Wirtschaft

Doppelte Leitungen: Verbund-Tochter Gas Connect will Netz ausbauen

Das heimische Gasleitungsnetz soll zur Stärkung der Versorgungssicherheit ausgebaut werden. Doch wer zahlt dafür?

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Früher war es einfach: Das Erdgas kam aus dem Osten und floss durch Österreich weiter in den Westen. Durch die gedrosselten Lieferungen aus Russland hat sich das allerdings geändert. Es gelangt  nun auch vermehrt Gas aus Deutschland ins österreichische Netz. Die teilweise Richtungsänderung funktioniert zwar grundsätzlich, aber nicht problemlos.

„Wenn Gas rückwärts fließt, ist das so, wie wenn ein Auto im Retourgang fährt“, beschreibt es Stefan Wagenhofer, der Geschäftsführer der Gas Connect Austria, die für die Gasleitungen verantwortlich ist. Das heißt, es geht, ist aber nicht effizient und auf Dauer schlecht für die Infrastruktur.

Daher möchte die Gas Connect Austria die Leitungen ausbauen, so dass das Gas sowohl von Ost nach West als auch von West nach Ost fließen kann. Ein Loop nennt sich das, eine doppelte Leitung. Normalerweise wird für einen solchen Ausbau eine Auktion abgehalten, die Marktteilnehmer (vor allem Gashändler) sagen zu, Kapazitäten zu buchen. Doch durch die vermehrten staatlichen Markteingriffe seit Beginn des Krieges in der Ukraine seien diese verunsichert, auch angesichts der Klimadiskussionen wollen viele nicht mehr langjährige Investitionen in Gas tätigen, erklärt Wagenhofer. Außerdem: Falls in absehbarer Zeit doch wieder Gas aus Russland kommt, könnte man jahrelang für nicht verwendete Kapazitäten zahlen müssen.

Aus unternehmerischer Sicht ein Risiko, für die Versorgungssicherheit aber wichtig, argumentiert die Gas Connect, die mehrheitlich dem teilstaatlichen Energiekonzern Verbund gehört. Daher hat sich die Gas Connect mit diesem Vorschlag an das Klimaministerium und die Regulierungsbehörde E-Control gewandt. Entweder könnte die Republik – also die Steuerzahlenden – die Kosten übernehmen. Oder die Regulierungsbehörde E-Control könnte sie auf heimische Verbraucher und auf Gashändler, die Österreich als Transitland nutzen, aufteilen.

Wie viel Ausbau im Namen der Versorgungssicherheit?

Beide Institutionen erachten einen Ausbau für grundsätzlich legitim. Vom Klimaministerium heißt es das Projekt habe hohe Priorität. „Eine gewisse Redundanz ist wichtig und sinnvoll für die Versorgungssicherheit“, sagt der frühere E-Control-Vorstand Walter Boltz, der das Klimaministerium in Energiefragen berät. Aktuell werde ein regierungsinterner Vorschlag erarbeitet.

Doch Ausbau ist nicht gleich Ausbau. Ein stufenweises Vorgehen wäre möglich – aber auch ein mehrjähriges Großprojekt, bei dem mehrere Schritte auf einmal gesetzt werden. Wie viel Ausbau ist gerechtfertigt im Namen der Versorgungssicherheit? Der volle Ausbau der West-Austria-Gasleitung (WAG) vom Speicher-Hub im niederösterreichischen Baumgarten bis zur deutschen Grenze würde etwa 450 Millionen Euro kosten, heißt es im koordinierten Netzentwicklungsplan. Auch das ist „kein Betrag der Österreich zum Wanken bringt, die Gaskunden haben heuer zwei Milliarden mehr gezahlt, da sind 450 Millionen auf 20 Jahre nichts“, sagt Boltz.

Aber es gibt auch eine Light-Version. Statt der gesamten Strecke könnte zuerst nur der Abschnitt zwischen Linz (Bad Leonfelden) und Deutschland ausgebaut werden. Das sei durchaus sinnvoll, sagt auch Markus Krug von der Gasabteilung der E-Control. Denn es sei wichtig, dass man nicht zu viel baut. Ein zweiter Ausbauschritt ergebe für ihn nur Sinn, wenn auch Deutschland seine Kapazitäten Richtung Österreich ausbaut. Denn auch in unserem Nachbarland floss das Gas jahrelang in die entgegengesetzte Richtung.

Der erste Schritt würde ein bis zwei Jahre dauern und etwa 180 Millionen Euro kosten. „Diese Kosten könnte man sozialisieren“, sagt Krug von der E-Control. Das heißt, sie würden über die Netzkosten von Gashändlern, die Österreich als Transitland nutzen, und heimischen Verbrauchern bezahlt werden. Sollte das Projekt  eine  Förderung aus der Recovery and Resilience Facility der EU-Kommission erhalten, würde das die Netzkosten entsprechend entlasten.

Für einen ersten Ausbauschritt könnte es bald grünes Licht geben. Vor einigen Tagen wurde dazu der Entwurf des koordinierten Netzentwicklungsplans veröffentlicht. Gashändler und Kunden können bis Ende Jänner Stellungnahmen abgeben, nach einer Überarbeitung könnte die E-Control das Projekt im Frühling genehmigen. Das wäre bereits der Startschuss zum Ausbau für die Gas Connect. Ob diese dann auch einen weiteren Ausbau angeht, ausschreibt und finanziert, ist allerdings offen.

Nicht nur Gas, auch Wasserstoff

Ein Argument für den Ausbau ist, dass im Norden Europas neue LNG-Terminals entstehen – also Anlegestellen für Tankschiffe, die Flüssiggas transportieren. Sollten etwa der Stahlkonzern Voestalpine oder andere Unternehmen dort LNG kaufen, würde ihnen der Transport erleichtert werden. 

Vor allem die Grünen in der Regierung sind aber nicht darauf erpicht, weiter in Gasinfrastruktur zu investieren – raus aus fossilen Energien ist das Credo. Ein zentrales Argument ist daher, dass die Gasrohre auch für Wasserstoff verwendet werden könnten. „Wenn man das jetzt mitbedenkt und Rohre verbaut, die auch dafür zertifiziert sind, erspart man sich viel,“ meint Krug, ein Umrüsten wäre dann relativ einfach.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.