US-Präsident Donald Trump hat die nächste Handelskeule auf den Tisch gelegt und Sonderzölle für Stahl- und Aluminiumimporte angekündigt. Diese müssen gar nicht erst in Kraft treten, um wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Teuer wird es so oder so.
Als der US-Präsident Anfang der Woche ankündigte, alle Stahl- und Aluminiumimporte mit einem 25 Prozent hohen Zoll zu belegen, begann in zahlreichen heimischen Industriebetrieben das große Rechnen. Wie viel exportieren wir in die USA, und fallen unsere Produkte unter die neuen Zollbestimmungen? Wer soll die höheren Kosten dafür übernehmen? Wie viel können wir dann überhaupt noch in die USA verkaufen? Müssen wir unsere Lieferverträge neu verhandeln? Schwappt dann billiger Stahl aus aller Welt nach Europa und treibt die Preise in den Keller? Und meint Trump das jetzt wirklich ernst?
All das sind derzeit keine einfachen Fragen für die Finanz- und Firmenchefs der zahlreichen heimischen Betriebe, die Stahl und Aluminium exportieren. Die USA sind nach Deutschland unser wichtigster Handelspartner. Von Jänner bis November 2024 exportierte Österreich Waren im Wert von 15 Milliarden Euro dorthin. 892 Millionen Euro davon stammen aus Stahl- und Aluminiumerzeugnissen, die jetzt unter das Zollregime fallen sollen. Oder anders gesagt: Das sind sechs Prozent unserer US-Exporte. Die zollbedingten Preisaufschläge werden diese Importe auf jeden Fall teurer machen und damit unattraktiver für US-amerikanische Einkäufer. Und: Die Zollkeule trifft die EU in einer Zeit der schwachen Konjunktur, der hohen Energiepreise und geopolitischer Unsicherheiten. Was bedeutet das für eine Branche, die ohnehin massiv unter Druck ist?
Die Angelegenheit ist jedenfalls heikel. Heikel genug, dass sich jetzt niemand mit scharfen Aussagen aus dem Fenster lehnen möchte. „Aufgrund der sehr dynamisch wechselnden Informationen zu den vermeintlichen Zöllen ist die derzeitige Faktenlage zu wenig belastbar, um eine fundierte und seriöse Einschätzung abzugeben“, schreibt sichtlich zurückhaltend eine Sprecherin des heimischen Aluminiumkonzerns AMAG auf Nachfrage.
Zur Erklärung: Der US-Präsident hat mittels Dekret neue Zölle für alle Stahl- und Aluminiumimporte inklusive Vorerzeugnisse auf den Weg gebracht. In Kraft treten sollen diese am 12. März, und sie treffen so gut wie alle Länder. Nur für Australien hat Trump eine Ausnahme angedeutet. Weil: „Sie sind sehr weit weg, und sie kaufen viele Flugzeuge.“ Damit will der US-Präsident vor allem die heimische Stahlerzeugung ankurbeln. „Es ist an der Zeit, dass unsere großartigen Industrien nach Amerika zurückkehren“, sagte er dazu.
Die USA importieren ein Viertel ihres Stahls aus dem Ausland. Das mit der Inlandsproduktion auszugleichen – neue Fabriken hochzuziehen, die nötigen Rohstoffe zu beschaffen – wird einiges an Zeit benötigen. Und es wird zunächst einmal teuer. Vor allem für die US-Konsumenten und -Konsumentinnen. „Als Ökonomin ist das alles sehr schwer zu verstehen, denn die USA schneiden sich massiv ins eigene Fleisch“, sagt Elisabeth Christen, Außenhandelsökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO).
„Als Ökonomin ist das alles sehr schwer zu verstehen, denn die USA schneiden sich massiv ins eigene Fleisch“, sagt Elisabeth Christen, Außenhandelsökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO).
Das sehen auch einige Wirtschaftsgrößen in den USA so. Der Chef des Automobilriesen Ford, Jim Farley, warnte vor „Kosten und Chaos“, sollten die Zölle wie angekündigt in Kraft treten. Ford kauft selbst viel Aluminium und Stahl für die Automobilerzeugung im Ausland. Die Zölle könnten jeden Kleinwagen für die Endkunden um 2000 bis 3000 US-Dollar verteuern, meint Farley. Das WIFO prognostizierte kürzlich einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in den USA wegen der neuen Zölle um 0,04 Prozent. In der EU könnten es 0,03 Prozent werden. „Wir sehen diese Entwicklung jedenfalls mit großer Sorge, und wir wünschen uns eine starke EU, die dem jetzt entgegentritt“, sagt der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer.
