Gutes Geld

Energiewende: Kohle mit Kohle

Der deutsche Energiekonzern RWE will sein Geschäftsmodell auf Erneuerbare umstellen, aber verdient mit den Fossilen besser denn je.

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Vor einem halben Jahr war RWE ein traditionsreiches Energieunternehmen mit Makel. Das sahen nicht nur Umweltschützer so, sondern auch die eigenen Investoren. Der deutsche Energieversorger produziert zwar viel Wind-und Sonnenenergie in unserem Nachbarland, kauft weltweit erneuerbare Energieerzeuger auf, aber ist (vor allem) durch seinen Kohlestrom einer der größten CO2-Verursacher Europas. Das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) wurde mit Kohleabbau und dessen Verstromung groß und ist mit der Politik des Bundeslandes eng verwoben. Nun möchte es sich zum erneuerbaren Energieunternehmen wandeln, aber verdient mit fossilen Quellen wunderbar.

Während bei der Hauptversammlung im April Umweltaktivisten vor dem Unternehmenssitz in Essen protestierten, stellte der RWE-Investor Enkraft den Antrag, das Kohlegeschäft zum nächstmöglichen Zeitpunkt-und spätestens bis zur nächsten Hauptversammlung abzuspalten: "Das Segment Kohle/Kernenergie ist für die RWE Aktiengesellschaft nicht nur langfristig ökonomisch vernachlässigbar und ökologisch bedenklich; seine Fortführung im Konzernverbund führt sogar zur Unterbewertung der Gesellschaft am Kapitalmarkt." Enkraft-dahinter stehen der Unternehmer Benedikt Kormaier und der Banker Thomas Schweppe-sind keine Umweltaktivisten im klassischen Sinne, sondern Investoren. Der Kern ihres Arguments war, dass RWE ohne sein Kohlegeschäft ein weitaus wertvolleres Unternehmen wäre.

Was ist seitdem passiert? Weniger Gas wurde verstromt, dafür laufen die Kohlekraftwerke auf Hochtouren, und die Atomkraftwerke bleiben länger als geplant am Netz. Das zeigt auch die Bilanz der ersten neun Monate 2022: RWE verdoppelte seinen Gewinn von 1,34 auf 2,97 Milliarden Euro. Das Unternehmen hat mehr Strom aus Kohle, Wind und Sonne erzeugt, weniger aus Gas und Kernenergie. Mehr verdient hat der Konzern allerdings vor allem durch die hohen Gaspreise.

Dennoch kündigte RWE-Vorstand Markus Krebber an, dass der Braunkohle-Ausstieg im rheinischen Revier um acht Jahre auf 2030 vorgezogen wird. Im Lauf des Winters will RWE aber noch ein Dorf abbaggern-wegen der Kohle darunter. Bauern und Umweltaktivisten protestieren dagegen. Die Ironie ist: RWE muss dafür auch eigene Windräder abreißen, die den Baggern im Weg stehen.

Für Benedikt Kormaier und Thomas Schweppe ist 2030 kein ambitioniertes Ziel: "Es ist natürlich besser als 2038. Aber aus RWE sollte die Braunkohle vor dem Laufzeitende 2030 herausgenommen werden-denn es kann ja nicht ernsthaft Ziel des Vorstands sein, RWE für acht weitere Jahre mit dem signifikanten Bewertungsmalus der Braunkohle zu belasten." Entsprechend schlecht werde der Konzern am Kapitalmarkt im Gegensatz zu seinen Konkurrenten-dazu zählt auch der Verbund-bewertet. Laut Enkrafts Berechnungen könnte RWE ohne Kohle achtmal so wertvoll sein, die Aktie könnte sich mehr als verdoppeln, sagen sie.

Schweppe sieht es als unwahrscheinlich an, den Abspaltungsantrag nächstes Jahr wiederholt zu stellen. "Die Rahmenbedingungen haben sich verschoben: Die Braunkohle ist im momentanen Umfeld für die deutsche Energieunabhängigkeit wichtig-und momentan für RWE auch ökonomisch relevanter als letztes Jahr." Auch ohne Abspaltungsantrag haben die beiden aber neue Pläne: "Krebber kriegt keine Denkpause."

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.