"Wir arbeiten daran, sie ruhig zu stellen"

Der Eurofighter und die Offiziere

Der Eurofighter und die Offiziere: Laut unveröffentlichten Dokumenten zeigte sich EADS gegenüber dem Bundesheer überaus spendabel.

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profil berichtete bereits in seiner Ausgabe vom 3.April über das geheime Sponsoring des Rüstungskonzerns EADS für Veranstaltungen und Projekte des Bundesheeres. Die betreffenden Dokumente, vertrauliche E-Mails und geheime Verträge sind seit 1.Juni gesammelt in der Eurofighter-Datensammlung die in Zusammenarbeit zwischen profil und Dossier entstand, online abrufbar.

Das Dokument lümmelte über Jahre auf einem Server der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH mit Sitz im bayerischen Hallbergmoos herum; archiviert vom einstmaligen Geschäftsführer des Unternehmens, Aloysius Rauen. Als es 2013 zusammen mit Tausenden anderen von deutschen Ermittlern beschlagnahmt wurde, war Rauen längst nicht mehr im Amt. Doch die auf zwei DIN-A4-Seiten skizzierten Aktivitäten wirken bis heute nach - und dürften alsbald auch den nunmehr konstituierten (zweiten) parlamentarischen Eurofighter-Untersuchungsausschuss beschäftigen.

Das Dossier ist Teil einer umfangreichen EADS-Dokumentation, die profil vorliegt. Es erzählt eine in dieser Dimension unbekannte Geschichte. Der multinationale EADS-Konzern, Lieferant der Eurofighter "Typhoon"-Jets, sponserte in zeitlicher Nähe zum Rüstungsgeschäft reihenweise Veranstaltungen und Projekte des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH), spendete an die Österreichische Offiziersgesellschaft und schaltete Anzeigen in heeresnahen Publikationen. Im Zeitraum 2002 bis 2006 verbuchten die EADS Deutschland GmbH und deren Beteiligung Eurofighter Jagdflugzeug GmbH Heeres-"Sponsorings" in einer Größenordnung von knapp mehr als einer halben Million Euro: für Ausstellungen, Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag, Flug-und Roadshows, Events und Partys, Golfturniere und PR-Kampagnen. Auch diese Zahlungen waren augenscheinlich Teil einer groß angelegten Lobbying-Strategie - mit dem erklärten Ziel, politische und militärische Entscheidungsträger zu vereinnahmen. Und zwar nachhaltig.

Zwischen der Typenentscheidung und der Anlieferung der Flieger lagen bekanntlich Jahre. Im Juli 2002 hatte das Kabinett Schüssel I den Ankauf von zunächst 24 "Typhoon"-Jets paktiert (Verteidigungsminister: Herbert Scheibner, FPÖ); ein Jahr später bestellte die Regierung Schüssel II dann 18 Stück (Verteidigungsminister: Günther Platter, ÖVP), ehe die Regierung Gusenbauer Anfang 2007 (Verteidigungsminister: Norbert Darabos, SPÖ) eine Reduktion auf 15 verantwortete. Im Juli 2007 schließlich landete der erste "Typhoon" in Österreich.

Eine der Schlüsselfiguren aufseiten des Heeres war der mittlerweile aus dem Militärdienst ausgeschiedene Kommandant der Luftstreitkräfte (2002 bis 2006) und spätere "Air-Chief" im Generalstab des Verteidigungsministeriums (2006 bis 2007), Erich Wolf. Der heute 67-jährige war unter anderem auch Leiter einer der fünf Unterkommissionen, welche die Angebote im Vorfeld der Typenentscheidung 2002 zu bewerten hatten - ein erklärter Eurofighter- Fan, der auffallend enge Kontakte zu EADS im Allgemeinen, zum notorischen EADS-Lobbyisten Erhard Steininger im Besonderen unterhielt. Und das nicht nur deshalb, weil Steininger einst Wolfs Trauzeuge gewesen war.

Zufall oder nicht: Die in dem EADS-Dokument taxativ aufgezählten Zahlungen fallen in den Zeitraum, in dem Wolf das Oberkommando über die Luftstreitkräfte hatte. Es trägt den Titel "Sponsoring EF GmbH 2005/2006", erfasst aber tatsächlich den Zeitraum 2002 bis 2006.

