Energiepreise: Vorsicht vor der Sommer-Falle!
Rasant nach oben, dann steil nach unten: Die Entwicklung der Energiepreise an den internationalen Börsen seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 gleicht einer Achterbahnfahrt. Für Konsumentinnen und Konsumenten hat das massive Auswirkungen: Auf starke Preisanstiege bei Strom und Gas folgten zuletzt zwar erste Senkungen, doch von Stabilität kann noch lange keine Rede sein. Fatih Birol, Chef der Internationalen Energie Agentur (IEA), warnte vergangene Woche in einem Interview mit der britischen BBC vor möglichen starken Preisanstiegen, falls der kommende Winter besonders kalt wird und die chinesische Wirtschaft auf Hochtouren kommt (was die Nachfrage nach Energie deutlich steigern würde). Folgt bei der Achterbahnfahrt bald das nächste Looping?
profil hat bei großen österreichischen Energieversorgern nachgefragt: Die Aussagen von Fatih Birol seien „ein mögliches Szenario für den kommenden Winter, da es sowohl auf der Strom- als auch der Gasseite aktuell eine Angebotskrise gibt, und somit die Energiekrise weiter anhält“, heißt es zum Beispiel seitens der Burgenland Energie. Mittels „vorzeitiger Beschaffung mit konsequentem Risikomanagement“ wolle man Preisstabilität und Versorgungssicherheit für die Kunden gewährleisten. „Wie sich die politischen Unruhen und der Krieg in der Ukraine weiterentwickeln und damit auch auf den Energiemärkten auswirken, ist schwer vorherzusagen“, hält die Wien Energie auf profil-Anfrage fest. Aktuell sehe man „eine Stabilisierung der Preise auf mittlerem Niveau“. Kurzfristige Schwankungen würden jedoch „kein großes Thema“ in Bezug auf Kundentarife darstellen, da man langfristig handle. „Wir gehen davon aus, dass die Energiekrise weiterhin nicht gelöst ist und dass die Preise volatil bleiben“, lässt wiederum die Kärntner Kelag wissen: „Preissprünge im Herbst und Winter 2023/2024 sind aus unserer Sicht keineswegs auszuschließen. Davor versuchen wir unsere Kunden mit einer langfristigen Beschaffungsstrategie“ und einer zwölfmonatigen Preisgarantie mit einem „Vorteilstarif“ zu schützen.
Gekündigte Verträge
Tatsächliche sind viele Energieversorger in den vergangenen Monaten dazu übergegangen, Kundentarife mit längeren Bindungsfristen anzubieten, dies teils gekoppelt mit Rabatten. Wie beurteilt man bei der Regulierungsbehörde E-Control die Preispolitik der heimischen Anbieter in den vergangenen Monaten? „An den Bestandskundentarifen kann man nicht viel kritisieren. Die waren teilweise sogar erstaunlich günstig“, sagt Johannes Mayer, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft bei der E-Control. Anders sieht es laut Mayer jedoch mit Blick auf Neukundenpreise aus. Viele ausländische Stromanbieter haben sich zurückgezogen und die Verträge ihrer Kunden gekündigt, aber auch die heimischen Energieversorger hätten sich auf ihr eigenes Versorgungsgebiet begrenzt und Kunden aus anderen Bundesländern die rote Karte gezeigt. Dadurch konnte man den eigenen Bestandskunden auch weiterhin günstige Preise bieten. Die vielen Neukunden mussten jedoch ein Vielfaches zahlen und kamen so auf einen Arbeitspreis (für den tatsächlichen Verbrauch) von 50 bis 60 Cent pro Kilowattstunde. „Das ist ein Tarif, den man angesichts der Großhandelspreise im vergangenen Herbst noch argumentieren konnte. Diese gingen dann allerdings rasch nach unten, die Neukundenpreise hielten damit aber nicht Schritt“, erklärt Mayer. Erst durch großen öffentlichen Druck und „Monate zu spät“ begännen die Anbieter nun, die Preise zu senken. Die Gaspreise seien deutlich schneller zurückgegangen.
Mayer moniert auch, dass die Unternehmen die Stromkostenbremse ausgenutzt hätten. Seit Dezember vergangenen Jahres gilt bekanntlich ein staatlicher Preisdeckel von zehn Cent je Kilowattstunde. Alle Kosten darüber bis zum Höchstpreis von 40 Cent je Kilowattstunde übernimmt die öffentliche Hand. „Einige Versorger passten ihre Preise auf etwa diese Höhe an. Die Unternehmen akquirierten somit diese Gelder für sich.“
Gutes Angebot
Derzeit sei jedenfalls ein guter Zeitpunkt, um die Tarife zu vergleichen: „Alle Konsumentinnen und Konsumenten, die nach wie vor einen hohen Preis zahlen, aber keine Bindungsfrist haben, können jetzt bei einem Umstieg viel Geld sparen“, sagt Mayer. Mit so genannten Floater-Tarifen würden Neukunden – sowohl bei Strom, als auch bei Gas – aktuell am günstigsten aussteigen, wie etwa der Tarifkalkulator der Regulierungsbehörde E-Control zeigt. Solche Tarife sind an den Börsepreis gebunden und werden – je nach dessen Entwicklung – monatlich erhöht oder gesenkt. Davon rät Mayer aber eher ab: „Floater sind in den Sommermonaten immer am günstigsten und gehen im Winter hinauf. Da werden sie dann um einiges teurer“. Als „gutes Angebot“ bezeichnet Mayer Tarife mit einem Arbeitspreis von unter 18 Cent je Kilowattstunde. „Viel weiter nach unten wird es nicht gehen, wie die Großhandelspreise für die nächsten Monate zeigen.“
Die Sorge von IEA-Chef Birol teilt E-Control-Experte Mayer übrigens nicht: „Ich denke nicht, dass es im heurigen Winter zu solchen Preisexplosionen, wie wir sie im vergangenen Jahr gesehen haben, kommen wird“. Zum einen sei bereits genug Gas eingelagert. Während im vergangenen Jahr nach der Heizsaison gerade einmal fünf Prozent vorrätig waren, liegt der Speicherstand in Österreich aktuell bei mehr als 80 Prozent. Zum anderen hätten sich die Importkapazitäten der EU gegenüber dem vergangenen Jahr enorm erhöht. Für Flüssiggas aus den USA beispielsweise würden China und die südostasiatischen Staaten aktuell mehr bezahlen als die Europäer. „Dennoch kommen erhebliche Mengen aus den USA nach Europa“, meint der Experte. Selbst wenn Russland plötzlich kein Gas mehr liefern würde, rechnet Mayer nicht mit schlimmen Verwerfungen: „Versorgungssicherheitstechnisch sind wir so aufgestellt, dass wir gut über den Winter kommen.“