Szenenwechsel nach Linz zum heimischen Stahlerzeuger voestalpine. Am Mittwoch hat der Vorstand die Bilanzergebnisse zum dritten Quartal vorgestellt. Euphorie sieht anders aus. Der Gewinn hat sich aufgrund der schwachen Konjunktur und der deutschen Industriekrise halbiert. Und jetzt kommt – zur Unzeit – auch noch diese Zolldebatte hinzu. Dabei treffen Trumps Zölle die voest kaum. Die Exporte in die USA machen nur noch zwei bis drei Prozent des Konzernumsatzes aus. Das bedeutet aber nicht, dass die USA kein wichtiger Markt für Österreichs größten Industriebetrieb und viertgrößten Arbeitgeber sind.
Die voestalpine hat in den vergangenen Jahren ihre Produktion für den US-Markt massiv in die USA verlagert. Der Vorstandsvorsitzende Herbert Eibensteiner erklärt das so: „Die breite Aufstellung in unterschiedlichen Branchen und Regionen hat etwas geholfen, die Schwächen in Europa zu dämpfen.“ Man könnte diese Entwicklung hin zu den USA aber auch anders deuten. Denn Donald Trumps Zölle wirken schon, bevor sie überhaupt in Kraft getreten sind.
Schrödingers Zölle
In den vergangenen zehn Jahren hat die voestalpine eigenen Angaben zufolge 600 Millionen Euro in die USA investiert. Allein heuer sollen noch einmal mehr als 50 Millionen Euro in den US-Markt fließen. 49 Standorte mit 3000 Mitarbeitern betreibt die voest in den USA und generiert dort zehn Prozent des Konzernumsatzes. All das ist nicht nur passiert, weil man Transportkosten und die zuletzt sehr hohen Energiepreise in Europa einsparen wollte.
„Es sind in den letzten Jahren ohne Zweifel einige Investitionsentscheidungen für die USA gefallen.“
Christoph Neumayer
zur Verlagerung von Betrieben in die USA
Dass viele europäische Konzerne Betriebsstätten in die USA verlagert haben und vor Ort für den US-Markt produzieren, hängt auch maßgeblich damit zusammen, dass man schlicht Trumps Zollzorn im Speziellen und dem US-Protektionismus im Allgemeinen entkommen möchte. Denn wer vor Ort Arbeitsplätze und Wertschöpfung generiert, bezahlt keine Zölle und profitiert von Förderungen. „Es sind in den letzten Jahren ohne Zweifel einige Investitionsentscheidungen für die USA gefallen“, sagt Neumayer dazu. Seit 2015 haben sich die österreichischen Direktinvestitionen in den USA von zehn auf 20 Milliarden Euro verdoppelt. Damit sind die Vereinigten Staaten nicht nur der zweitwichtigste Exportmarkt, sondern die zweitwichtigste Destination für Niederlassungen heimischer Betriebe nach Deutschland.
Wer in den USA investiert und dort Arbeitsplätze schafft, wird belohnt. Wer es nicht tut, dem drohen hohe Handelsbarrieren. „Ich rechne ganz sicher mit weiteren Verlagerungen von Investitionen in Richtung USA und weg aus Europa“, meint Ökonomin Christen.
Diese Art der protektionistischen Wirtschaftspolitik begann schon in Donald Trumps erster Amtszeit. Der Demokrat Joe Biden ist davon kaum abgerückt. Und jetzt sieht es so aus, als würde Trump die Verhandlungswaffe Zölle mit noch schärferer Munition laden. Die Androhung von Zöllen ist ein bekanntes Erpressungsmuster. Auch jene für Stahl und Aluminium.
Rückblende: Im Jahr 2018, als Trump schon zwei Jahre im Amt war, ärgerte er sich zum wiederholten Mal über die negative Leistungsbilanz zwischen den USA und der EU. Europäische Betriebe exportierten um ein Vielfaches mehr an Waren in die USA als US-Betriebe in die andere Richtung. So negativ war die Leistungsbilanz allerdings nicht, wenn man die Dienstleistungen einrechnet, die zum Beispiel Tech-Konzerne wie Amazon und Apple in Europa anbieten. Und die Gewinne, die US-Konzerne hier erwirtschaften.
