein paar interessante Fragen aufgeworfen. Arbeitnehmer, die sich gewerkschaftlich engagieren, genießen bekanntlich Kündigungsschutz. Wird jemand aufgrund einer Proponententätigkeit für eine Betriebsratsgründung gekündigt, ist dies als sogenannte Motivkündigung rechtlich anfechtbar. Im Fall von Servus TV sollten jedoch nicht einzelne Betriebsratsproponenten gekündigt werden, sondern sämtliche Mitarbeiter. Hätte das also eine Klagsflut der geschassten Mitarbeiter zur Folge gehabt? "Wenn der Eigentümer den gesamten Betrieb schließt, wegen der im Raum stehenden Initiative einer Betriebsratsgründung, dann ist das meines Erachtens rechtlich nicht bekämpfbar“, erklärt Stefan Köck vom Institut für Arbeitsrecht der WU Wien.
Besänftigter Patriach
Nachdem alle ausgiebig vor Mateschitz auf den Knien gerutscht waren - Gewerkschafter, Arbeiterkämmerer und Mitarbeiter, die nicht nur einen offenen Brief verfassten, sondern "dem Didi“ auch eine herzergreifende Videobotschaft zukommen ließen -, war der Patriarch besänftigt und packte die Peitsche wieder ein. Keine Rede mehr von der "Sorgfaltspflicht des ordentlichen Geschäftsmannes“.
Die kuriose Betriebsratscausa lenkt möglicherweise nun den Blick auf weitere arbeitsrechtliche Auffälligkeiten bei Servus TV: Der Großteil der Mitarbeiter ist nämlich nach dem Kollektivvertrag des Handels angestellt - der mit der Arbeitsrealität von Medienleuten nicht wirklich kompatibel ist. Arbeitsrechtler Robert Palka hält dies für problematisch und ortet ein mögliches "Umgehungsgeschäft“. Aber die Mitarbeiter werden darob wohl nicht aufmucken. Sonst dreht Mateschitz die Bude zu.