Der EADS-Konzern sponserte Veranstaltungen und Projekte des Heeres mit mehr als einer halben Million Euro:

  • 146.000 Euro wendeten die Eurofighter GmbH und EADS Deutschland zwischen 2002 und 2006 auf, um bei den Leistungsschauen des Bundesheeres am jeweiligen Nationalfeiertag mit einem Modell des Eurofighter "Typhoon" präsent zu sein.
  • Für die vom Kommando Luftstreitkräfte unter der Leitung von Generalmajor Wolf 2005 gestaltete Ausstellung "50 Jahre Österreichische Luftstreitkräfte" in Zeltweg machte die Eurofighter GmbH 80.000 Euro("inklusive Zelt") locker, weitere 73.000 Euro für eine landesweite "Roadshow" des Bundesheeres 2006; noch einmal 24.000 Euro für die Beteiligung an der Ausstellung "Alpha, Romeo, Tango - Was sagt die Kunst zu 50 Jahre Luftstreitkräfte?" 2006 im Hangar 7 des Salzburger Flughafens -auch in diesen drei Fällen war stets ein "Typhoon"-Modell mit dabei. Der Hangar 7 wird vom Getränkekonzern Red Bull betrieben.
  • Für die Kleinigkeit von 100.000 Euro erwarben Eurofighter und EADS 2003 und 2005 VIP-Eintrittskarten für die "AirPower"-Flugschauen in Zeltweg - ein Gemeinschaftsprojekt von Bundesheer, Red Bull und Land Steiermark (für wen diese Tickets gedacht waren, geht aus der Aufstellung nicht hervor). Erich Wolf wechselte nach seinem Abgang beim Heer zu Red Bull. Seit 2011 ist er General Manager der internationalen Flugrennserie "Red Bull Air Race".
  • Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien bekam 2004 von EADS eine Spende in der Höhe von 15.100 Euro - "Unterstützung für Druck von Plakaten für die Ausstellung ,Österreich und Europa' sowie Einladungen", wie es in dem Dossier heißt.
  • Daneben finanzierte die Eurofighter GmbH zwischen 2003 und 2006 auch militärische Lustbarkeiten aller Art: Die alljährliche Heeres-Gala anlässlich der Kür zum "Soldaten des Jahres" subventionierte das Unternehmen 2006 mit 10.000 Euro, den "Fliegerball" im steirischen Judenburg 2006 mit 3000 Euro - und zwar für die "Musik"; weitere 5500 Euro (für "Speisen, Getränke, Musik und Bühnentechnik") löhnte Eurofighter für die ominöse "Gipfelsieg"-Feier am Fliegerhorst Brumowski im niederösterreichischen Langenlebarn kurz nach Unterzeichnung des Kaufvertrags im Juli 2003. Die Sause, an der neben Militärs auch Vertreter des Verteidigungsministeriums und von Eurofighter/EADS teilnahmen, wurde bereits im ersten Eurofighter-Untersuchungsausschuss 2006/2007 erörtert. Ebenso wie ein von Generalmajor Wolf organisiertes Golfturnier des Kommandos Luftstreitkräfte im niederösterreichischen Spillern. Tatsächlich aber waren es gleich drei Golfturniere: 2004,2005 und 2006 stellte die Eurofighter GmbH insgesamt 3500 Euro zur Verfügung - für das "Büffet". Dazu gab es für die puttenden Militärs "Werbegeschenke" wie Golfbälle, Schirme und Poloshirts.

Zusammen ergibt das einen Betrag von 22.000 Euro, der EADS-intern unter dem Titel "Unterstützung von ÖBH und dem ÖBH nahestehenden Organisationen" verbucht wurde (siehe Faksimile).

  • 10.000 Euro legte EADS als Sponsoring für den 2004 in Wien abgehaltenen Kongress der internationalen Reservestreitkräfte CIOR ("Confédération Interalleé des Officiers de Réserve") auf den Tisch. Als Organisator trat hier die Österreichische Offiziersgesellschaft (ÖOG) in Erscheinung. Schon zwei Jahre zuvor hatte EADS eine von der ÖOG gemeinsam mit der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer lancierte "Initiative Sicherer Luftraum" gefördert. Für das Projekt 2002, bei dem unter anderem Tausende Fliegenklatschen verteilt wurden, zahlte EADS 20.000 Euro.

