Ein erheblicher Teil der hohen Energierechnungen aus dem Vorjahr fließt in Form von Dividenden in die Bundes- und Landesbudgets.
Wirtschaft

Energieversorger liefern dicke Dividenden an den Staat

Einerseits fordert die Politik Entlastung bei den Energiepreisen, anderseits freuen sich Bund und Länder über die üppigen Dividenden der eigenen Energieversorger.

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Am 20. Juni hat der Finanzminister eine sehr üppige und mehr als erfreuliche Überweisung bekommen: 1,56 Milliarden Euro fließen direkt ins Bundesbudget. Und dafür mussten sich weder der Finanzminister noch die ausschüttenden Firmen besonders anstrengen. Das Geld kommt vom Verbund und der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), die nun ihre Dividenden aus den Gewinnen des vergangenen Geschäftsjahres an den (Teil)Eigentümer ausschütten. Und diese sind heuer mehr als doppelt so hoch, getragen von den hohen Energiepreisen der vergangenen Monate. 925 Millionen Euro entfallen auf die ÖBAG, 638 Millionen Euro auf die Verbund-Beteiligung.

Damit ist das Bundesbudget einer der größten Gewinner der Energiekrise und der massiv gestiegenen Energiepreise im Vorjahr. Aber auch viele Bundesländer verdienen an ihren Energieversorgern bestens. Ein Blick in die bisher veröffentlichten Jahresergebnisse der sechs Landes-Energieversorger Energie Steiermark, Energie AG, Wien Energie, EVN, KELAG und Tiwag zeigt: Sie haben insgesamt einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von rund 1,3 Milliarden Euro erzielt. Mit wenigen Ausnahmen lagen die Einnahmen deutlich über jenen des Vorjahres und des Schnitts der vergangenen fünf Jahre. Hätte man also, angesichts der Eigentumsverhältnisse, die auch das Neos-Lab kürzlich ausgewertet hat (siehe Grafik), darauf verzichten können die Preise derart stark an die Kunden weiterzugeben?

„Ganz so einfach ist es nicht“, sagt Stefan Zach, Sprecher der niederösterreichischen EVN dazu auf Nachfrage. Zwar seien die Eigentümer großteils öffentlich, das Aktiengesetz, in dessen Rahmen sich die EVN bewegen muss, schreibt aber vor, dass die Geschäftsführung nicht zum Nachteil des Unternehmens und der Eigentümer agieren darf. Das heißt: Wenn das Marktumfeld und die Nachfrage höhere Energiepreise vorgeben, steigen auch die Tarife. „Ich nenne das, das Sonntag-Montag-Paradoxon“, sagt Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Einerseits fordert die Landespolitik niedrige Preise für die Wähler und Wählerinnen. Anderseits kalkulieren die Länderbudgets mit diesen Dividenden. „Man kann aber nicht beides haben, hohe Dividenden oder niedrige Preise.“ Trotz Liberalisierung sei der Strommarkt in Österreich auf einige wenige Großerzeuger konzentriert, die eng miteinander verwoben seien. Zudem würden Vorstände und Aufsichtsräte bei den im öffentlichen Eigentum stehenden Landesversorgern nach wie vor oft politisch besetzt. „Wenn öffentliches Eigentum so große Preissprünge nicht verhindern kann, muss man sich fragen, wozu brauche ich das öffentliche Eigentum dann?“, meint Böheim.

Großteil aus Energiebeteiligungen

Zurück zur ÖBAG und dem Finanzministerium: Der Großteil der Dividende kommt aus den beiden Energiebeteiligungen OMV und Verbund, nämlich 630 Millionen, 230 aus der BIG, der Rest entfällt auf Casinos Austria, Post und A1. Ein Beispiel: Der Verbund hat im Vorjahr sein Konzernergebnis mit 1,7 Milliarden Euro verdoppelt. Die Dividendengewinne gehen zur Hälfte an den Bund, ein Fünftel entfällt auf das Syndikat zwischen Wien Energie und EVN und fünf Prozent auf die Tiroler Tiwag. Den Rest bekommen die Aktionäre. Die Wien Energie, über die Wiener Stadtwerke eine hundertprozentige Tochter der Stadt Wien, hat ihren Erlös 2022 mit 386 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Das Geld bleibt aber im Unternehmen, um damit unter anderem das Geothermie-Projekt für den Ausbau der Fernwärme zu fördern, heißt es auf Nachfrage. In Niederösterreich wiederum sollen die 46,8 Millionen Euro aus der EVN-Dividende des Landes in den sogenannten „blau-gelben Strompreisrabatt“ fließen, der im Juli des Vorjahres im Landtag beschlossen wurde.

Kurz: Bund und Länder können mit den Einnahmen aus ihren Energiebeteiligungen Anti-Teuerungsmaßnahmen finanzieren, was sie zum Teil auch tun, sie müssen es aber nicht. Eine solche direkte Zweckwidmung gibt es nur bei der von der EU vorgegebenen Übergewinnsteuer. Zur Erinnerung: Im Herbst vergangenen Jahres hat die EU-Kommission einen Entwurf zur Besteuerung von Zufallsgewinnen von Energiekonzernen in den EU-Mitgliedsländern präsentiert. Also jener Gewinnanteil, der den Unternehmen aufgrund der international stark gestiegenen Strom-, Gas- und Ölpreise quasi zugeflogen ist. Erlöse fossiler Unternehmen, die deutlich über dem fünfjährigen Durchschnitt von 2018 bis 2021 liegen, werden mit bis zu 40 Prozent besteuert. Bei Stromkonzernen, die Maßnahmen für den Umstieg auf Erneuerbare finanzieren, sollen Einnahmen ab 120 Euro pro Megawattstunde zu 90 Prozent abgeschöpft werden.

Bis 2026 erwartet man im Finanzministerium Einnahmen von insgesamt zwei Milliarden Euro aus den sogenannten „Energiekrisenbeiträgen“, wie die Übergewinnsteuer offiziell heißt. Die Einnahmen aus den eigenen Staats- und Landesbeteiligungen dürften allein heuer an diese Summe herankommen.

Inflationsspirale läuft

Die hohen Energiepreise haben im Vorjahr die ohnehin steigende Inflation nach Corona befeuert und eine bis heute anhaltende Inflationsspirale angetrieben, obwohl die Preise inzwischen sinken (siehe Grafik). Die hohen Kosten wurden dann entlang der gesamten Wertschöpfungskette – bei den Erzeugerpreisen, Fracht und Logistik, Lebensmittel, Industrieproduktion – eingerechnet und an Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben. Auch das ist inflationstreibend. Mit der Teuerung steigen auch die indexierten Kategoriemieten, am 1. Juli das vierte Mal binnen 15 Monaten. Wegen der hohen Inflation schlossen die Sozialpartner auch höhere Löhne ab, um den Kaufkraftverlust zu dämpfen. Zusätzlich hat die Regierung für Anti-Teuerungsmaßnahmen bisher sechs Milliarden Euro in die Hand genommen. Rechnet man die Abschaffung der kalten Progression, die Indexierung von Sozialleistungen und Senkungen einiger Beitragsleistungen dazu, machen die Ausgaben 21,3 Milliarden Euro aus. Das alles hat zwar den Kaufkraftverlust bis weit in die Mittelschicht hinein vorerst abgefedert. Gesunken ist die Inflation dadurch aber nicht. Immerhin: Ein Teil der Ausgaben fließt jetzt dank üppiger Einnahmen im Energiesektor wieder an die öffentliche Hand zurück.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".