Familienaufstellung

Ermittlungen gegen US-Diplomaten Khalilzad und Ehefrau Cheryl Benard

Datenleck. Wie sensible Gerichtsakten zum Fall eines ehemaligen US-Diplomaten im Müll landeten

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Eigentlich hatten sich die Vertreter des US-amerikanischen Justizministeriums mit Sitz in Washington ja unmissverständlich ausgedrückt - auch in deutscher Übersetzung. Das Department of Justice ersuche um absolute "Geheimhaltung“, hieß es in jenem Rechtshilfeersuchen, das Österreichs Justiz im Mai des Vorjahres ereilte.

Dass der Hinweis durchaus berechtigt war, konnten die Amerikaner natürlich nicht ahnen.

Dokument ungeschreddert entsorgt
Das Landesgericht für Strafsachen Wien ließ irgendwann im Laufe dieses Jahres streng vertrauliche Dokumente zu einem in den USA und Österreich laufenden Ermittlungsverfahren gegen einen der einst wichtigsten Diplomaten der Bush-Administration ungeschreddert entsorgen. Sie landeten neben unzähligen anderen Schriftsätzen im Altpapier, wo sie schließlich vom Blogger Marcus Oswald gefunden wurden. Wie profil vergangene Woche berichtete, zog Oswald nach eigener Darstellung zwischen März und August dieses Jahres hunderte Seiten größtenteils unversehrter Akten des Landesgerichts und der Staatsanwaltschaft aus den öffentlich zugänglichen Containern des Justizgebäudes Wien-Josefstadt - zu teils prominenten und vor allem noch laufenden Verfahren.

Aktenzahl 613St5/14d ist eines davon.

Es geht um den Verdacht der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche in Zusammenhang mit Geldtransfers aus dem Irak und den Vereinigten Arabischen Emiraten in die USA und nach Österreich. Mittendrin: Zalmay Khalilzad, US-Staatsbürger, und dessen Ehefrau Cheryl Benard, US-österreichische Doppelstaatsbürgerin.

Spitzendiplomat und Sozialwissenschafterin
Khalilzads Vita ist die eines Spitzendiplomaten. Der gebürtige Afghane, Vertrauter des 43. US-Präsidenten George W. Bush, war US-Botschafter in Afghanistan (2003 bis 2005), US-Botschafter im Irak (2005 bis 2007) sowie US-Botschafter bei den Vereinten Nationen (2007 bis 2009). Heute berät der 63-jährige republikanische Parteigänger US-Unternehmen, die im Irak und in Afghanistan ins Geschäft kommen wollen. Cheryl Benard wiederum: Sozialwissenschafterin mit Wiener Background. Studium an der Universität Wien, zwischen 1982 und 2005 Leiterin der (aufgelösten) Ludwig-Boltzmann-Forschungsstelle für Politik und zwischenmenschliche Beziehungen. Benard hat sich vor allem als Autorin erfolgreicher feministischer Bücher (gemeinsam mit Edit Schlaffer) einen Namen gemacht. Heute arbeitet die 61-Jährige als politische Analystin für die US-Denkfabrik RAND Corporation.

Am 20. Februar dieses Jahres ließ das Landesgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien sieben Konten und Depots von Cheryl Benard bei der Erste Bank - Gesamtguthaben: 771.666 Euro - einfrieren. Der neunseitige "Beschluss zur gerichtlichen Beschlagnahme“, der via Altpapier von der Last des Amtsgeheimnisses befreit wurde, liegt profil vor. Die "Beschuldigten Zalmay Khalilzad und Dr. Cheryl Benard“ werden der "Geldwäsche in Bezug auf einen Gesamtbetrag von EUR 1.152.486,49“ verdächtigt.

Verdacht der Geldwäsche
In den Vereinigten Staaten waren zum Zeitpunkt der Kontensperre offenbar schon seit Längerem Ermittlungen gegen Zalmay Khalilzad anhängig. Laut US-Rechtshilfeersuchen vom Mai 2013 könnte der Ex-Diplomat gegen das "Steuerstrafrecht und die Geldwäschegesetze der USA verstoßen“ haben, "indem seine persönlichen Bankkonten für Geschäftsausgaben verwendet wurden und indem anschließend Gelder von seinen persönlichen Bankkonten ins Ausland überwiesen wurden“. So soll er hohe Geldbeträge von Bau- und Ölunternehmen aus dem Irak und den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinnahmt und diese teilweise an seine Frau nach Wien überwiesen haben. Konkret: 1,4 Millionen Dollar am 9. Mai 2012, zu damaligen Kursen 1,15 Millionen Euro.

Benards Wiener Anwaltskanzlei Wolf Theiss reagierte am 13. März dieses Jahres mit "Beschwerde und Einspruch wegen Rechtsverletzung“. Auch dieser Schriftsatz wurde später freundlicherweise vollständig im Justizmüll entsorgt und liegt damit ebenfalls profil vor. Wolf Theiss greift darin mehrere sensible Punkte auf. Demnach gehe aus dem US-Rechtshilfeersuchen nicht ansatzweise hervor, was Khalilzad und Benard in den USA eigentlich vorgeworfen werde. Mehr noch: "Das Rechtshilfeersuchen … beabsichtigte keine Sicherstellung oder Beschlagnahme von Konten der Betroffenen in Österreich …, sondern wünschte zunächst sehr umfassende Informationen zu Bankverbindungen in Österreich, um ihre Untersuchungen auf eine breitere Grundlage zu stellen.“ Dessen ungeachtet habe die Staatsanwaltschaft Wien ein eigenes Ermittlungsverfahren angestrengt und die Beschlagnahme erwirkt. Und dies, obwohl "die US-amerikanischen Behörden ihrerseits bis dato keinerlei Zwangsmaßnahmen gegen Herrn Khalilzad gesetzt haben, namentlich keines seiner Konten in den USA sichergestellt bzw. beschlagnahmt wurde“. Auch der Hintergrund der Überweisung vom Mai 2012 wird erläutert: der Erwerb einer Eigentumswohnung in der Wiener Innenstadt.

Anwalt Bielesz: "Bin erschüttert"
profil hat Benards Anwalt Holger Bielesz von Wolf Theiss vergangene Woche mit dem Aktenfund konfrontiert. "Ich bin erschüttert. Hier wurden schützenswerte Interessen meiner Mandantin offenbar im Altpapier entsorgt. Aus Sicht der Rechtspflege ist das sehr problematisch.“ Zum Fall selbst sagt der Anwalt nur so viel: "Die US-Behörden haben bis heute keine konkreten Verdachtsmomente formuliert. Die Haltung der Staatsanwaltschaft Wien ist nicht leicht nachzuvollziehen. Letztlich wurde nur aufgrund des Ehebandes eine Verdachtslage herbeigeführt.“

Frau Benards Einspruch gegen die Kontenöffnung und die Beschlagnahme der Guthaben liegt nun beim Oberlandesgericht Wien. Anwalt Bielesz betont sein "Vertrauen“ in die österreichische Justiz. Die Konten seiner Mandantin sind nach wie vor eingefroren.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.