Der seit November 2013 amtierende ÖOG-Präsident, Brigadier Erich Cibulka, bestätigt auf profil- Anfrage Zuwendungen von EADS, legt zugleich aber Wert auf die Feststellung, die Offiziersgesellschaft habe "niemals eine Typenempfehlung abgegeben": "Erst nach der Typenentscheidung durch die Bundesregierung hat die ÖOG in ihren Ausführungen zu einer Luftraumüberwachung den Eurofighter als Träger der aktiven Komponente der Luftraumüberwachung entsprechend erwähnt." So sei beispielsweise auch die "Initiative Sicherer Luftraum" erst nach der Typenentscheidung ins Leben gerufen worden.

  • Rund 82.000 Euro zahlte der Rüstungskonzern zwischen 2004 und 2006 für Anzeigenschaltungen in mehreren dem Bundesheer nahestehenden Medien, darunter "Der Offizier","Heeressport","Der Einsatz", "Pallasch - Zeitschrift für Militärgeschichte" und "Der Soldat" (eingestellt 2014).

"Der Offizier" ist eine Publikation der Offiziersgesellschaft. ÖOG-Präsident Cibulka schreibt in einer schriftlichen Stellungnahme an profil: "Es ist richtig, dass unsere Zeitschrift ,Der Offizier' unter anderem auch durch Inserate finanziert wird -wie auch das ,profil'. Tatsächlich hat es in der Vergangenheit auch mehrfach Inserate von EADS/Eurofighter gegeben. Das ist auch nicht verwunderlich, da unsere Zeitschrift mit einer Auflage von 10.000 Stück und einem sicherheitspolitisch interessierten Leserkreis ein ideales Umfeld für eine derartige Werbung bietet. Dieses Angebot wird auch von anderen renommierten Unternehmen gerne angenommen. Die klare Trennung von Redaktion und Anzeigenvertrieb ist selbstverständlich gegeben." All die genannten Aufwendungen zwischen 2002 und 2006 summieren sich auf einen Betrag von rund 572.000 Euro.

In der Aufstellung findet sich darüber hinaus noch ein Posten, der keinen unmittelbarem Heeresbezug hat: "Sponsoring-Vertrag EADS mit Rapid Wien". Eine Summe fehlt. Wie berichtet, schloss EADS mit Rapid ab 2003 drei Sponsorverträge, aus denen dem Verein bis 2008 fünf Millionen Euro zufließen sollten. Wie viel tatsächlich bei Rapid ankam, ist unklar. In internen EADS-Berichten ist einmal von 3,05 Millionen und einmal von vier Millionen Euro die Rede.

Dass Generalmajor Erich Wolf oder sonst ein Militärangehöriger von EADS/Eurofighter beeinflusst worden wäre, ist nicht belegt. profil behauptet das auch nicht.

Merkwürdig erscheint in diesem Zusammenhang allerdings ein E-Mail, das ein EADS-Manager am 20. Juli 2002 -also gerade einmal drei Wochen nach der Typenentscheidung -an zwei seiner Kollegen verschickte. Dieses belegt, dass der Rüstungskonzern über sensible Informationen aus dem Innersten des Verteidigungsressorts verfügte. So wusste man bei EADS unter anderem sehr bald, wie die Jet-Bewertungskommission hinter verschlossenen Türen entschieden hatte. "Bewertungskommission: Klare Gegner waren Katter (Leiter der Kommission, ohne Stimme) und Hofer (Leiter Logistik)", schrieb der Manager an seine Leute.

Tatsächlich hatte die Kommission am 25. Juni 2002 mit 4:1 für den "Typhoon" plädiert. Karl Hofer, ein Beamter des Ministeriums und Leiter der Unterkommission Logistik, hatte mit Blick auf die barocken Betriebskosten des Eurofighter als Einziger für den "Gripen" gestimmt. Brigadier Wolfgang Katter, der damalige Leiter der Bewertungskommission, präferierte aus demselben Grund ebenfalls das schwedische Produkt, hatte aber tatsächlich kein Stimmrecht. Generalmajor Wolf (Unterkommission Operation) und drei weitere Mitglieder hatten hingegen geschlossen für den "Typhoon" votiert.

Woher wusste EADS so früh davon?

All das förderte aber erst der parlamentarische Untersuchungsausschuss 2006/2007 zutage, nachzulesen im Online-Tagebuch des grünen Abgeordneten Peter Pilz. Aber woher wusste EADS so früh davon?

Das E-Mail des EADS-Managers schließt mit einer interessanten "Anmerkung": "Bei meinem Gespräch am Donnerstag mit Gen. Wolf wurde ich ausdrücklich vor Katter gewarnt. O-Ton Wolf: aber wir arbeiten schon daran, Katter und auch Spinka ruhig zu stellen."