Schon damals kündigte Trump an, Stahlimporte mit 25 Prozent zu bezollen, Aluminium mit zehn Prozent. Die EU reagierte mit höheren Zöllen auf Bourbon-Whiskey und Harley-Davidson-Motorräder. Außerdem drohte die EU, globale Tech-Multis mit einer Digitalsteuer von drei Prozent des Konzernumsatzes zu besteuern. Um den Handelsstreit nicht weiter eskalieren zu lassen, flog der damalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Ende Juli 2018 mit einer Delegation in die USA und dealte mit Trump.
Die Zölle kamen dann doch nicht so wie angekündigt. Die EU-Vertreter versprachen, deutlich mehr Flüssiggas (LNG) und Soja aus den USA einzukaufen, und auch die Digitalsteuer entfaltete nie ihre volle Wirkung. Die USA gestanden Europa im Gegenzug fast zollfreie Handelskontingente zu, die nahezu den gesamten Stahl- und Aluminiumhandel der EU mit den USA umfassten.
Digitalsteuer gegen Stahlzoll
Wenn Trump heute also Zölle auf Stahl und Aluminium ankündigt, dann nimmt er streng genommen lediglich die weitreichenden Ausnahmen von 2018 zurück und erhöht den Zollsatz auch für Aluminium auf 25 Prozent. Heute könnte die Geschichte aber etwas blutiger enden als 2018. Die EU-Länder könnten in Deals gedrängt werden, die ihnen nicht unbedingt schmecken werden. Die Zeichen stehen jedenfalls auf Kuhhandel.
Laut dem Verband der europäischen Stahlindustrie Eurofer geht es um 3,7 Millionen Tonnen europäischen Stahl, die aufgrund von Trumps Zöllen nicht in die USA exportiert werden könnten. Das alles kann der europäische Markt nicht kompensieren, vor allem nicht in der wirtschaftlichen Lage, in der sich viele EU-Länder gerade befinden. Umso weniger erstaunt es, dass Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „energische und angemessene Gegenmaßnahmen“ ankündigte.
Dem Vernehmen nach könnte der Zollsatz auf Bourbon-Whiskey, Jeans oder Motorräder und Motorboote aus den USA auf bis zu 50 Prozent angehoben werden. Außerdem könnte die EU den großen Tech-Konzernen auf die Pelle rücken und ihnen tatsächlich eine EU-weite, deutlich schärfere Digitalsteuer auf den Leib schneidern. Vor sieben Jahren hätte das Donald Trump vermutlich weniger beeindruckt. Aber heute, wo mit Elon Musk – Tesla-Gründer und Betreiber der Social-Media-Plattform X – die Tech-Branche gleich ins Weiße Haus mit eingezogen ist? Trump wiederum drohte, EU-Autoimporte mit einem zehn Prozent hohen Zoll zu belegen, sollten die EU-Länder Gegenmaßnahmen ergreifen.
Zölle und Vergeltungszölle haben in allen Fällen die unangenehme Nebenwirkung, dass es am Ende für alle teurer wird. Auch dann, wenn das Versprechen, die eine oder andere Branche vor billiger Konkurrenz von außen zu schützen, eingehalten wird.
Die Linzer voestalpine ist Österreichs größter Industriebetrieb. In den vergangenen 10 Jahren hat sie eigenen Angaben zufolge schon 600 Millionen Euro in die USA investiert. Für den US-Markt wird mittlerweile fast ausschließlich vor Ort produziert - auch, um möglichen Zöllen zu entkommen.
Zurück zur voestalpine nach Linz. Die Industriekrise geht auch an dem heimischen Leitbetrieb nicht spurlos vorbei. Seit April hat der Konzern mit mehr als 23.000 Mitarbeitern 916 Vollzeitstellen abgebaut. 300 davon in Österreich, der Rest in anderen EU-Ländern, vor allem in Deutschland. Ein weiterer Personalabbau ist nicht ausgeschlossen. Derzeit versucht man sich mit Urlaubsabbau, Teilzeitarbeit und weniger Leiharbeit über die Flaute zu retten.
Außerdem wird die Verlagerung der Produktion für Lagersysteme von Tschechien nach Louisville im US-Bundesstaat Kentucky vorbereitet. Man redimensioniert in der EU und baut Standorte in den USA aus. Aus Unternehmenssicht ist das angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Lage mehr als verständlich. Für den heimischen Standort und die zahlreichen Arbeitsplätze, die damit einhergehen, sind das aber ganz schlechte Nachrichten.