Eurofighter

109 Eurofighter-Gegengeschäfte nachträglich aberkannt

Ministerium legt neue Liste vor, seit 2012 eine halbe Milliarde Euro gestrichen, hohe Anrechnungen trotz Wertschöpfung im Ausland.

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Wie „profil“ in seiner aktuellen Ausgabe (06/20) berichtet, hat das Wirtschaftsministerium eine neue Liste der Eurofighter-Gegengeschäfte für den Zeitraum 2003 bis 2018 erstellt. Diese enthält die – zunächst nicht vorgelegten – Details zum angerechneten Gesamtvolumen von vorläufig rund 4,6 Milliarden Euro, das im Dezember bekanntgegeben wurde.

Viele Aberkennungen

Eine profil-Analyse der neuen Liste zeigt, dass rund 91 Prozent des Anrechnungsvolumens lediglich auf zwei Dutzend österreichische Unternehmensgruppen beziehungsweise Institutionen entfallen. Außerdem kam es in den vergangenen Jahren zu maßgeblichen Aberkennungen bereits angerechneter Gegengeschäfte: Im Vergleich mit einer früher vom Ministerium veröffentlichten Liste mit Stand Mai 2012 wurden 95 Gegengeschäfte über insgesamt 442 Millionen Euro nachträglich gestrichen. Bei weiteren 25 Gegengeschäften wurde der angerechnete Wert um insgesamt rund 51 Millionen Euro reduziert.

Basis für die nachträglichen Streichungen waren nicht zuletzt Erkenntnisse aus dem seit 2011 laufenden Eurofighter-Ermittlungsverfahren der Justiz. Im Mai 2012 waren die Eurofighter-Hersteller noch davon ausgegangen, das vereinbarte Gegengeschäftsvolumen von 3,4 Milliarden Euro so gut wie erfüllt zu haben.

Gesamtvolumen von rund 2,9 Milliarden Euro nicht anerkannt

Ministeriumsangaben zufolge wurden im Gesamtzeitraum seit 2003 insgesamt 109 Gegengeschäfte nachträglich aberkannt und 131 im Rahmen des Einreichprozederes abgelehnt. Diese 240 Fälle machten insgesamt rund 871 Millionen Euro aus. 213 Gegengeschäftsbestätigungen seien auf einen niedrigeren Betrag gekürzt worden – alles in allem rund 559 Millionen Euro. Sieben Geschäfte über insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro seien bereits vor der Einreichung abgelehnt worden. Insgesamt wurden laut Ministerium demnach Gegengeschäfte mit einem Gesamtvolumen von rund 2,9 Milliarden Euro nicht anerkannt. Das entspreche einer Ablehnungsquote von 38,7 Prozent.

Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt weiter

Bis heute nicht korrigiert wurde die Anrechnung von Gegengeschäften, bei denen ein Großteil der Wertschöpfung gar nicht in Österreich erfolgte. Eine entsprechende Reduktion wäre laut Ministerium vom Gegengeschäftsvertrag nicht gedeckt. Wie profil berichtet, wurden hunderte Millionen Euro angerechnet, obwohl die entsprechende Wertschöpfung laut einem vorliegenden Gutachten gar nicht in Österreich erfolgte.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt indes weiter. Seit der WKStA der Eurofighter-Komplex vor rund einem Jahr übertragen wurde, sind 27 neue Beschuldigte dazugekommen, darunter 8 Unternehmen auf Basis des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes. Der Großteil der neuen Beschuldigten steht laut WKStA in Zusammenhang mit dem Thema Gegengeschäfte.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).