Generalleutnant Wolfgang Spinka, damals Leiter der Gruppe Feldzeugwesen/Luftzeugwesen, war Katters Vorgesetzter und ebenfalls "Typhoon"-Gegner, saß aber selbst nicht in der Bewertungskommission. Auch Spinka hatte mit Blick auf die Betriebskosten und die dräuenden Belastungen für das Heeresbudget schwere Bedenken (laut aktuellen Erhebungen des Verteidigungsressorts kostete der "Typhoon"-Betrieb die Steuerzahler seit 2007 die Kleinigkeit von 505 Millionen Euro, der "Gripen" wäre demgegenüber auf geschätzte 251 Millionen Euro gekommen).

Wen Erich Wolf mit "wir" und was genau er mit "ruhig stellen" gemeint haben könnte (so das überhaupt sein O-Ton war), geht aus dem E-Mail nicht hervor.

Der Versuch einer Kontaktaufnahme mit Erich Wolf über sein Büro bei Red Bull blieb erfolglos.

Bemerkenswert auch ein weiteres EADS-internes Mail vom 21. Mai 2003, also wenige Wochen, bevor der Kaufvertrag über zunächst 18 Jets unterzeichnet wurde. Darin wurden die Ergebnisse eines Meetings vom Vortag zusammengefasst. "Am Abend des 20.5. fand in Wien ein Gespräch zur weiteren Öffentlichkeitsarbeit in Österreich statt", schrieb ein EADS-Manager an mehrere Empfänger, darunter auch Aloysius Rauen. "Politische Arbeit mit Einzelaktionen ist entscheidend, EADS kann hier nur indirekt wirken." Daneben wurden auch Schwerpunkte der Pressearbeit skizziert ("redaktionelle Beiträge zu Produkt";"redaktionelle Beiträge zu Gegengeschäft"; "Advertorials in Tageszeitungen"). An dieser Sitzung nahmen unter anderem teil: EADS-Führungskräfte, -Lobbyisten, ein Herr "Jukassek" (vermutlich der 2015 verstorbene frühere FPÖ-Kommunikationschef Kurt Lukasek) und: "General Wolf". Dass ein Kommandeur der österreichischen Luftstreitkräfte die Muße hat, PR-Maßnahmen eines Rüstungskonzerns abzustimmen, kommt so auch nicht alle Tage vor.

Erich Wolfs Kontakte zu EADS waren, wie gesagt, bereits Gegenstand des ersten Untersuchungsausschusses. Damals wurde unter anderem offenbar, dass Wolfs Ehefrau (oder genauer: deren Werbeagentur) 2002 vom EADS-Lobbyisten Erhard Steininger ein "Darlehen" über 87.600 Euro erhalten hatte, um das Unternehmen vor dem Bankrott zu bewahren. Erich Wolf wurde nach Bekanntwerden dieser Verbindung vorübergehend suspendiert, ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit eingeleitet (dies auch in Zusammenhang mit den EADS-Sponsorings für die "Gipfelsieg"-Feier 2003 und die Golfturniere). Die Ermittlungen verliefen reichlich holprig - und endeten mit einer Einstellung. Wolf selbst hatte jedweden Zusammenhang mit dem Beschaffungsvorgang energisch - und aus Sicht der Staatsanwaltschaft glaubhaft -in Abrede gestellt.

Die Spendierfreude des Rüstungskonzerns dürfte dem Verteidigungsressort übrigens zwischendurch einmal unheimlich geworden sein. Am 27. Mai 2004 machte in der Chefetage von EADS Deutschland ein vielsagendes E-Mail die Runde, Betreff: "Sponsoring in Österreich: Das österr. Verteidigungsministerium wünscht, dass wir unsere Sponsoring-Aktivitäten reduzieren, insbesondere bei dem Militär nahestehenden Organisationen. Das gilt auch für das Heeresgeschichtliche Museum (wird angewiesen, die Zusammenarbeit mit uns einzustellen) und für Anzeigen. Auch alle anderen Vorhaben, die bereits bekannt sind, bitte melden, damit wir das zusammenfahren können."

Im Internet findet sich der Video-Mitschnitt eines rezenten Interviews mit "Red Bull Air Race"-Manager Erich Wolf. Da sagt er unter anderem: "Sponsoring leistet einen wichtigen Beitrag zu unserem wirtschaftlichen Erfolg."

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.